Rundschau-Serie: Aaron Kruse berichtet von seinen ersten Urlaubstagen in China

Alte Tempel, neue Türme

Der Rotenburger Aaron Kruse vor imposanter Kulisse: An seinen freien Tagen besichtigte er den Majishan-Berg.
 ©Rotenburger Rundschau

Rotenburg/Wenxian (db). Der 18-jährige Rotenburger Aaron Kruse tauscht die Schulbank gegen das Lehrerpult. Der frisch gebackene Abiturient unterrichtet elf Monate im Rahmen des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes Weltwärts Englisch an der No. 1 Senior High School in Wenxian (China). In der Rundschau berichtet Kruse alle zwei Wochen über das, was er dort erlebt.

Alle Züge sind überbucht, die Straßen verstopft und auf jedem verfügbaren Monitor und Handy marschieren Soldaten entlang wunderschöner Prachtstraßen: So kann man China während des Nationalfeiertags beschreiben. Mein Handy hört gar nicht mehr auf zu vibrieren, weil jeder meiner 600 Schüler mir Bilder von der großen Parade auf dem heimischen Fernseher schickt. Jeder ist scheinbar so glücklich, als habe er in der Lotterie gewonnen.

Aufgrund des Nationalfeiertags haben sowohl Schüler als auch ich eine Woche frei, und ich nutze die Zeit, um in die 400 Kilometer entfernte Großstadt Tianshui zu reisen. Gemeinsam mit drei weiteren Freiwilligen aus Deutschland verbringe ich knapp fünf Tage dort und erkunde in der Zeit die Altstadt sowie das nähere Umland –ein kleines Abenteuer!

Das startet bereits mit der Anreise: Nach vierstündiger, turbulenter Autofahrt durch das Gebirge gelange ich zum nächstgelegenden Bahnhof, von dem ich dann über die Provinzhauptstadt Lanzhou in die Kulturhochburg Tianshui gelange. Reisen mit dem Zug in China ist dabei nicht mit deutschen Verhältnissen vergleichbar. Nicht nur, dass ich vor Reiseantritt durch mehrere Sicherheits-checks muss, nein, auch das Einsteigen wird über Check-In-Schalter abgewickelt. Und der größte Unterschied: Der Zug ist auf die Minute pünktlich und besitzt funktionierende Klimaanlagen.

Trotz schneller Züge summiert sich die Zeit meiner Anreise aufgrund umständlicher Routen dennoch auf acht Stunden für 350 Kilometer Luftlinie. Zwar ist der Zugbetrieb sehr gut, allerdings ist das Bahnnetz bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei uns.

In Tianshui angekommen, erwarten mich bewölkter Himmel und Regen: ein wenig motivierender Auftakt für meinen ersten richtigen Urlaub. Nach aufwendigem Einchecken im Hotel kann es dann aber los gehen. Wir besichtigen wunderschöne Tempelanlagen, die über die Stadt verteilt sind. Zwischen Mönchen und chinesischen Touristen sehen wir bezaubernde Parkanlagen und allerlei Buddha-Statuen. Während ich dabei eifrig Fotos mache, wächst in mir ein Zwiespalt.

Denn in Deutschland rege ich mich stets über jene asiatischen Touristen auf, welche durch Kirchen laufen und laut knipsen und reden, an einem Ort, den man meiner Meinung nach gewissem Respekt zollen sollte. Nun aber bin ich selbst der, der in dieser Rolle steckt und sich bei eben dem Verhalten ertappt. Ein komisches Gefühl!

Besonders der auf einem Berg liegende Yuquan-Tempel erstaunt mich durch unglaubliche Architektur und uralte Bäume. So steht im Zentrum des Tempels ein mehr als 2.500 Jahre alter Baum.

Vom Fuß des Berges sehen wir einen gewaltigen chinesischen Turm, welcher wunderschön mit roten und blauen Vordächern verziert ist. Umso verwunderter sind wir, als wir keinen Zugang finden können. Als wir uns schließlich über Trampelpfade nähern, sehen wir es schließlich: Der Turm steht auf einem riesigen Betonfundament. Wir betreten das Innere der Konstruktion und sehen, dass alles dort einer großen Baustelle gleicht. Die Stadt baut einen alt anmutenden Turm als Erweiterung des uralten Tempels ganz nach dem Motto: Wenn man nicht genügend alte Sehenswürdigkeiten hat, dann baut man halt welche.

