Über ein wichtiges europäisches Schutzgebietsnetzwerk - Von Christiane Looks

Natura 2000 – ein Lehrstück

An der Oste bei Avensermoor zeugt der Rest eines Seils von einer ehemaligen Möglichkeit, den Fluss zu überwinden. Foto: Joachim Looks
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Sittensen. Kurz nach Eröffnung des neuen Oste-Radwegs im Jahre 2011 meldete sich ein Bekannter aus meinem beruflichen Umfeld, um sich für die geplante Erprobung dieses Radwegs Tipps geben zu lassen. Ihm war bekannt, dass ein im Zusammenhang mit der Oste-Ausstellung 2006 herausgegebenes Buch uns veranlasst hatte, den Fluss von Schillingsbostel, dem Quellgebiet der Oste, bis zur Schwebefähre bei Osten an der Oste intensiv zu erkunden. Deshalb erhoffte er sich Ratschläge darüber, was auf gar keinen Fall vernachlässigt werden sollte.

Nun ja – als Insider für eine Oste-Radweg-Beratung sahen wir uns nach unseren Ausflügen nicht. Sicher gab es Eindrucksvolles. Aber was den einen fasziniert, muss von anderen nicht entsprechend gesehen werden. Also gab es eine vorsichtige Rückfrage, wie denn die Anfrage in etwa gemeint sei? Highlights wie die Ostener Schwebefähre oder solche des Natura-2000-Flusses, um zwei Pole zu benennen? Wie es häufig ist, wenn nicht eindeutig abgestimmte Bereiche durch Fragen geklärt werden sollen, führt eine Frage zur prompt folgenden Nachfrage. So war es auch hier. Natura 2000? Der Radweg sei doch gerade erst jetzt, 2011, vorgestellt worden. Was sei denn im Jahre 2000 mit der Oste gewesen?

Tja, das war nun nicht so einfach zu erklären, denn zur Erläuterung musste eine weitere Jahreszahl hinzugezogen werden: 1992. Da der Kollege als Politologe für mich als Geschichtslehrerin gewissermaßen ein Fachkollege war, versuchte ich es mit einer sogenannten Zeitleiste:

1992 – UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung fordert in Rio angesichts gravierender Verluste von Artenvielfalt einen Schutz biologischer Vielfalt und entsprechender Lebensräume. Die EU beschließt daraufhin ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) unter Einbezug von geschützten Gebieten nach der EU-Vogelschutzrichtlinie aufzubauen – die Geburtsstunde von Natura 2000.

1995 – Bis zu diesem Datum reichen alle EU-Mitgliedsstaaten Gebietsvorschläge nach FFH für Natura 2000 ein.

1998 – Die Europäische Kommission erstellt aus den eingegangenen Vorschlägen eine Liste gemeinschaftlich bedeutsamer Gebiete nach der FFH-Richtlinie unter Einbezug relevanter Vogelschutzgebiete.

2004 – Alle gemeinschaftlich bedeutsamen FFH- und Vogelschutzgebiete werden von den EU-Mitgliedsstaaten als besondere Schutzgebiete hoheitlich durch nationales Recht abgesichert.

Mir war von vornherein klar, was mein Kollege auf die Liste dieser politischen Zeitvorgaben antworten würde. Und es kam auch so: „…und ist der Plan auch gut gelungen, verträgt er dennoch Änderungen“. Er hatte recht! In ganz Europa zeigte sich, dass die Ausweisung des Natura-2000-Netzwerkes mit erheblichen Nutzungskonflikten verbunden war und nur schleppend vorankam. So verlief der Oste-Radweg 2011 immer noch nicht durch ein über nationales Recht hoheitlich abgesichertes FFH-Gebiet, und das nicht nur, weil es entsprechende Pläne für den gesamten Fluss von der Quelle bis zur Mündung ins Meer nie gegeben hatte, sondern weil sich der Natura-2000-Zeitplan selbst 2011 noch als zu ehrgeizig erwies.

Was konnte dem Kollegen also für seine Radtour als besonderes Highlight empfohlen werden? Hier der sehr persönlicher Tipp: am Tister Bauernmoor vorbei auf der L 142 (leider ohne Radweg) über die Landkreisgrenze hinweg drei Kilometer bis kurz vor Vaerloh im Landkreis Harburg radeln und dort nach rechts in eine für öffentlichen Kraftfahrzeugverkehr nicht zugelassene Asphaltstraße Richtung Avensermoor einbiegen. Die Straße ist Teil des Oste-Radweges. Nach etwa 650 Metern wird die Oste überquert. In einer ansonsten aufgeräumten Landschaft begleitet an dieser Stelle ein Auwald-ähnliches Wäldchen das schmale Fließgewässer. Flussabwärts kann noch heute unmittelbar an der Brücke gesehen werden, dass hier mal ein kräftiges Seil Kindern die Möglichkeit geboten hatte, sich über die Oste zu schwingen. Das hatten wir 2007 so vorgefunden und 2011 dem Kollegen wegen des eigene Kindheitserinnerungen weckenden Kindervergnügens weiterempfohlen. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Fluss ab Sittensen schon Natura 2000 gesichert sein. Heute wird noch immer daran gearbeitet. Die Kinder von damals sind inzwischen herangewachsen, denn als wir Ende letzten Jahres das kleine Wäldchen erneut auf der Suche nach der Schaukel aufsuchten, zeigte sich, dass sie mittlerweile außer Funktion gesetzt wurde.

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