VON MICHAEL SCHWEKENDIEK Rotenburg – Morgens, kurz nach 9 Uhr, zeigt das Thermometer schon mehr als 20 Grad an. Angesagt sind über 30! Leider stimmt die Wettervorhersage. Und leider sieht meine Tour heute überwiegend Landstraße vor. Ausgewiesene Wanderwege sind hier Mangelware. Egal!
Ober Ochtenhausen ist ein besonders schönes Bauerndorf. Alte Hofstellen, schöne Fachwerkhäuser. Von hier aus ist es nicht mehr weit ins tiefer gelegene Teufelsmoor. In früheren Zeiten waren die dort lebenden armen Moorbauern nicht eben wohl gelitten bei den wohlhabenden Geestlern. Gehen wir mal davon aus, dass das lange vorbei ist.
Mitten im Dorf steht ein Storchennest. Zwei Jungvögel sind deutlich auszumachen. Der Storch fliegt Ober Ochtenhausen, so ein Nabu-Schild, bereits seit 1900 an. Tatsächlich beobachte ich viele der ansehnlichen Riesenvögel auf den Wiesen der Umgebung. Erstaunlich, dass sie trotz der Trockenheit offensichtlich noch genug Futter finden. Dass der Storch die Kinder bringt, wie es die Legende sagt, stimmt bedauerlicherweise nicht. Die Grundschulen der Dörfer, die ich durchwandere, sind fast alle geschlossen. Da könnte er sich mal mehr Mühe geben! Weiter geht es nach Sandbostel (mit einem beeindruckenden Mühlengebäude) und Minstedt. Die Sonne brennt, und mein alter Begleiter, der innere Schweinehund, meldet sich wieder: „Musst du dir das antun? Bei der Hitze? Wieso?“ In dem Moment rauscht ein Auto an mir vorbei: ROW-LK 1. Ist das nicht unser Landrat?! Gerade will ich hinterher winken – schon weg! In Minstedt zur Mittagsstunde (alles schläft, einsam schlurft…) gibt es glücklicherweise einen echten Wanderweg abseits aller Straßen, zum „Tempelberg“. Ein urzeitliches Hügelgrab, das ich tatsächlich noch aus meiner Kindheit kenne. Früher stand hier eine Pfadfinderhütte, das „Heidhaus“. Früher! Längst Geschichte, und auch die „Heide“ ist nicht mehr. Sehr bald hat mich die Landstraße wieder. Ein traumhafter Radweg. Albtraum des Wanderers. Kein Baum, kein Strauch, und immer geradeaus. Dann kommt das „Vorwerk“ (der ehemaligen Bremervörder Burg), ein schöner schattiger Wald und eine wirklich heiß ersehnte Pause bei guten Freunden. Mein heutiges Domizil: Das „Ostel“ in Bremervörde. Halb Hotel, halb Jugendherberge, so wird es beschrieben. Schon lange wollte ich mal wieder eine Jugendherberge erleben. Und auf der Stelle treffe ich auf den fast vergessenen Charme. Sieht allerdings sehr modern aus. Diverse Schulklassen toben um das Haus herum, einige ältere Gäste wohnen im Hotelteil. Die Preise da sind auch entsprechend. Aber mein Zimmer ist großzügig dimensioniert. Da hätte ich glatt noch meine Familie mit untergebracht. Kaum eingecheckt, begegnet mir ein Ehepaar aus Lauenbrück. Sie sind mit dem Fahrrad unterwegs und haben die Strecke glatt in einem Rutsch bewältigt. Das hätte mir die Hoteliersfrau in Selsingen übrigens auch zugetraut. Als ich ihr erzähle, dass ich einmal von Süd nach Nord durch den gesamten Kreis wandere, fragt sie trocken: „Und, zwei Übernachtungen?“ Gute Frau! 24,05 Kilometer heute. Das reicht! Jetzt wartet noch die letzte Etappe. Gewitter sind angesagt. Aber bitte erst, nachdem ich am Ziel bin! Etwas hat sich in der Jugendherberge zu meiner Freude auch geändert: Für die „Hotelgäste“ gibt es kühles Bier! Das ist eine wahre Wohltat nach der Hitze!