Maisverbiss: Damwild in großen Gruppen unterwegs - Von Andreas Schultz

Tierische Massen

Eine Luftaufnahme aus dem betroffenen Bereich lässt grob erahnen, wie groß der Schaden ist: Rund 2,5 Hektar haben die Tiere vom Maisfeld weggefressen.
 ©Thomas Hopp

Waffensen. Als Hermann Jürgens nach ein paar Tagen Urlaub einen Blick auf eines seiner Maisfelder wirft, traut er seinen Augen nicht: Etwa 2,5 Hektar der großen Fläche sehen aus, als wäre schon lange vor der Ernte ein Maishäcksler drüber gefahren. „Ich war erschüttert“, wird der Landwirt später sagen. Ein genauer Blick auf die knie- bis hüfthoch abgetrennten Pflanzen lässt erahnen: Hier waren Tiere am Werk. Damwild hat sich in ungewöhnlich großer Zahl an den Pflanzen zu schaffen gemacht.

„Wir haben in den vergangenen Jahren beobachtet, dass Damwild verstärkt in den angrenzenden Jagden auftritt. Im Extremfall sind 60 bis 70 Stück auf einmal anzutreffen. Davor waren es immer mal vier oder fünf“, erklärt Jürgens, der in seiner Freizeit als Jäger in dem Gebiet unterwegs ist, das sich nahe an Maisfeld und Bahnstrecke bei Waffensen befindet. Was an Dam- und Schwarzwild im Wald lebt, hat dort leichtes Spiel. Das Maisfeld ist groß und ragt, lediglich von einem Blühstreifen getrennt, in den Wald hinein. Von der Straße aus ist der betroffene Bereich kaum einsehbar, erst ein gutes Stück von ihr entfernt wird das ganze Ausmaß des Wildverbisses sichtbar.
Den entstandenen Schaden schätzt der Landwirt, je nach Endergebnis der Maisernte, auf 3.000 Euro oder mehr. Dass Wild sich durch Ackerfrüchte frisst, ist nicht ungewöhnlich, in dieser Dimension jedoch schon: „Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger habe ich viel mit solchen Dingen zu tun. Aber in so einem Ausmaß habe ich das bisher nur wenig gesehen. Wie das Wild den Mais von einer Seite zur anderen weggefressen hat, ist wirklich immens“, so Jürgens.
Auch wenn die Schadenssumme im Portemonnaie schmerzt: Ums Geld geht es dem Landwirt und Jäger nicht – eher darum, auf die ungewöhnliche Zusammenrottung des Wildes im Gebiet an der Bahnlinie hinzuweisen. Er und Jagdkollegen tauschen Theorien aus, wieso die Gruppenbildung vor Ort diese Entwicklung annimmt. Eine Mischung mehrerer Umstände könnte seiner Ansicht nach dafür gesorgt haben: Die Ruhe in Bereichen der umliegenden Jagdgebieten, vielleicht sind die Tiere bei Waffensen auch in vergangenen Jahren nicht genug bejagt worden. Ein wesentlicher Faktor sticht allerdings heraus: „Ich bezweilfe, dass es ohne den Wolf soweit gekommen wäre“, vermutet der Waffensener – wenngleich er zugibt, das Tier selbst noch nicht gesehen zu haben, auch seine Spuren nicht. Dafür höre man unter Jagdkollegen öfter mal von Sichtungen des Grauen. Dafür sprechen auch die Daten der Landesjägerschaft Niedersachsen: Die aktuelle Karte für Wolfsichtungen und -spuren unter www.wolfsmonitoring.com zeigt um Rotenburg herum einige Nachweise.
Findet sich Damwild hier nahe der Bahnstrecke in Waffensen zusammen, um gemeinsam etwas sicherer vor dem Beutegreifer zu sein? Friedel Lossau, Jäger und bis vor kurzem noch Vorsitzender des Hegerings Sottrum, hält das für plausibel. An zu geringer Bejagung könne die Zahl der Tiere jedoch nicht liegen: „Ich bin nicht der Meinung, dass das Damwild in letzter Zeit zugenommen hat. Das sind nicht mehr Tiere, sie treten nur vermehrt gerudelt auf. Wir haben jedes Jahr eine Damwildzählung und da gibt es keine Zunahme“, sagt er. Die Jäger hätten jedenfalls immer ein Blick auf die Abschusszahlen, beschlossene und vereinbarte Zahlen würden gehalten. „Was wir hier sehen, liegt nicht daran, dass wir zu wenig schießen“, ist Lossau sicher.
Ob es trotzdem dazu kommt, dass das Damwild vor Ort mehr bejagt wird, ist eine Frage, mit der sich die jeweilige Hegegemeinschaft auseinandersetzen muss. Jügens jedenfalls sieht in der Erhöhung des Jagddrucks eine Möglichkeit, mit den neuen Umständen umzugehen. Aus landwirtschaftlicher Sicht bieten sich ebenfalls Möglichkeiten: „Wir werden versuchen, am Wald kein Mais mehr anzubauen, die Fruchtfolge zu ändern“. Stattdessen lasse sich dort, wo Schäden durch Wild zu erwarten sind, auch Getreide säen. Ansonsten heiße es, erst mal abwarten. Jürgens: „Wir werden die Entwicklung beobachten, auch wie sich das Wild aus den verschiedenen Bereichen zusammenzieht. Und dann: Mal schauen.“

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