Der Osterveseder Axel Schröder erzählt von seinen Erlebnissen im Seemannsheim Emden

Seelsorger, Retter und ein Papagei

An den Wochenenden besucht Axel Schröder regelmäßig seine Eltern und Freunde in Ostervesede, wo er sich später auch gerne ein Haus bauen würde.
 ©Joris Ujen

Ostervesede/Emden/Malta (jo). Die Glocke schlägt drei Uhr nachmittags. Zeit für die ostfriesische Teestunde im Seemannsheim Emden. Seefahrer aus aller Welt versammeln sich am Tisch und rühren ihre Kluntjes im Heißgetränk um. Die Männer reden viel über die gute alte Zeit zu Wasser, gespickt mit allerlei Seemannsgarn.

Pünktlich zu dieser Uhrzeit watschelt auch ein Graupapagei in den Aufenthaltsraum. Fliegen kann der 46 Jahre alte Jacko nicht mehr, da seine Flügel gestutzt wurden. Dauergast Otto gibt ihm einen Keks, und die Teestunde beginnt.

In der maritimen Runde sitzt auch ein Landei, genauer gesagt ein Osterveseder. Seit Mai arbeitet Axel Schröder als Sozialarbeiter in der Seemannsmission und kümmert sich um die Verpflegung und Sorgen der Schiffer. Der charismatische 26-Jährige absolviert dort gerade sein Anerkennungsjahr und ist begeistert: „Der Job ist äußerst abwechslungsreich, da unsere ständig wechselnden Gäste aus den verschiedensten Ländern bei uns Halt machen. Wir hatten schon Leute von den Philippinen, aus Afrika oder Mexiko unter unserem Dach. Jeden Tag erlebe ich etwas Neues.“

Vor seinem Leben in Emden macht Schröder sein Abitur in Sozialpädagogik an den Berufsbildenden Schulen in Rotenburg. Das gleiche Berufsfeld studiert er anschließend in Leeuwarden. Um die nötigen Prüfungen zu bestehen, muss er aber erst einmal Niederländisch lernen: „Ich bin nicht so sprachbegabt, aber glücklicherweise ist die Grammatik einfacher, als die deutsche. Nach einem halben Jahr war ich dann bereit für die ersten Tests.“ Nach zwei Jahren verlegt der Osterveseder aus finanziellen Gründen seine akademische Laufbahn nach Emden, wo er im vergangenen April sein Bachelorstudium erfolgreich abschließt. Einen Monat später beginnt er als Sozialarbeiter im Seemannsheim.

Zu einer für ihn eindrucksvollen Begegnung kommt es gleich zu Beginn: Arne Dohmis, ein junger Schiffsoffizier, und seine rund zehnköpfige Crew suchen eine Unterkunft nahe des Emder Hafens. Keine Seltenheit, allerdings mit einer außergewöhnlichen Mission: Die Obdachsuchenden gehören dem Verein „Jugend Rettet“ an, eine gemeinnützige Organisation junger Ehrenamtler, die mit einem Schiff Flüchtlinge im Mittelmeer zwischen Libyen und Italien retten und sicher an Land bringen wollen.

Als Schröder von der Aktion erfährt, sucht er gleich das Gespräch mit Pastor Meenke Sandersfeld, Leiter des Emder Seemannsheims. Der ehemalige Missionar ist ebenfalls von dem Hilfsprojekt überzeugt und so beziehen die Aktivisten Anfang Juni ihre Zimmer in der Einrichtung – für einen Monat. „Da mussten wir auch mal Überstunden machen“, blickt Schröder zurück. Bis in die Nacht haben die Sozialarbeiter und das Rettungsteam gearbeitet.

Während des Aufenthalts bringt der Verein das durch Spenden finanzierte Schiff „Iuventa“, Baujahr 1962, mit diversen Umbauarbeiten auf Vordermann. Alles verläuft nach Plan, bis der Maschinist kurz vor der Reise ins Mittelmeer abspringt. Schröder fragt Nautiker aus seinem Bekanntenkreis nach einem Ersatz. „Leider ohne Erfolg. Keiner von uns konnte einen geeigneten Ingenieur, der unentgeltlich mit auf die Reise geht, finden“, bedauert Schröder. Auf Facebook startet der Osterveseder ein Gesuch für die ehrenamtliche Stelle, ebenfalls erfolglos. Da die Unterbringung in einem Trockendock sehr kostspielig sei und „Jugend rettet“ seinen angepeilten Zeitplan einhalten muss, nimmt die 33 Meter lange „Iuventa“ am 30. Juni Kurs Richtung Delfzijl in Holland. Dort beladen die Ehrenamtler das 1.000 PS starke Rettungsboot mit Schweröl.

