Roboter Emma beim Neujahrsempfang der Rotenburger Werke - Von Dennis Bartz

Pflege mit Her(t)z?

Roboter Emma stiehlt Professor Jens Lüssem von der Hochschule Kiel (links) und Öffentlichkeitsreferent Rüdiger Wollschlaeger die Schau.
 ©Dennis Bartz

Rotenburg. Sind humanoide Roboter in 50 Jahren die Lösung für den Fachkräftemangel in der Pflege? Nehmen sie festgelegte Aufgaben ab oder ersetzen sie irgendwann sogar ganz den Menschen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Rotenburger Werke am Montagvormittag beim Neujahrsempfang im Haus Niedersachsen. „Es gibt noch keine verlässliche Antwort darauf, wie der technische Fortschritt unsere Arbeit verändern wird. Wir wollen heute aber unsere Visionen und Träume dazu einbringen“, betonte Vorstandsvorsitzende Jutta Wendland-Park in ihrer Begrüßung. Ziel sei es, Impulse zu setzen und zum Nachdenken anzuregen.

Dies gelang besonders durch den Auftritt von Jens Lüssem, Professor für intelligente Informationssysteme an der Fachhochschule Kiel, der in Begleitung von Roboterdame Emma kam. Diese ist etwa 1,20 Meter groß, stets freundlich, geduldig, aufmerksam und entspricht optisch dem Kindchenschema. Versuchsweise wird sie in einer Wohngemeinschaft mit Demenzerkrankten eingesetzt – mit Erfolg.

Emma kommt an – nicht nur bei den Senioren, die nach Lüssems Angaben keinerlei Berührungsängste hatten und ihr sogar bereitwillig ihre Lebensgeschichte erzählten. Auch beim Neujahrsempfang zog Emma die Blicke auf sich. Werke-Sprecher Rüdiger Wollschlaeger musste so das ein oder andere Mal um die Aufmerksamkeit des Publikums kämpfen.

Denn mit ihren großen runden Kulleraugen folgt Emma ihrem Gegenüber, interagiert und lädt zum Spielen ein. Sie lobt, muntert auf und zeigt „Emotionen“. Streichelt ihr jemand über den Kopf, so scheint ihr das zu gefallen. Dass dies eine programmierte Reaktion ist, ausgelöst durch empfindliche Sensoren, gerät dabei schnell in Vergessenheit. „Emma hat außerdem etwas, das Pflegekräfte in der Regel nicht haben – Zeit, um in Ruhe zuzuhören“, betonte Lüssem. Früher hätten ähnliche Roboter-Modelle noch mehrere 100.000 Euro gekostet – aber der Preis sinke rapide und liege aktuell nur noch bei 15.000 Euro. „In Japan gibt es diese bereits für etwa 2.000 Euro“, berichtete Lüssem.

Pflegeaufgaben könne Emma zwar noch nicht leisten – aber mit Spielereien wie beispielsweise Memory unterhalte sie die Patienten und entlaste damit die Pflegekräfte. Sie könne mit den Bewohnern tanzen und singen, sogar Physiotherapie-Übungen seien möglich. „Emma macht etwas vor, die Patienten machen es nach – sie korrigiert, wenn Bewegungen nicht richtig ausgeführt werden“, so Lüssem.

Roboter, die zusätzlich pflegerische Aufgaben übernehmen können, seien bereits in der Entwicklung. „Wir haben viele Gespräche mit Mitarbeitern und Bewohnern geführt, um herauszufinden, wo die Grenzen sind. Das Waschen ist ein Punkt. Wir führen im Sommer eine Diskussion mit dem Ethikrat.“ Noch werde die Pflege seiner Meinung nach nicht entmenschlicht.

Auch Wendland-Park appellierte daran, die ethische Frage in den Mittelpunkt zu stellen. „Darüber müssen wir uns jetzt Gedanken machen und dürfen das nicht erst auf uns zukommen lassen. Wir müssen gemeinsam eine Vision entwickeln. In Zukunft kann auch Emma eine noch größere Rolle spielen. Wir müssen uns jetzt entscheiden, an welchem Punkt es zu weit geht.“ Software-Firmen müssten ihrer Meinung nach streng kontrolliert werden. Diesen Bedarf sieht auch Lüssem: „Aus Monitoring kann sonst schnell Überwachung werden. Die Technik ist jetzt schon einsatzfähig. Da muss der Staat regulieren.“

Psychologin Nadine Donzelmann betonte, dass ein „Seelenroboter“ Pflegekräfte nicht vollständig ersetzen kann. „Wir Menschen empfinden im sozialen Miteinander Geborgenheit und Schutz. Diese biologischen Prozesse sind ein Teil von uns. Es sind nicht unbedingt die Methoden, die heilsam sind, sondern es ist die Beziehung, die wirkt. Und diese sollte niemals ersetzt werden.“

Allen Vorteilen des technischen Fortschritts zum Trotz müsse immer eine intensive Wertedebatte über künstliche und moralische Intelligenz geführt werden, so Wendland-Park weiter.

Die Pastorin gestand, dass es für sie selbst befremdlich war, als sie das erste Mal eine Predigt am Computer schreiben wollte: „Ich hatte das bis dahin mit Stift und bei Kerzenschein getan. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Heilige Geist einen solchen Weg mitgeht. Aber ich habe ihn gründlich unterschätzt: Er geht mit.“

Auch Landrat Hermann Luttmann, Superintendent Michael Blömer und Bürgermeister Andreas Weber gaben einen kleinen Einblick, wie sie sich die Pflege in 50 Jahren vorstellen. Sie sprachen zudem über die Bedeutung der Rotenburger Werke in der Gegenwart. „Ich darf das schon vorwegnehmen: Sie sind uns lieb und teuer“, begann Luttmann. Vom Gesamthaushalt in Höhe von etwa 320 Millionen Euro seien 192 Millionen Euro für die soziale Sicherung eingeplant. „Das sind mehr als 60 Prozent.“

Alleine die Sozialhilfe sei für das Jahr 2019 mit 83 Millionen Euro veranschlagt, für die Eingliederungshilfe 51 Millionen Euro. „Das sind mehr, als der Stadt Rotenburg insgesamt zur Verfügung stehen.“

Amtskollege Weber sagte: „Mit mehr als 1.800 Mitarbeitern und 1.000 Bewohnern sind die Rotenburger Werke nicht nur ein großer Wirtschaftsfaktor, sondern stehen auch für das gute Zusammenleben in Rotenburg. Die Bewohner machen die Stadt so lebens- und liebenswert.“

Passend zum Blick ins Jahr 2069 bekam jeder Gast zum Abschied eine kleine Kristallkugel, ehe es zum gemeinsamen Essen in die Lindenschule ging. An diesem nahm Emma dann nicht mehr teil. Wollschlaeger verabschiedete sie zuvor wenig charmant mit den Worten: „Die müssen wir jetzt entsorgen ...“

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