VON HOLGER HEITMANN

Neugierig, entspannt und hungrig

Der jüngste Wasserbüffel ist der mutigste: Das Weibchen futtert schon das erste Apfelstück aus der Hand von Stefan Bruns, während die etwas älteren Artgenossen noch zuschauen. Bruns kann die Tiere mittlerweile auf den ersten Blick auseinanderhalten.
 ©Heitmann

Vier Wasserbüffel pflegen ein Naturschutzgebiet mitten in Rotenburg

Rotenburg – Es geht über holprigen Boden durch kniehohes Gras, vorbei an einer alten Apfelplantage in Richtung sumpfiges Terrain, die Morgensonne hat die Luft kräftig erwärmt. Stefan Bruns stapft im Naturschutzgebiet auf ein Wäldchen zu, unter dem Arm eine Holzkiste mit Apfelhälften. Er will damit die vier Wasserbüffel anlocken, die es sich an einem Tümpel gemütlich gemacht haben. Geht man einige Schritte ins Buschwerk hinein, ist schnell vergessen, dass man mitten in Rotenburgs Innenstadt ist, irgendwo zwischen dem Heimathaus an der Mühlenstraße und den Schulen an der Gerberstraße.

Seit gut sechs Wochen hält Bruns die Tiere auf der Fläche, die zu einem kleinen Teil der Stadt gehört, im Naturschutzgebiet Wümmeniederung. Wasserbüffel finde er schon toll, berichtet der Ingenieur, seitdem er beruflich für Umweltprojekte in Indonesien und Taiwan war. „In Asien gibt es sie überall, zum Teil ein bisschen domestiziert.“ Bruns hat mit seinen Mitstreitern von der Lebensart GbR das Wohnprojekt in der ehemaligen Schlachterei Stelling gegründet, nun bietet die GbR also auch vier Büffeln Wohnraum. Die wagen sich angesichts der Temperaturen von mehr als 24 Grad nur träge aus der Deckung. Dann überwiegen doch die Neugierde und die Aussicht auf Leckerli, und sie trotten auf Bruns zu. Der hält dem jüngsten und gleichzeitig mutigsten Tier das erste Apfelstück hin und sagt: „Eigentlich muss man nicht zufüttern.“ Denn die Wasserbüffel knabbern die Blätter von den Zweigen der Büsche. Und sie fressen auch sonst einiges, das andere Rinder nicht fressen, zum Beispiel Schilf oder Binse. Das sagt nicht Bruns, das sagt der Landkreis, dessen Amt für Naturschutz das Wasserbüffelprojekt genehmigt hat. „Wasserbüffel sind insbesondere in feuchteren Bereichen hervorragend für die Bewirtschaftung geeignet und werden bei engem Kontakt zum Tierhalter schnell futterzahm“, so die Behörde. Das beweisen nun auch die drei anderen etwas schüchterneren Wasserbüffel, die allesamt knapp ein Jahr alt sind, und strecken Bruns Mäuler und Zungen entgegen, bis die Holzkiste leer ist. „Man sagt, dass die Tiere keine Stresshormone haben, und tatsächlich entspannt man in ihrer Gegenwart auch selbst“, sagt Bruns. Wenn er sich auf die Wiese setze, würden sich die Tiere nach einer Zeit wie zufällig dazulegen, berichtet er ein wenig stolz. Aber auch das Suhlen und Baden der Büffel in den Auen auf dem Gelände ist „aktiver Naturschutz“, wie Bruns sagt. So halten die Tiere bestehende Gewässer offen, erklärt der Landkreis. Das sorgt für Artenvielfalt, indem sich dort Amphibien ansiedeln können. Und die breiten Klauen der Wasserbüffel sorgen auch für Halt auf Böden, die anderen Rassen zu feucht seien. Bruns erzählt, dass es mit den Verwaltungen von Kreis und Stadt gut gelaufen sei. Oliver Klein von der Stadt Rotenburg bezeichnet das Engagement von Bruns und der Lebensart GbR, zu der noch Bruns’ Frau Astrid Schwarze-Bruns, Lutz Hammermeister, Jörn Focken und Steffie von Berg gehören, sogar als „Vorzeigebeispiel für naturschutzfachlichen