Höhepunkt unserer Reise ist der Besuch der überregional bekannten Majishan-Grotten. Als wir früh morgens in einen Bus steigen, regnet es, und wir hoffen auf geringere Besucherzahlen. Doch spätestens, als wir das Ziel erreichen, realisieren wir, dass wir damit kein Glück haben. Tausende bunter „Mülltüten“ strömen zu den Eingängen. Ein jeder chinesische Tourist hat sich ein farbiges Cape mit spitzer Zipfelmütze gekauft und sagt damit dem Regen den Kampf an. Es ist wahrlich ein Bild für die Götter.

Stundenlang stehen wir in Schlangen an, um zu den Grotten zu gelangen. Die Majishan-Grotten befinden sich in einer steilen Bergwand und beinhalten hunderte Buddha-Statuen, manche über acht Meter groß. Bis heute ist ungeklärt, wie die Erbauer dieses Heiligtum errichtet haben.

Heute sind an der Felswand Gänge befestigt, sodass wir die Figuren aus nächster Nähe betrachten können. Entlang des Weges hin zu den Grotten machen hunderte Verkäufer ihre Geschäfte mit Straßenständen, an denen wir alles von geschnitzten Figuren über verzierte Walnüsse bis hin zu Plastikgewehren für Kinder kaufen können. Ich bin sehr froh, als ich am Abend in unser Hotel zurückkehre.

Insgesamt verbringe ich eine schöne knappe Woche, die schließlich mit einer achtstündigen Busfahrt in meine „Heimatstadt“ endet. Am frühen Morgen fahre ich zur Fernbusstation, um die Reise anzutreten. Während ich drauf und dran bin, einzuschlafen, hält der Bus abrupt. Was ist passiert? Ein Mann steht an der Straße und hält seine Hand heraus. Der Fahrer steigt aus, verstaut dessen Gepäck und wir fahren weiter. Das gleiche Spiel erleben wir in der nächsten Stunde noch acht Mal. Als wir schließlich die Autobahn erreichen, scheint das Stop-and-Go-Prozedere endlich zu enden – denke ich, aber nein, zwei Ausfahrten später fahren wir ab.

Am Ende der Ausfahrt wartet eine Frau, die den Busfahrer scheinbar zuvor angerufen hatte und steigt ein. Aber nicht nur mit extra Passagieren verdient der Fahrer. Zwischendurch halten wir in Dörfern, und der Fahrer steigt aus und übergibt Pakete. Zudem halten wir an einem Kiosk, dessen Besitzer er offenbar kennt, und alle sollen aussteigen, um sich zu stärken. Ehe ich mich versehe, hat er mir Äpfel und Getränke gekauft und möchte mich zum Mittagessen einladen. Solche Busfahrten bin ich aus Deutschland nicht gewohnt, finde es aber irgendwie großartig. Ich scheine der einzige im Bus zu sein, dem das komisch vorkommt.

Nachdem ich dem Busfahrer erklärt habe, an welcher Schule ich arbeite, lässt er mich direkt davor aussteigen, sodass ich nicht einmal mit in die Stadt fahren muss.

Nun bin ich seit einigen Tagen wieder Zuhause und habe gestern eine Kontrollstunde gehalten. Wichtige Personen meiner chinesischen Organisation sowie auch Verantwortliche der Schule haben mir beim Unterrichten zugeschaut. Entgegen meiner Erwartung war ich allerdings nicht nervös und alles lief sehr gut. Scheinbar gewöhne ich mich langsam an das ganze Unterrichtsgeschehen.

Ab nächster Woche erhalte ich neben dem Taiji-Training noch Kungfu-Stunden und Unterricht im traditionell chinesischem Schwertkampf. Ich bin schon sehr gespannt und werde bald davon berichten.

• Wer den Freiwilligendienst Weltwärts unterstützen will, meldet sich per E-Mail an aaron.kruse@yahoo.com oder telefonisch bei Vater Niels Kruse unter 0170/2227356. Spender erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

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