Scheeßel (jl). „Lass mal, wenn das zu kompliziert ist, fahre ich einfach morgen nach Hannover und hole die Kiste ab.“ Betont ruhig reagiert Torsten Paul auf die Stimme im Telefon, die sich zur Hysterie zu steigern scheint, weil Kunstwerke der Ausstellung noch nicht in Scheeßel angekommen sind – Teile seiner Ausstellung. Das passt zu Paul, der auch ansonsten eher der ruhige Typ ist, den wenig aus der Fassung zu bringen scheint.
Er nimmt sich Zeit für Gespräche, erklärt – mitunter detailverliebt – seine Bilder und lässt sich halt auch dann nicht aus der Ruhe bringen, wenn einen Tag vor der Ausstellungseröffnung noch Kunstwerke fehlen. Paul hat Zeit, so erklärt er zum Beispiel auch, warum er vor allem mit Ölfarben malt, in seiner Kunst aber komplett auf Acrylmalerei verzichtet: „Acryl ist etwas für Leute, die es eilig haben. Ich habe es nicht eilig.“
Nur mit ausreichend Zeit könne er die Details aus den einzelnen Szenarios herausholen, die anschließend seine Bilder ausmachen. Ein Bild, so Paul sei schließlich immer nur ein Teil des großen Ganzen, weswegen es sich nur im ganzen Kontext selbst erkläre. Umgekehrt ließe ein Bild ohne Kontext dem Betrachter auch sehr viele Möglichkeiten, seine Fantasie spielen zu lassen, in dem Versuch herauszufinden, was sich jenseits des Rahmens befinden könnte. Aber nicht nur im räumlichen Sinne, sondern auch im zeitlichen Bereich sei ein Bild ein Ausschnitt, eine Momentaufnahme. „Nehmen wir das Bild mit den Gläsern einmal: Manche sind leer, andere halb voll. Was hat dort stattgefunden? Ein Abendbrot, eine Orgie? Das liegt ganz beim Betrachter“, so Paul. „Bilder erzählen Geschichten – Geschichten von dem, was davor war und was danach sein könnte.“ Dabei könnte Paul selbst eine ganze Menge Geschichten erzählen. In der DDR aufgewachsen wurde ihm zwar von Staats wegen das Kunststudium ermöglich, das künstlerische Wirken anschließend aber nicht gestattet und er selbst aus dem Land ausgewiesen. „Meine Kunst war wohl nicht ganz so staatstragend wie gewünscht“, vermutet Paul. Trotzdem hat der sozialistische Symbolismus, in dem jeder Gegenstand seine eigene Aussage hat, auch auf ihn und sein Wirken Einfluss gehabt. Gerade in Bezug auf Keinigkeiten sei das wichtig gewesen. „Wenn ein Maler, der in der DDR ausgebildet wurde, ein Bild der Ostsee malte und am Horizont ein Segelboot zu sehen ist, wundern sich viele Westdeutsche, was das Besondere an diesem Bild sei. Das Besondere ist: Da durfte gar kein Boot sein“, so Paul. So prägte sich der Blick für Details schon früh. Die Ausstellung gastiert noch bis Sonntag, 11. August, im Kunstgewerbehaus auf dem Meyerhof in Scheeßel.