Von Klaus-Dieter Plage: Theatergruppe Leporello zeigt das Stück „Der Traumreisende – Zwischen den Welten“

Ein Tyrann und drei Fabelwesen

Die Theatergruppe "Leporello" nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise zwischen Traum und Realität. Sie schauen nicht nur zu, sondern werden Teil der Geschichte. Der Heick-Park in Jeersdorf bietet die Kulisse des Stücks.
 ©Klaus-Dieter Plage

Jeersdorf/Sottrum (age). Wenn Rudi Müntefering zum Grillplatz im Jeersdorfer Heick-Park geht, dann ist er ein ganz normaler 51-Jähriger. Zwei Stunden später wird aus dem Sozialpädagogen der Traumreisende Alinos und aus dem Heick-Park eine Theaterbühne. Bei der Inszenierung von „Der Traumreisende – Zwischen den Welten“ steht der Spielort im Mittelpunkt.

Das Publikum wird auf eine Reise durch eine reale und eine fantastische Welt mitgenommen. Sie werden zum Weggefährten des Protagonisten. Während der gesamten Aufführung wandern die Zuschauer, geführt durch die Schauspieler, durch die einzelnen Szenen. Sie erleben die Situation, wie sie die Hauptfigur erlebt. Insgesamt acht Szenen werden angesteuert. Sehr oft wird das Spiel zwischen Ferne und Nähe im Mittelpunkt stehen.

Nicht nur die Aufführungsorte der Theatergruppe Leporello sind ungewöhnlich, sondern auch die Entstehung der Stücke. „Ich habe beobachtet, dass die Flüchtlingsproblematik auch uns stark betrifft“, berichtet Müntefering über die Entstehung des neuen Stücks und fügt hinzu: „Man kann vor kriegerischen Auseinandersetzungen flüchten, aber auch in Drogen und Alkohol.“

Es entstand der Wunsch, sich einmal in einem Theaterstück mit der Flucht auseinanderzusetzen. Das war der Start für das Theaterstück „Der Traumreisende – zwischen den Welten“. Keiner der Laienschauspieler hat die Flucht am eigenen Leibe erlebt. Die Flucht, als Kernpunkt der Geschichte, sollte aber nicht platt oder aufgesetzt wirken. „Auch in einen Traum kann man sich flüchten. Das haben wir aufgegriffen und eine Traumwelt geschaffen. Abwechselnd spielt das Stück in dem Traum und in der Realität“, so Müntefering.

Jedes neue Stück der Theatergruppe, es waren bis jetzt zehn, fängt bei null an. In den Proben gibt es noch keinen fertigen Text, sondern die Laienschauspieler haben eine Idee im Kopf und fangen an zu spielen und zu improvisieren. Alles was die Regisseurin Ramona Schmalen gut findet, schreibt sie auf.

Neues kommt hinzu, anderes wird verworfen. Daraus entwickelt sich nach und nach der fertige Text. „Bei den Aufführungen ist der Text so präsent, weil wir wissen, wohin wir mit unserer Spielweise wollen. Dadurch wird das Stück auch etwas authentischer“, meint Müntefering.

In dem nun neu entstandenen Theaterstück flüchtet sich der Protagonist Alinos in eine Traumwelt. Er ist selbst auf der Flucht. Hat alles ihm Bekanntes zurückgelassen und begibt sich auf eine Reise in eine ungewisse Zukunft. Die Traumwelt wird zur Märchenwelt. Wie in jedem Märchen muss Alinos drei Prüfungen bestehen.

Interessant ist, dass diese Prüfungen nicht in der Traumwelt stattfinden, sondern in der Realität. Er springt zwischen Traum und Wirklichkeit hin und her, bis sich die Welten vermischen und Alinos nicht mehr weiß, wo er sich befindet. Natürlich gibt es auch Fabelwesen.

„Der Heick-Park bietet als Kulisse an, dass es dort ein Wasserwesen, ein Wiesen- und Waldwesen und ein Berg- und Steinwesen gibt. Diese drei Wesen sind die Wächter der Traumwelt. Ein riesenhafter Tyrann saugt ihnen im Schlaf die Kraft aus. Der Tyrann spaltet jedes Mal ein Stück seines Herzens ab und belegt es mit einer Prüfung“, erklärt Müntefering.

