Jeersdorf. Ein Heim für schwer erziehbare Kinder oder eines für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge? Bis zur Ortsratssitzung am Donnerstag im Jeersdorfer Hof grassierten diverse Gerüchte über ein Haus mitten in der Straße Wohltkamp, das zu einem Heim umgebaut werden soll. Die bruchstückhaften Informationen verärgern und verunsichern die Anwohner, die sich mit der Situation allein gelassen fühlen.
Dabei ist das Heim weder noch: Auf dem Grundstück soll das neue Zuhause auf Zeit für acht Kinder im Alter zwischen acht und 14 Jahren entstehen. „Die Kinder kommen aus schwierigen Familienverhältnissen, in denen sie körperlicher Gewalt oder der Drogenabhängigkeit der Eltern ausgesetzt sind. Wir fördern sie mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten“, erzählt Sabine Henkel vom in Sottrum ansässigen Unternehmen Human Care. „Es ist eine 24-Stunden-Betreuung“, bekräftigt Projektbeauftragter Steffen Lohmann, der als Vertreter mit seiner Kollegin Claudia Kammrad zu der Sitzung erscheint. Er wolle es so nicht stehen lassen, dass es schwer erziehbare Kinder seien. „Es sind Kinder, die Gewalterfahrungen gemacht haben, deren Eltern überfordert sind“, versucht er, die Gemüter zu beschwichtigen. Denn die Einwohnerfragestunde entwickelt sich schnell zu einer emotionalen Debatte. Grund dafür seien die Vorerfahrungen der Nachbarn, denn bei der Nutzung des Hauses als Flüchtlingsunterkunft auf dem direkten Nachbargrundstück des Heims seien sie vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Wir fürchten zunehmende Ruhestörungen, langsam ist einfach eine Grenze erreicht“, erklärten sie bereits im Vorfeld im Gespräch mit der Rundschau.
Im Wohltkamp leben vor allem Familien mit Kleinkindern und Anwohner der Generation 60plus. Offen und tolerant seien alle, versichern sie, sie fühlen sich allerdings der kommenden Situation nicht mehr gewachsen und nicht ernst genommen in ihren Sorgen. „Es ist für das soziale Gefüge der Straße ein gewaltiger Eingriff“, heißt es weiter in der Sitzung. Bei Problemen mit der Flüchtlingsunterkunft gäbe es schon jetzt keinen Ansprechpartner und Anfragen an die Gemeinde blieben unbeantwortet. „Es ist keiner da, der hilft“ und „Es ist nicht alles eitel Sonnenschein, aber wir haben uns immer bemüht, vieles zu tolerieren. Aber wo ist die Verantwortung der Gemeinde dem Wohltkamp gegenüber?“ heißt es von den Anwohnern. Sie fürchten zunehmende Reibereien, da das Grundstück zu klein sei, um sich zum Beispiel beim Fußball auszutoben und die schmale Straße oder auch Nachbars Garten, wie es schon vorgekommen sei, seien keine Ausweichlösung. Dafür aber habe Human Care die dahinter liegende Weide bereits erworben, sodass diese als Freizeitfläche genutzt werden könne, berichtete Lohmann. Die direkte Nachbarschaft zur Flüchtlingsunterkunft halte das Unternehmen für unproblematisch. „Wir haben sehr viel Heimunterbringung in Scheeßel und wenn eine 24-Stunden-Betreuung garantiert ist, wäre dies das erste Mal“, merkt Ortsratsmitglied René Kahlbrecht an. Der Ortsrat verstehe die Ängste und Sorgen der Bürger. Diverse Graffiti im Raum Scheeßel seien da nur ein Thema, wo auch er Probleme sieht. Und ein Kind aus einer sozial schwierigen Familie wieder in den Schulalltag zu bringen, sei mitunter ein langer Weg. „Wenn Probleme auftauchen, ist jemand 24 Stunden vor Ort, es ist sofort ein Ansprechpartner verfügbar“, versichert Kammrad. Da es sich um Kinder handelt, herrsche Aufsichtspflicht. „Es ist unser Pilotprojekt, das nehmen wir sehr ernst“, ergänzt Lohmann. Die Frage, ob die Gemeinde den Betrieb ablehnen könne, verneinte Joachim Köhnken vom Fachbereich Bau und Planung, darüber entscheide das Jugendamt. Human Care stehe zur Vorbereitung der Betriebserlaubnis bereits in Gesprächen. „Baurechtlich ist alles in Ordnung mit dem Projekt, für alles andere ist die Gemeinde in diesem Fall nicht zuständig“, erklärte Köhnken, dem laut eigener Aussage die Dramatik so nicht bewusst war. Zufriedene Gesichter gab es nicht, als Ortsbürgermeister Günter Gerken die Sitzung schließlich schloss. Human Care signalisierte aber Gesprächsbereitschaft für weitere Fragen und Sorgen. „Es sind halt zwei Dinge, die geballt aufeinanderprallen, was die Emotionen zum Kochen bringt“, gibt eine Anwohnerin den Vertretern noch mit auf den Weg.