Pestwurz: eine Pflanzengattung – viele Einsatzmöglichkeiten

Toilettenpapier, Heilmittel, Zierpflanze oder Gemüse?

Asiatischer Pestwurz (Petasites japonicus) im zeitigen Frühjahr
 ©Joachim Looks

Ahausen. „Möchtest Du eine Pestwurz mitnehmen?“ Die Frage eines Gartenfreundes vor ein paar Jahren ließ mich zunächst etwas schweigsam auf das freundliche Angebot reagieren. Gartenliebhaber erfahren zumeist schmerzlich, dass Pflanzen mit dem Zusatz „Pest“ vorsichtig einzusetzen sind. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Kanadische Wasserpest (Elodea canadensis) in Europa als Aquarienpflanze eingeführt. Aussetzungen, daraus folgende Verschleppungen durch Schifffahrt und Wasservögel führten dazu, dass sich die Pflanze hier rasant ausbreitete und mittlerweile fast zum Standard-Repertoire von Gewässern gehört.

Wer will etwas so Ausbreitungsfreudiges in seinem begrenzten Zuhause?

Pestwurze sind eine Pflanzengattung, die mit rund 18 Arten auf der nördlichen Erdhalbkugel vertreten sind. Sie haben ihren Namen, weil die Pflanze gegen Pest, die pandemische Geißel des Mittelalters, eingesetzt wurde, obwohl heilwirksame Anwendungsmöglichkeiten seit dem ersten Jahrhundert bei Griechen und Römern bekannt waren. Im Mittelalter bauten dann nicht nur Schweden die Rote Pestwurz (Petasites hybridus) als Kulturpflanze an, weil ihre übel riechende Wurzel Pest abwehren sollte. Die schweißtreibende Wirkung der Wurzeln, so wurde damals geglaubt, helfe außerdem Pest „auszuschwitzen“, was sich nicht bewahrheitete. Aber frische, auf Pestbeulen gelegte Pestwurzblätter linderten immerhin Schmerzen. Bis heute wird Pestwurz vielfältig als Heilmittel eingesetzt, nachdem in Kulturpflanzen krebserregende und möglicherweise leberschädigende Abwehrgifte gegen Verbiss heraus gezüchtet wurden. Pestwurze schicken im Frühjahr, anders als andere Pflanzen, zunächst ihre Blüten gewissermaßen als „Kundschafter“ in das neue Vegetationsjahr. Blätter erscheinen erst zum Ende der Blütezeit. Sie werden rhabarberartig groß bei der häufig auftretenden Roten Pestwurz, auch Gewöhnliche oder Bach-Pestwurz genannt, und bedecken als Schwemmlandbefestiger ganze Bach- und Flussufer nährstoffreicher Böden. Ein Effekt, der bei einem Gartenteich trotz der positiven Wirkung eines natürlichen Uferschutzes häufig unerwünscht ist, dringt doch kaum ein Lichtstrahl durch ein Pestwurz-Blätterdach, wodurch eine andere Ufergestaltung als die durch Pestwurzpflanzen ausgeschlossen wird. Pestwurze werden von Bienen bestäubt, floristisch mit dem Status „einheimisch“ versehen, und sind dort, wo sie auftreten, eine wichtige Bienenweidepflanze, weil sie als früher Nektar- und Pollenlieferant dienen. Einheimisch ist die Pflanze nicht, hat sich aber zusammen mit dem Asiatischen Pestwurz (Petasites japonicus) als Zierpflanze etabliert. Wer den Aufwand nicht scheut, beide Pestwurze „im Griff“ zu behalten, wird in entsprechend sortierten Gärtnereien fündig. Als „Gartenflüchtlinge“ etabliert sich vor allem Petasites hybridus ohne größere Schwierigkeiten in unserem gemäßigten Klima an sickernassen, zeitweise überfluteten, nährstoffreichen Standorten. Er ist eben „gewöhnlich“. Pestwurze sind in Deutschland insgesamt nicht gefährdet, in einigen Bundesländern aber schon, weil sich der für das Gedeihen notwendige, sickernasse, zeitweise überflutete Lebensraum durch Entwässerungsmaßnahmen und veränderte Klimabedingungen ändert. Dabei sind diese Wurze schon seit der Bronzezeit bekannt. Im Salzkammergut in Österreich wurden beim ältesten Salzbergwerk der Welt in der Nähe Hallstadts bronzezeitliche Toiletten entdeckt, in denen Pestwurzblätter offenbar als Toilettenpapier zur Anwendung kamen – ein pragmatischer Einsatz, der in Bayern zu der saloppen Pflanzenbezeichnung „Arschwurz“ führte und ein Hinweis auf die vielfältige Nutzung von Pestwurz gibt. Japaner bevorzugen ihren Petasites japonicus dagegen als Frühlingsgemüse. Er soll, als Jungpflanze geerntet, leicht bitter schmecken, was Verdauungssäfte anregt, und wird frittiert als „Fukino tou“ (Frühlingsgemüse) serviert, nicht nur in Japan, sondern auch in Korea. Und unsere Reaktion auf das Angebot eine dieser vielseitigen Pflanzen in unseren Garten zu integrieren? Wir haben zugesagt und eine asiatische Pestwurz in unseren Garten überführt. Es waren die Blätter, die mich schwach werden ließen: panaschiert – grüne Blätter mit weißer Musterung… Ein Traum, wenn auch kein einheimischer! Seitdem kämpft mein Mann gegen den Ausbreitungsdrang von Petasites japonicus.

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