Der Tyrann sei einst ein Mensch gewesen, und nur ein Mensch könne die Prüfungen bestehen. Dieser Mensch sei Alinos, der Traumreisende. Er habe nun die Aufgabe, in den drei Prüfungen den Wächterinnen ihre Kraft wiederzugeben. „Das gibt ein interessantes Ende“, verspricht Müntefering.

Sicherlich würden viele Szenen die Zuschauer auch an Ereignisse in der Gegenwart und Vergangenheit erinnern. Neben den acht Schauspielern wirken an dem Stück einige Flüchtlinge, die Beekscheepers und die Jeersdorfer Feuerwehr mit.

Seit 2003 ist Müntefering Mitglied in der Theatergruppe: „Rückblickend war die erste Aufführung am interessantesten.“ Das Stück spielte an der Scheeßeler Mühle. Kinder und Leute aller Altersstufen wirkten mit. Müntefering: „Es war ein besonderes Erlebnis, dieses Mehrgenerationen-Theater.“

Aufgegriffen wurde die 500 Jahre alte Sage von dem bösen Müller in Scheeßel. Nur sehr wenig war von der Rahmenhandlung bekannt. „Wir stellten uns die Frage, was waren die Beweggründe, dass plötzlich die Mühle weggespült wurde. Wie ist der Zwist zwischen den beiden Brüdern entstanden“, erklärt Müntefering.

Kurzerhand wurde eine Geschichte um die Sage gestrickt. Die Mühle ist eine schöne poetische Kulisse. Nichts brauchte aufgebaut werden, denn der Ort hat seine eigenen Besonderheiten. „Die positive Resonanz hat uns gezeigt, dass wir mit dieser Art des Theaterspielens auf dem richtigen Weg sind. Danach stand für uns fest, dass wir so weitermachen werden“, erklärt Müntefering.

Alle Stücke danach wurden in einem anderen Ort im Landkreis Rotenburg aufgeführt. Gespielt wurde schon unter anderem in Ahausen, Hellwege, Sottrum, Clüversbostel, Scheeßel und in Rotenburg.

Einige Freilichttheater gibt es im Landkreis Rotenburg, aber ein Freilichttheater in dem die Zuschauer mit den Szenen mitwandern, findet man nicht. Ungewöhnlich ist auch, dass die Zuschauer während der Aufführung unmerklich ein Teil des Stückes werden. In der Geschichte von dem bösen Müller wird seine Frau als Hexe beschuldigt. Sie wurde ergriffen und auf einem Leiterwagen gezogen, um sie am Mühlenteich zu verbrennen.

Die Schauspieler liefen hinterher und riefen: „Verbrennt sie, verbrennt sie.“ Auch die Zuschauer liefen mit zur nächsten Szene und wurden so ein Teil des Mobs. „Wir versuchen immer, die Zuschauer mit einzubinden. Dadurch fühlen sie sich innerlich mit dem Stück verbunden oder werden zu einem Teil der Aufführung“, meint Müntefering.

An den einzelnen Szenen müssen die Zuschauer in dem neuen Stück „Der Traumreisende – Zwischen den Welten“ nicht stehen, sondern können dort sitzen. Mitbringen sollten sie aber einen Regenschirm, festes Schuhwerk und vielleicht eine Decke, denn auf einer Reise in eine andere Welt sollte sie für alles gewappnet sein. „Man bewegt sich zwar, aber wenn man auf dem Platz sitzt, kann es manchmal kalt werden“, so Müntefering.

Das Stück beginnt um 20 Uhr im Jeersdorfer Heick-Park. Das hat auch seinen Grund. Denn in der Dunkelheit kann durch die Beleuchtung ein spezieller Fokus auf die Szenen gelegt werden. Der Name „Leporello“ für die Theatergruppe ist daraus entstanden, weil eine Geschichte anhand von poetischen Bildern erzählt und aneinander gebaut wird.

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