Feuerwehren der Kreisbereitschaft Süd im Einsatz in Lübtheen - Von Henning Leeske

„Ihr seid unsere Helden“

Einsatzkräfte der Kreisbereitschaft Süd im Waldgebiet bei Lübtheen: Zwei Tage lang kämpfen Feuerwehrleute aus zahlreichen Wehren des Landkreises in Mecklenburg-Vorpommern gegen die Flammen. Fotos: Feuerwehren
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Landkreis Rotenburg. Alt Jabel bietet einen gespenstischen Anblick, als Mitglieder der Kreisbereitschaft Rotenburg in dem Dorf nahe Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern eintreffen. „Die Häuser waren alle evakuiert, Rauchschwaden zogen durch die Straßen, fast das einzige Licht waren die Blaulichter der Fahrzeuge, die durch die Nacht und in den allgegenwärtigen Qualm zuckten“, erinnert sich Erik Robin. Der Hellweger, sonst als Pressesprecher für die Feuerwehren der Samtgemeinde Sottrum aktiv, gehört zu der Gruppe, die die Einsatzkräfte vor Ort beim Löschen der Waldbrände unterstützt.

Die Alarmierung der 110 Feuerwehrleute umfassenden Kreisbereitschaft Süd am 1. Juli ist zugleich quasi die erste Amtshandlung des neuen Kreisbrandmeisters Peter Dettmer, um diese zum Einsatz im mecklenburgischen Lübtheen zu schicken. Der Landkreis Parchim hatte Katastrophenalarm ausgelöst, nachdem Brandstifter an drei bekannten Stellen Feuer in den Wäldern gelegt hatten. Über die Polizeidirektion und den Regierungsbrandmeister wurden die Feuerwehren von der Wümme angefordert. Und bereits um 5.30 Uhr in der Frühe starten die 27 Feuerwehrfahrzeuge, um rechtzeitig um neun Uhr am Einsatzort anzukommen. Erster Treffpunkt war das Gerätehaus in Scheeßel, wo die Züge der Bereitschaft sich nach einer kurzen Nacht versammelten, um dann als Kolonne ins benachbarte Bundesland zu fahren.

Pünktlich um neun Uhr erreicht die Kreisbereitschaft Lübtheen und bekommt einen ersten Überblick im Lagezentrum. „Dort waren Vertreter aller beteiligten Hilfsorganisationen und gleich mehrere Mitglieder der Landesregierung vertreten“, schilderte der Bereitschaftsführer Jürgen Runge aus Jeddingen. Die Aufgabe der Kreisbereitschaft Süd ist es, eine Riegelstellung zwischen dem Feuer und den Ortschaften Alt Jabel und Hohen Woos mit Unmengen von Wasser zu gewährleisten. Denn der Brand hat sich bereits bis auf 200 Meter an Alt Jabel herangefressen. Das große Problem dabei: Der ehemalige, munitionsverseuchte Truppenübungsplatz darf aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden. Warum, bekommen die Kreisrotenburger immer wieder zu hören: „In regelmäßigen Abständen explodierten die Sprengkörper in weiterer Entfernung“, berichtet Robin. „An Löscharbeiten im Nahbereich war da nicht zu denken.“ Auch für Runge ist das eine neue Erfahrung: „„Das Feuer kommt auf einen zu, aber man darf es nicht direkt bekämpfen. Und dann knallte das in einer Tour.“ Mit Dachwerfern müssen sie daher gegen die Flammen vorgehen, unterstützt von Wasserwerfern der Polizei, die immerhin schon eine Reichweite von 60 Metern haben.

„Du stehst mitten im Wald, mitten im Nirwana, und eigentlich sollte alles ganz still sein. Stattdessen hörst du Feuerwehrpumpen, Hubschrauber, Panzergedröhne, Menschenstimmen, Brandgeräusche und alles mögliche, was da so eigentlich nicht hingehört“, schildert Robin die Situation. „Wenn es nicht der dichte Rauch ist, der dir den Atem nimmt, dann sind es die Abgase aus all diesen laufenden Motoren oder die Erkenntnis, dass du dich gerade mit 150 anderen Leuten in einer dramatischen Situation befindest und ihr alle das gleiche Ziel habt: Alt Jabel für seine Einwohner erhalten.“

Erschwerend kommt für die Rotenburger hinzu, das sie erst ab 14 Uhr regulär mit den anderen Feuerwehren und dem Lagezentrum per Digitalfunk kommunizieren können. „Das ist eine Erkenntnis aus dem Einsatz, die wir nach Hause mitnahmen. Da besteht dringend Handlungsbedarf“, sagt Runge. Denn das Problem sei der Digitalfunk im anderen Bundesland gewesen und dass die Rotenburger die ersten ortsfremden Kräfte waren, die dort eingetroffen waren, und eine Umstellung der Funkmasten erforderlichen machten. „Da waren schon andere Abläufe als bei uns in Niedersachsen“, stellt Runge fest. Schließlich gilt es viele Organisationen unter einen Hut zu bringen: angefangen von der Feuerwehr, dem THW, dem DRK, der Bundeswehr bis hin zu den Polizeikräften zu Lande, zu Wasser und in der Luft. „Die Kräfte organisieren sich untereinander situationsbedingt selbst. Dazu benötigt man mitunter maximale Geduld und Rücksichtnahme“, sagt Robin.