Einsatz“. Die Naturschutzflächen samt ihrer schützenswerten Biotope würden durch die Wasserbüffel als tierische Landschaftspfleger erhalten. Allerdings sei das Vorzeigebeispiel in der Stadtmitte keine Patentlösung, da jede Fläche unterschiedliche Anforderungen mit sich bringe und auch jeder Akteur verschieden sei. Es gebe für Naturschutzprojekte Kooperationen der Stadt mit Vereinen, Imkern, Grünflächenpaten und Landwirten. Ein Landwirt ist Bruns jetzt auch, zu dessen eigener Überraschung. Er musste bei der Landwirtschaftskammer Verden, die durchaus dienstleistungsorientiert sei, einen landwirtschaftlichen Betrieb gründen. „Ich dachte, die Büffel und ein Zaun reichen, das war zu kurz gesprungen“, so Bruns, der einiges dazugelernt habe und sich einige Male wunderte. Aus Landwirtschaftssicht muss eine Wiese nämlich unbedingt einmal gemäht werden, aus Naturschutzsicht auf gar keinen Fall. Da laufe nicht alles synchron, vermutet Bruns. Jedenfalls habe er den Aufwand – auch für den Zaun – unterschätzt, was gut sei, weil er und die anderen diesen sonst vielleicht nicht auf sich genommen hätten. Rund zwei Kilometer Zaun haben sie verlegt, ein Elektrozaun „als Argumentationshilfe“ für die Büffel, nicht doch mal auszubüxen. „Das ist ordentlich Dampf drauf“, sagt Bruns und zeigt auf das Kabel. An einigen Stellen sei extra Maschendrahtzaun verlegt worden, damit Kinder dem Elektrozaun nicht zu nahe kommen. Fasst man den Stromzaun doch an, könne einem das immerhin für einen Tag einen tauben Arm einbringen. Das soll nicht sein, gerade bei Kindern nicht. Ansonsten seien die Reaktionen aus der Bevölkerung durchweg positiv. „Die Leute freuen sich über die Büffel und rufen auch an, um mehr zu erfahren.“ Niemand habe, soweit der Tierhalter weiß, in den vergangenen Wochen verbotenerweise versucht, die Tiere zu füttern, keiner habe Unrat aufs Grundstück geworden, den die Tiere fressen könnten, was sie ebenfalls gefährden würde. Bruns und Co. hätten zwar das Gelände von Müll befreit, das seien aber Jahre oder Jahrzehnte alte Hinterlassenschaften gewesen. Allerdings müssen die Büffel im Winter in ein Quartier bei Visselhövede ausweichen, weil ihr Rotenburger Zuhause dann Überschwemmungsgebiet wird, wodurch es selbst den Wasserbüffeln zu nass werden könnte, ehe sie im Frühjahr zurückkehren können. Eigentlich seien Wasserbüffel auch gute Fleischlieferanten, „cholesterinarm und lecker“, so Bruns, aber das wird wohl spätestens schwierig, sobald sie Namen tragen. Noch haben sie keine, „dafür müssen wir sie erst mal besser kennenlernen“, meint Bruns, der die Tiere bei Sabine Rademacher in Sauensiek gekauft habe. Und wenn sie erst mal eine Tonne wiegen, noch sind sie bei rund 600 Kilo, werde im Winter auch der Wolf keine Gefahr für sie sein. Bruns will das Projekt langsam angehen, Erfahrungswerte sammeln. Die Tiere sind allesamt weiblich und auch noch zu jung, um sich fortzupflanzen. Aber in den kommenden Jahren könnten sie auch mal Besuch von einem Büffel erhalten, stellt Bruns in Aussicht. Wasserbüffel im Kreis Im Kreis Rotenburg gibt es außer in Rotenburg und in Jeersdorf Wasserbüffel in der Osteniederung auf einer privaten Kompensationsfläche, teilt der Landkreis mit. Der Landkreis selbst habe Beweidungsprojekte im Bereich des Elmer Berges und den Lühwiesen bei Bremervörde. Die Tiere werden von der Ostebüffel GbR gehalten.

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