Hamburger Koch Julian Bach übernimmt mit frischen Ideen im Scheeßeler Hof

„Der Ort braucht einen Anlaufpunkt“

Erst Küchenchef, jetzt Pächter: Der gebürtige Hamburger Julian Bach will den Scheeßeler Hof wieder mit Leben füllen. Foto: Heyne
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Scheeßel – Für viele Einwohner war der Zettel „Bis auf Weiteres geschlossen“, der vor einigen Wochen an der Tür des Scheeßeler Hofes klebte, ein Schock. Wo sollen in Zukunft Hochzeiten und Konfirmationen gefeiert werden, wo Vereine ihre Versammlungen abhalten oder sich Freundesgruppen nach dem Sport auf ein Bier treffen? „Der Ort braucht einen Anlaufpunkt“, meint einer, der als gebürtiger Hamburger und Neu-Scheeßeler gleich zwei Perspektiven mitbringt: die eines Großstadt-Gastronomen und eines Menschen, der die Natur zu schätzen gelernt und sich nicht nur in seine hiesige Partnerin, sondern auch in den Beekeort verliebt hat.

Als die Investoren nach Beendigung des vorigen Pachtvertrags bei Julian Bach anriefen, ob er das Traditions-Haus übernehmen wolle, zögerte er nicht lange – trotz Pandemie und fast galoppierender Inflation. „Wenn ich das nicht machen würde, wäre das hier tot – das wäre einfach schade für den Ort“, findet der 33-Jährige. Gerade hat er die Wand hinter der Bar in Gold gestrichen: Er will die Gast- und Versammlungsstätte moderner aufstellen. „Hier ziehen immer mehr junge Leute hin, das muss wiederbelebt werden“, findet er.

So unbedarft und blauäugig, wie die Annahme der Herausforderung in der gegenwärtigen Lage erscheinen mag, ist sie allerdings nicht, hat der geprüfte Koch mit Ausbilderschein und kaufmännischer Ausbildung im Rücken doch bereits ein halbes Jahr lang Erfahrung in dem Scheeßeler Betrieb gewonnen. Während seiner Tätigkeit als Küchenchef sammelte er Einblicke in die hiesigen Wünsche und Gepflogenheiten – Hamburg ist eben nicht Scheeßel –, und analysierte: „Was könnte gehen?“ Viel soll bleiben, vor allem der Fokus als Anlaufstelle für Vereine, Familien, Feiern und Freundesgruppen – nicht nur zum Essen, sondern auch zu späterer Stunde fürs „Feierabendbier“ oder einen Cocktail. „Die Scheeßeler sollen wissen, wo sie sich treffen können – das hat bis jetzt gefehlt“, so der Koch, der sich in seiner Hamburger Zeit schon Tipps bei Tim Melzer und Nelson Müller abguckte.

Hamburger „Schickimicki“ sei jedoch nicht zu erwarten: Neben dem Schwerpunkt auf Saisonalität und regionalen Zutaten, gern von örtlichen Anbietern, sollen die nachgefragten „Klassiker“ auf der monatlich wechselnden Speisekarte zu finden sein. Fertigzutaten von Großanbietern hat der Koch, der beim Hamburger Edel-Italiener ebenso tätig war wie ein Jahr in Barcelona, den Kampf angesagt. Genauso wichtig sei ein schneller, freundlicher Service. Dank vieler helfender Hände aus dem Kreis der Familie und der „Schwiegerfamilie“ – die Schwester wird als gelernte Bäckerin für das Brot zum Entrée sorgen, ein Freund ist als Küchenchef an Bord – hat Bach, mit gerade mal einem Monat Vorlauf zeitlich nicht gerade gesegnet, das Gastro-Team nahezu beisammen.

Ein Koch, der den Laden schmeißt – kann das gut gehen? „So ganz unerfahren bin ich nicht“, schmunzelt der schlaksige Mann unter der Baskenmütze. Neben einer kaufmännischen Ausbildung blickt er auf reichlich Berufserfahrung zurück, unter anderem als Verantwortlicher für 25 Köche und 50 Bedienungen in der Hamburger „Elphi“ oder als Ausbilder in der Mensa der Hochschule für Bildende Künste. Aber auch auf Formate wie den „Green Table“, wo an wechselnden Orten bis zu 200 Gäste an drei Tagen mit zehngängigen Themenmenüs bekocht wurden, Band inklusive. Aber warum zieht ein erfolgreiches „Stadtkind“ nach Scheeßel? „Der Liebe wegen.“ Freundin Mara ist in der Region verwurzelt – auch sie wird nach Kräften mit anpacken. Bach schwärmt aber auch von seinem neuen Umfeld: „Es ist entschleunigter, die Kinder grüßen dich auf der Straße“, die Bank, die Vermieter und offiziellen Stellen seien ihm offen und freundlich begegnet, und ein eigenes Haus haben die beiden auch in Aussicht. Besonders schätzt der Hundebesitzer die Natur vor der Haustür, ist des Öfteren auf den Nordpfaden unterwegs und kennt bereits die besten Plätze zum Pilzesuchen.

Klingt nach heiler Welt? Nicht ganz: Der neue kreative Kopf der hiesigen Gastro-Szene ist sich bewusst, welches Risiko er gerade in diesen Zeiten eingeht. Auch finanziell mit Einstandskosten im fünfstelligen Bereich. Reich werden könne man nicht damit, aber seine Ideen verwirklichen – „die Preise sollen jedenfalls nicht jenseits der Inflationsrate steigen“, so das Versprechen. Vor allem hofft er, dass seine Ideen für die „neue alte“ Gastro im Ortskern angenommen werden, darunter Musikveranstaltungen, Mottoabende, Grillkurse oder auch das Halloween-Dinner, das im Vorjahr seine Handschrift getragen habe, soll wiederholt werden. Auch wenn der Restaurantbetrieb schon am 6. Mai beginnt, fällt der offizielle Startschuss mit einem Open-Air-Konzert der Lokalmatadoren von „Tripod“, Freibierausschank und Aktionen für Familien erst am 13. Mai – „vorher sind alle Wochenenden mit Veranstaltungen ausgebucht“, freut sich Bach.  hey

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