Eine der ersten Ladungen des Löschhelikopters ist es, die den Feuerwehrleuten bei der sengenden Hitze eine willkommene Abkühlung beschert. „Die Koordination mit dem Hubschrauber klappte nicht sofort und deswegen öffnete der Pilot wohl etwas zu früh die Schleusen“, erinnerte sich der Jeddinger. Ein feiner Sprühnebel kühles Nass für die schwitzenden Brandbekämpfer vom Wassertransportzug ist das Ergebnis. Danach klappt das punktgenaue Abladen der Wassermassen natürlich besser. „Mit dem Wassernebel wird der Brand am besten bekämpft. Deswegen werfen die Piloten idealerweise aus einer Höhe von 300 Metern ab“, sagt Runge.

Auch der Pendelverkehr der Tanklöschfahrzeuge läuft da bereits, wobei ein Zug insgesamt 15.000 Liter direkt zum Einsatzort befördert. Der Wasserförderzug hilft unterdessen mit seinen 4.000 Metern Schlauchmaterial weiter und baut zusätzlich eine lange Wasserleitung auf.

Die Strecke zwischen Einsatzstelle und Wasserentnahmeplatz führt zwei Kilometer weit über zum Teil schlechte Waldwege. „Trotzdem schafften einige fleißige Mannschaften bis zum späten Abend bis zu 15 Touren“, schildert Robin. Dort füllten die Feuerwehrleute aus Wohlsdorf alle ankommenden Tanklöschfahrzeuge im Nu mit frischem Wasser.

Am späten Nachmittag sind von der Bundeswehr zwei Bergepanzer vom Typ Leopard und ein Sikorsky-Hubschrauber im Einsatz. Die Bundes- und die Landespolizei fliegt mit zwei weiteren Hubschraubern vom Typ Superpuma ebenfalls Löscheinsätze. Das THW beseitigt mit Motorsägen und einem Radlader störenden Baumbestand. „Und mittendrin Feuerwehrleute der Kreisbereitschaft Süd, die im Schweiße ihres Angesichts kämpften“, schildert Robin. Besonders aus dem evakuierten Ort Alt Jabel blieb die Stimmung hängen.

18 Stunden Einsatz stecken den Männern und den Frauen aus dem Landkreis Rotenburg in den Knochen, als sie nach 23 Uhr die Kaserne in Hagenow erreichen, wo in einer Sporthalle rund hunderte Feldbetten für die Kräfte der unterschiedlichen Hilfsorganisationen aufgebaut sind. Nur der dritte Zug, dem Einsatzkräfte aus Hemslingen-Söhlingen, Bothel, Wittkopsbostel und Hemsbünde angehören, findet ein anderes Quartier: Dieser Zug war nämlich bei der nur teilevakuierten Ortschaft Hohen Woos eingesetzt gewesen, und nun organisieren die Einwohner Übernachtungen für die Helfer aus dem Landkreis Rotenburg. „Die Verpflegung in Hohen Woos und bei uns war köstlich. Die Bevölkerung hat so unsere Moral auch sehr gefördert“, erinnert sich Runge. Mit dabei in Hohen Woos ist auch das legendäre Löschfahrzeug 16 TS aus dem Baujahr 1988 aus Hemsbünde, der als Fast-Oldtimer immer noch seinen treuen Dienst dank der liebevollen Pflege der Feuerwehr verrichtet. „Mit seiner starken Pumpe ist der LF16 TS sehr wichtig für die Kreisbereitschaft und müsste über den Katastrophenschutzpool dringend ersetzt werden“, sagt Runge.

Nach einer kurzen Nacht sind die Einsatzkräfte von der Kreisbereitschaft Süd von sieben bis 15 Uhr erneut im Einsatz, bis Brandschützer aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg sie ablösen und es auf den Heimweg geht.

„Der Kamerad, mit dem ich unterwegs war, und ich sind beide über 50 Jahre alt und waren uns auf der Rückfahrt einig, dass wir diese zwei Tage so schnell nicht vergessen werden“, sagt Robin. Es sind neben den anstrengenden, kräftezehrenden Situationen aber auch andere Augenblicke, die hängenbleiben werden: etwa das von Kindern gemalte Bild, das hinter zahlreichen Obstspenden an der Verpflegungsstation hängt. Darauf ist ein Feuerwehrauto zu sehen, und ein Satz: „Ihr seid unsere Helden!“

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