Ein Maschinist fehlt allerdings immer noch an Bord. „Einer der Helfer hörte sich in der kleinen Provinz nahe Groningen um und fand tatsächlich einen geeigneten Maschinisten, der sich von dem Hilfsprojekt überzeugen ließ“, erfährt Schröder später. Somit stand der eigentlichen Mission „Leben retten“ nichts mehr im Weg.

Nach gut zwei Wochen Überfahrt kommt die Iuventa sicher in Valetta, der Haupstadt von Malta, an. Wenn alles nach Plan verläuft, sticht der umfunktionierte niederländische Fischkutter am morgigen Sonntag in See. Mit Rettungsinseln und Schwimmwesten soll dann den Notleidenden geholfen werden bis Hilfe von größeren Schiffen kommt.

Axel Schröder und seine Kollegen haben ihren Teil für die Rettungsmission beigetragen. Gleichzeitig ist es Alltag in der Seemannsmission: Täglich melden sich Schifffahrtsagenturen bei der Einrichtung, um ihren Seeleuten eine Unterkunft zu ermöglichen. Schröder holt die Gäste dann mit dem Auto ab. „Vorher müssen wir klären, wo genau die Seefahrer abgeholt werden sollen, da der Emder Hafen sehr groß ist“, erklärt der Sozialarbeiter. „Die Seefahrt hat sich stark verändert. Aufgrund der hohen Anlegekosten verweilen die Schiffe oft nur zwei bis drei Tage in der Hafenbucht. Die ständig wechselnden Orte bringen auch eine psychische Belastung der Seefahrer mit sich.“ Neben dem Fahrdienst und Rezeptionsarbeiten liegt das Hauptaugenmerk im Seemannsheim auf der Betreuung der Reisenden. Drogensucht, soziale Probleme, Geldsorgen, aber auch Piraterie hinterlassen ihre Spuren, lernt Schröder. Um mit der eigenen psychischen Belastung besser umgehen zu können, folgt der 26-Jährige einer simplen Methode: „Du nimmst morgens deinen ,Gefühlskoffer’ mit zur Arbeit und lässt ihn zum Feierabend wieder vor der Türschwelle ruhen. Dann bekommst du auch keinen Burnout!“

Eine zuverlässige Erheiterung ist Jacko: Der Graupapagei kann bis zu 120 Jahre alt werden und wird mit Sicherheit noch einige Jahrzehnte im Seemannsheim für Stimmung sorgen, prophezeit Schröder. „Vor 30 Jahren brachte ein Seemann den Vogel aus Afrika an die Nordsee. Jacko plappert und flucht auf deutsch, kann aber auch singen: ,La Cucaracha’ und ,Seven Nation Army’ sind nur zwei Beispiele“, so der Osterveseder.

Eine Kollegin von ihm ist bei ihrer Frühschicht aber eher genervt als erfreut vom vielen Geschnatter. „Jacko, du gehst mir auf den Sack“, beschimpfte sie das exotische Gesangstalent, woraufhin der Vogel nur „Ja ja“ entgegnet. „Wie ein altes Ehepaar“, lacht Schröder.

Nach seinem Anerkennungsjahr möchte Schröder weg vom Wasser und wieder hin zu ländlicheren Gefilden mit festerem Untergrund: „Ich bin eher so der Bodenständige“, charakterisiert er sich selbst. Regelmäßig besucht er seine Eltern und Freunde in Ostervesede und würde am liebsten auch später ein Haus dort bauen. Diese Verbundenheit zeigt sich auch bei seinem Engagement für das Heimat-Festival in Scheeßel, bei dem er tatkräftig mitwirkt.

In welchem sozialen Sektor Schröder nach seiner Ausbildung Menschen helfen wird, weiß er noch nicht genau: „Die Bereiche Drogenprävention und Medienpädagogik interessieren mich sehr. Mal schauen, wo es mich hinverschlägt.“

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