Die Lauenbrückerin Serife Tarakci eröffnet ihre 17. Ausstellung

Am Anfang war das Auge

In ihren Bildern arbeitet Serife Tarakci mit vielen Materialien, hier hat sie zum Beispiel echte Ähren verwendet. Foto: Ann-Christin Beims
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Lauenbrück (acb). „Wenn ich male, vergesse ich die Welt um mich herum“, sagt die Lauenbrückerin Serife Tarakci, die am Dienstag, 24. April, um 15.30 Uhr ihre 17. Ausstellung eröffnet. Unter dem Titel „Kriegskinder und Regenbogen“ veröffentlicht sie mehr als 30 Werke in der Kundenhalle der Sparkassenhauptstelle in Scheeßel.

In den „Kriegskinder“-Bildern setzt sie sich mit der Realität kriegerischer Auseinandersetzungen, der Müdigkeit, Traurigkeit und Erschöpftheit der Kinder, aber auch den Traumwelten, die sie in solchen Situationen für sich erschaffen, auseinander. Danach geht es in den „Regenbogen“ über: eine Ansicht aus Venedig, das sie einmal bereist hat, findet sich dort ebenso wie die Erntezeit. Dabei arbeitet Tarakci nicht nur mit Pinsel und Farbe, sondern verwendet Sand, Steine, Spiegel und andere Materialien. So zeigt ein weiteres Bild einen Tanz aus der Türkei, ihrem Heimatland. „Dafür habe ich Steine verwendet, das Bild ist zehn Kilogramm schwer“, erläutert die Malerin, die seit einem Unglück im Rollstuhl sitzt.

Eines der Motive, das Tarakci am meisten berührt hat, ist ein alter Mann. Sie beobachtete, wie er tagein, tagaus auf seinem Platz in einer belebten Straße in der türkischen Stadt Beyoglu in der Provinz Istanbul saß. „Er ist dort als Straßenkind aufgewachsen und liebt diesen Platz, schläft dort und möchte auch nicht weg – selbst, als der Bürgermeister ihm eine Unterkunft angeboten hatte“, erzählt die 67-Jährige. Mit den Regenbogen-Bildern möchte sie das ernste Thema Kriegskinder ein wenig auflockern. „Damit die Leute meine Ausstellung nicht traurig verlassen“, sagt sie und lacht. Einige der Bilder stehen zum Verkauf, mit dem Erlös möchte die Türkin die Flüchtlingshilfe in der Region unterstützen. Auch von ihrer Biografie, die sie vor einigen Jahren verfasst hat, stehen ein paar Exemplare sowohl auf Türkisch als auch auf Deutsch bereit. Der Erlös fließt ebenfalls in die Flüchtlingshilfe. Tarakci hat eine bewegte, wechselvolle Lebensgeschichte. In Ankara geboren, kam sie 1974 mit ihrem Mann, den sie sehr jung geheiratet hat, und ihrer älteren Tochter nach Deutschland. „In der Türkei waren viele Leute arm, das Geld hat nie bis zum Monatsende gereicht. Wir wollten hier ein paar Jahre arbeiten und dann in unsere Heimat zurückkehren.“ Doch mit den Jahren ist viel passiert, Tarakci hat unter anderem im Bremerhavener Fischereihafen, später in einer Massagepraxis und einem Restaurant gearbeitet und sich immer wieder neuen Herausforderungen gestellt. Letztlich ist sie hier geblieben, hat sich eine neue Heimat geschaffen und reist nur zu Besuch in die Türkei. Ihr Leben hat sie in ihrem Buch „Chronik einer Todesnacht“ festgehalten. Auf dem Cover ist ein weinendes Auge zu sehen – „es ist das erste, was ich gemalt habe“, erinnert sich Tarakci an ihre Anfänge als Künstlerin. „Es war März und draußen waren es minus 17 Grad. Ich bin einfach herumgelaufen und kam zu einem Kreativgeschäft. Der Besitzer, vielleicht 60 oder 70 Jahre alt, hat erkannt, dass ich in diesem Moment Kummer hatte. Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Ahnung vom Malen habe, doch letztlich bin ich mit einem Buch über Porträtmalerei, einem Block und Stiften nach Hause gegangen.“ Dort hat sie sich hingesetzt und bis tief in die Nacht hinein versucht, Augen zu zeichnen. Die 67-Jährige hat sich vieles selber beigebracht, später auch Kurse an der Volkshochschule besucht. Es hilft ihr, Sorgen zu verarbeiten. „Wenn ich male, bin ich in meiner Welt. Da bin ich frei, da kann ich machen, was ich will.“ Erstmal konzentriert sie sich auf ihre kommende Ausstellung, aber eines Tages würde sie ihre Biografie gern fortsetzen. Denn „viele, die mein Buch gelesen haben, haben gesagt, dass sie nicht wussten, wie stark eine Frau sein kann.“

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