Pro und Contra von Windkraftanlagen sachlich diskutiert

Mehr Abstand

Viele Wittorfer sind verunsichert: Was bringt die Ausweitung der Energiegewinnung durch mehr Windräder mit sich? Fotos: Hans-Jörg Werth
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Wittorf. „Wir wollen die Energiewende und sind nicht gegen Windenergie, aber die Menschen müssen ehrlich über Vorzüge und mögliche Nachwirkungen aufgeklärt werden“, wollte Heinz-Herman Gerke als Gastgeber und Vorsitzender der Bürgerinitiative Wittorfer Bürger für Umwelt und Gesundheit (WUG) gleich klare Worte finden. Gerke, selbst Anteilseigner einer Windenergieanlage, begrüßte rund 100 Wittorfer Bürger zum Faktencheck.

Im Mittelpunkt der Vorträge stand die Ausweitung der bereits bestehenden sechs Windräder im Umfeld Wittorfs auf zwei Feldern durch zehn weitere Anlagen auf dem Vorzugsgebiet Wittorf/Lüdingen. „Die Potenzialfläche 43 in einer Größe von 76 Hektar wurde in das Raumordnungsprogramm des Landkreises (RROP) aufgenommen“, so Gerke. Er ist von Technik und Leistungsfähigkeit der Windtürme neuester Generation recht angetan, und befürwortet ausdrücklich den kontroversen Umgang zu Wahl und Standort der Neuinstallationen.

„Viele Wittorfer Bürger sind verunsichert und befürchten Nachteile“, verweist WUG-Sprecher Gerd Richter auf entsprechende Erfahrungen in Bartelsdorf. Während dort Anlagen zwischen knapp 100 bis zu über 150 Meter Höhe bereits seit circa acht Jahren in Betrieb sind, geht es auf dem Wittorfer Areal um noch ungleich größere Anlagen von bis zu 230 Metern Höhe, warnt Richter vor voreiligen Beschlüssen. Die Erfahrungen von Kathrin Baden, die mit Ehemann und vier Kindern in etwa 1.800 Meter Entfernung zu den Bartelsdorfer Bestandsanlagen wohnt, klingen extrem ernüchternd. Die erklärte Befürworterin der Energiewende zog in ihrem von Gerke angekündigten Check über die Auswirkungen der Windtürme im dem 440 Einwohner zählenden Ortsteil der Gemeinde Scheeßel ein kritisches Zwischenfazit. Das Pilotprojekt der zur damaligen Zeit großdimensionierten 2 MW-Anlagen sei von viel Vorschusslorbeeren begleitet worden. Es habe in der alltäglichen Wahrnehmung aber deutlich an Glanz verloren. Vieles klinge heute eher nach Hohn, meint Baden. Sie spricht unter anderem von der Lärmbelästigung bei Ostwind, Schlagschatten, Dauerblinken in der Nacht, mächtiger Optik und langwelligem Infraschall als stetiger Herausforderung, was letztlich zu mehr oder weniger starken Einschränkungen in der Lebensqualität führt. Mehr Klarheit in Bezug auf den Lärmpegel soll ein vom Kreis in Auftrag gegebenes, unabhängiges Gutachten liefern, das laut Baden in den kommenden Wochen erwartet werde. Die Grenzwerte sind nach Darstellung Badens unter Berufung auf die Weltgesundheitsbehörde ab einem Wert von über 40 Dezibel schädlich für die Gesundheit. „Wir machen uns echt Sorgen“, so Baden, die nach eigenen Angaben dabei aus ihrer persönlichen Erfahrung und nicht für alle Bartelsdorfer spricht. Für weitere Vorhaben wie in Wittorf soll das Gutachten als Gradmesser herangezogen werden. Ist Windenergie denn nun ein notweniger Schritt, um das erklärte Ziel der Energiewende hinzubekommen, nur eine Übergangslösung oder gar „Teufelszeug“, da gehen die Antworten zu diesem komplexen Thema weit auseinander. „Einmal als Vorzugsgebiet ausgewiesen und mit Anlagen bestückt, geht es erfahrungsgemäß dann meist nur in eine Richtung weiter, nämlich das Powern des Areals mit Ausbau und größeren und somit leistungsfähigeren Anlagen“, warnt Baden. Sie sieht sich künftig noch weiter umzingelt, zumal in Wohlsdorf eine weitere Fläche von 90 Hektar bestückt werden soll und unter dem Szenario „Bartelsdorf 2020“ im Resultat letztlich insgesamt 31 alte und neue Windtürme stehen könnten. Ein Lärmpegel, den sich die junge Frau nicht vorstellen mag. Schon heute sei an 40 bis 70 Nächten bei ungünstigen Winden das Windgeräusch der Flügel enorm, die Nachtruhe sei auch bei geschlossenen Fenstern kaum möglich, erklärt Baden. In der anschließenden Fragestunde ging es auch um Auswirkungen auf anliegende Landwirtschaftsbetriebe durch Vibrationen, ob die Windanlage abgeschaltet wird bei Flugschatten und um finanzielle Unterstützung der Gemeinden in Form von Stiftungsgeldern für Betreiber und Flächenbesitzer. Die könne je nach Investor unterschiedlich ausfallen mit Einmalbeträgen und/oder jährlichen zusätzlichen, meist zweckgebundenen, Beträgen und Beiträgen, wie der Elektrosteckdose für Ort XY, wussten Teilnehmer zu berichten. Wilm-Cord Heuer, Geschäftsführer des BW Bürgerwindpark Lüdingen, sprach im Zuge des neuen bundesweiten EEG-Gesetzes vom Bürgermodell entgegen dem Investorenmodell, für das etwa 35 bis 40 Millionen Euro benötigt werden. Gemeinsam mit dem Projektentwickler agrowea will er die Entwicklung und Aufnahme des potentiellen Windparks Lüdingen als Vorranggebiet für die Nutzung der Windenergie im Flächennutzungsplan vorantreiben. Die Wittorfer Bevölkerung ist laut WUG schon heute überproportional belastet, zum Beispiel durch die Lagerstättenwasser-Verpressanlage in Grapenmühlen. Daher müsse man wachsam sein, um das Wohl der im Umfeld der Windmasten wohnenden Menschen nicht zu gefährden, so Richter. „Wir sind nicht prinzipiell gegen neue Windanlagen, kämpfen aber im Sinne der Menschen im Umfeld dieser Windfarmen mit mehreren Türmen um Mindestabstände wie sie auch vom Landkreistag Niedersachsen genannt sind. Als erheblich beeinträchtigt ist mindestens der Umkreis der 15-fachen Anlagenhöhe anzusehen, bei 200 Meter Anlagenhöhe wären das dann 3.000 Meter.“ Bis Ende August ist zum zweiten Entwurf des RROP eine Anhörung möglich, 2018 könnten erste Bauanträge für die neuen Enercon-Anlagen – soweit Vogelgutachten & Co. abgearbeitet sind – erfolgen, sagt Gerke.

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