Wie läuft es im Rotenburger „LebensArt“-Wohnprojekt?

Ein Konzept für die Zukunft

Im großen Garten halten sich die Bewohner gerne auf.
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VON ANN-CHRISTIN BEIMS

Rotenburg – Entspannt und mit einer Kaffeetasse in der Hand sitzt Christoph Wüstefeld an dem großen Esstisch im Atrium des Wohnprojekts „LebensArt Rotenburg“ an der Mühlenstraße. Vor sechs Jahren hatte er von der Initiative gehört und war daraufhin zu einem Info-Treffen im Heimathaus gegangen. Dort lernte er Astrid Schwarze-Bruns kennen, die noch Mitstreiter für ein Projekt in Rotenburg gesucht hat. „Wir haben uns regelmäßig getroffen und geklönt“, erinnert er sich. Mittlerweile lebt Wüstefeld seit gut fünf Jahren in einer der acht Wohnungen im Haus. Zwölf Erwachsene sind es derzeit, plus drei Kinder und drei Hunde. Den Einzug hat er nie bereut – im Gegenteil, zieht er ein Fazit nach den ersten Jahren.

Dass hier alles ein bisschen anders abläuft als in anderen Mehrparteienhäusern, ist auf den ersten Blick erkennbar. Zwar zweigen auch hier vom Flur mehrere Haustüren ab, doch wer ein paar Schritte nach innen gemacht hat, steht sofort in einem großen Gemeinschaftsraum – dem Atrium. Es ist ein gemeinschaftliches Wohnzimmer, ein Versammlungsort mit einer Küchenecke und einem Kamin. Wer mag, kann sich ein Stockwerk höher an die große Fensterfront setzen – dort wartet die hauseigene Bibliothek. Bei kulturellen Veranstaltungen dient das Atrium ebenfalls als Begegnungsstätte. Denn die Gemeinschaft ist ein ganz wesentlicher Teil des Projekts. „Wer hier einzieht, bezahlt auch anteilig für die Gemeinschaftsräume mit“, so Wüstefeld. „Die Miete erscheint vielleicht auf den ersten Blick etwas hoch, dafür bekommt man aber auch einiges.“

Zum Beispiel ein energetisch bestens ausgestattetes Haus. Strom kommt durch die hauseigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und muss nur selten zugekauft werden. Im Sommer hätten sie sogar mehr Strom zur Verfügung, als sie selber verbrauchen. „Und das reicht auch für unser E-Auto“, so Wüstefeld – das übrigens ebenfalls gemeinschaftlich genutzt wird. Auch müssten sie nur wenig heizen, das Haus ist gut gedämmt und sie nutzen Erdwärme. „Das war ein großes Glück“, sagt Wüstefeld angesichts der aktuellen Lage. In diesem Jahr gab es dafür eine grüne Hausnummer, „weil es viele ökologische Standards erfüllt“.

Da sich das Haus in einem Überschwemmungsgebiet befindet, ist der ganze Keller eine Art „Wanne“, beschreibt es Wüstefeld. Es gibt nur zwei Zugänge und die können bei Starkregenereignissen dichtgemacht werden. Sollte es noch einmal zu einem Hochwasser kommen wie vor einigen Jahren, soll so verhindert werden, dass es in den Keller läuft, erklärt Wüstefeld. Bei Starkregen hätten sie schon ein paar Mal die Schotten dichtmachen müssen. „Da ist aber nie was passiert“, ist er zufrieden.

In dem Keller befindet sich die Waschküche ebenso wie ein Werkzeugraum, in den jeder Mieter reinstellt, was er hat. So kann es jeder benutzen – und die Gemeinschaft lebt nachhaltig. Das gilt auch für Lebensmittel: Im Keller stehen große Säcke mit verschiedenen Grundnahrungsmitteln ebenso wie Getränke. Alles wird geliefert, die Bewohner stimmen sich ab, was benötigt wird. Jeder trägt sich dann in eine Liste ein, was er mitnimmt. Praktisch, wenn mal Besuch da ist, meint Wüstefeld. Für den gibt es übrigens auch eine Ferienwohnung, direkt vom Atrium abgehend. Die wird manchmal auch an Gäste vermietet.

Und doch kann jeder, wenn er das möchte, auch für sich sein. „Es sind Angebote, niemand ist verpflichtet“, sagt Marina Straub. Die junge Mutter macht eine kurze Pause und gesellt sich zu Wüstefeld an den Tisch. Erst in zwei Wohnungen hat es einen Mieterwechsel gegeben. Von einem haben Straub und ihre Familie profitiert. So ein Wohnprojekt kannten sie bereits von Freunden aus Hamburg. „Eigentlich hatten wir gar nicht vor, herzuziehen“, sagt Straub. „Aber dann kamen wir an, es war direkt so nett. Es gab Kuchen und die Kinder haben sich gleich wohlgefühlt.“ Die Entscheidung für den Umzug sei dann schnell gefallen. „Wir sind glücklich, dass wir den Schritt ins Unbekannte gewagt haben.“

Die vorigen Bewohner haben Eigentum erworben, sagt Wüstefeld. Freundschaftlich verbunden seien sie aber nach wie vor. Beim weihnachtlichen Keksebacken ein paar Tage zuvor waren auch die ehemaligen Nachbarn mit dabei.

Auch draußen wird gemeinsam angepackt. Der große Garten verfügt über mehrere Hochbeete, einen Schwimmteich, einen Hühnerstall. Auf der Weide grasen ein paar Heidschnucken von einem Ahauser Schäfer. „Die erwarten im Frühjahr Nachwuchs“, meint Straub. Das erfordert auch immer ein wenig Einsatz der Mieter: Sie achten darauf, ob die Tiere Unterstützung brauchen.

Auch Bienenstöcke sind im Garten, um die sich die Bewohner kümmern. Einer ist Imker, Straubs Mann lernt es gerade, berichtet sie. Und das Schöne: Auf den Wiesen hinter dem Haus darf nicht gebaut werden. „Da stehen oft Rehe“, kann Straub mit ihren Kindern vom Fenster aus beobachten. Auch viele andere Tiere könnten sie sehen – für die Kinder sei das toll.

Weniger schön sei die Pandemie insbesondere während der Lockdown-Phasen gewesen. Eines der Ziele, das „Haus mit Leben zu füllen“, mit Theater, Konzerten oder Flohmärkten, musste pausieren. Doch habe die Hausgemeinschaft – unter Abstand – das Beste draus gemacht.

„Es ist ein nachahmenswertes Projekt“, findet Wüstefeld. „Man kennt sich, merkt auch mal, wenn es einem Nachbarn nicht so gut geht.“

Im Februar ist ein „Konzepttag“ in Waffensen geplant mit allen. Sie wollen ein Fazit ziehen der vergangenen fünf Jahre ebenso wie den Blick in die Zukunft werfen, denn Ideen gibt es viele.

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