Palliativstützpunkt baut Team aus Fachkräften auf - Von Ulla Henye

Begleiter fürs Leben

Annette Ehmer-Schulte (von links), Anja Lohmann und Marion Wieden engagieren sich für ein selbstbestimmtes Sterben in Würde.
 ©Foto: Ulla Heyne

Rotenburg. Unheilbar Kranke ebenso wie pflegende Angehörige sehen sich mit vielen Fragen konfrontiert: Lieber Zuhause sterben oder im Hospiz? Was lindert meine Schmerzen? Ist eine Pflege zuhause überhaupt leistbar und wer kann mich unterstützen? Seit mehr als zehn Jahren helfen die Palliativstützpunkte dabei, Antworten darauf zu finden. Sie sind Anlaufpunkt für Schwerstkranke im letzten Lebensstadium.

Angehörige, Hausärzte, Pflegedienste und Krankenhäuser bilden ein Netzwerk, das in Rotenburg für den gesamten Südkreis von den beiden hauptamtlichen Koordinatorinnen Annette Ehmer-Schulte und Anja Lohmann zusammengeführt wird. Anfänglich habe Skepsis ob einer möglichen Konkurrenz geherrscht, erzählt Ehmer-Schulte, „inzwischen haben die Hausärzte ebenso wie Pflegedienste und andere Beteiligte erkannt: ,Wir sind zusätzlich da, ergänzen das Angebot und sind eine Entlastung!‘“

Der Palliativstützpunkt ist eine als eingetragener, gemeinnütziger Verein organisierte Koordinationsstelle. Die Arbeit erfolgt Hand in Hand: Oft seien es die Krankenhäuser, Pflegedienste oder Ärzte, die die Aufnahme von Patienten in dieses Netzwerk einleiten; Dabei spiele auch Mund zu Mund-Propaganda eine Rolle.

Konkret prüfen Ehmer-Schulte und Lohmann auf Anfrage, ob die Situation des Patienten ihn für diesen bei den Krankenkassen abrechenbaren Dienst qualifiziert und was in der aktuellen Lage gewünscht wird und machbar ist.

Bei den Krankenkassen stehen hinter dieser Erwägung auch wirtschaftliche Gründe – eine Betreuung in den eigenen vier Wänden ist in der Regel günstiger als im Krankenhaus und macht Betten für Akutfälle frei. Aber auch die meisten Sterbenden hegen den Wunsch, die letzte Lebensphase im vertrauten Umfeld zu verbringen.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen dies unter den gegebenen Umständen nicht optimal ist – etwa bei Alleinstehenden ohne Angehörige oder jungen Eltern, deren kleinen Kindern das Sterben der Mutter oder des Vaters nicht zugemutet werden soll. Froh sind die Netzwerkerinnen auch über die Eröffnung der Palliativstation im Diako vor einigen Jahren. Im Mittelpunkt der Aufnahme dort stehe immer eine bessere Einstellung auf die Symptome, etwa der Schmerzpumpe oder künstlichen Beatmung. „Ziel ist die Entlassung“, so Ehmer-Schulte, selbst ausgebildete Palliativ-Care-Fachkraft.

Auch in der häuslichen Pflege greifen die Hilfsangebote unterschiedlicher Institutionen ineinander. Oft sei die Versorgung Schwerstkranker, beispielsweise mit Drainagen, künstlicher Ernährung oder Feinbeatmung, durch normale Hausärzte und Pflegedienste nicht zu leisten. Auch dort kommt der Palliativstützpunkt ins Spiel: Die rund 120 bis 140 betreuten Patienten pro Jahr, Tendenz steigend, werden von Palliativärzten und -pflegern mit spezieller Ausbildung betreut.

Dabei geht es laut Marion Wieden, Vorsitzende des Vereins und selbst als Palliativärztin tätig, nicht nur um medikamentöse Weiterbildungen, „sondern auch um ethische Fragen und die Betreuung der Angehörigen – die nimmt einen großen Raum ein!“

Auch für sie ist die Arbeit im palliativen Bereich immer wieder eine Umstellung zum „Tagesgeschäft“, gehe es doch nicht mehr um Prophylaxe und Folgeschäden, sondern einzig um die Qualität der verbleibenden Zeit: „Wir retten nicht Leben, sondern Lebensqualität.“ Dabei spielt Selbstbestimmung eine große Rolle: „Als Arzt muss man akzeptieren und zulassen, dass die Patienten selbstbestimmt Dinge tun, die man als Hausarzt nicht gutheißen könnte.“

Eine Tätigkeit, die psychisch fordert aber auch ungemein bereichere. „Man bekommt viel zurück“, hat Ehmer-Schulze festgestellt: „Eine große Dankbarkeit der Angehörigen und die Gewissheit, etwas Sinnvolles zu leisten.“ Dazu kommt, dass die Zeit bei den Hausbesuchen nicht so knapp bemessen ist wie im normalen Pflegealltag: „Wir dürfen mit anderen Zeitpauschalen arbeiten, und die brauchen wir auch.“

Mindestens einmal pro Woche besuchen sie oder ihre Kollegin die Patienten, Tag für Tag wird besprochen, was für Bedürfnisse bestehen, bis zu drei Hausbesuche pro Tag sind möglich. Das nehme vor allem von den Angehörigen Druck: „Sie wissen Leute an ihrer Seite, die Verantwortung wird verteilt, der Berg an Entscheidungen gemeinsam abgetragen.“ Zusätzliche Sicherheit gebe eine Pflege-Hotline, die rund um die Uhr erreichbar ist.

Ehrenamtliche Mitarbeiter, die Nachtdienste übernehmen und der Hospizdienst, der eine ehrenamtliche Begleitung der Familien übernimmt, sorgen für weitere Entlastung; wenn nötig, wird eine Psychotherapeutin hinzugezogen – ein „gutes Miteinander“, wie Ehmer-Schulte es nennt, in das auch die Pflegedienste für die Grundpflege und Apotheken einbezogen sind.

Noch enger zusammenarbeiten soll das Netzwerk, wenn das Hospiz in Rotenburg ab dem 1. Juni seinen Betrieb aufnimmt. Geplant ist, dass die Palliativmediziner des Palliativstützpunktes auch dort die ärztliche Betreuung übernehmen. Überhaupt soll sich in naher Zukunft einiges ändern: Der Palliativstützpunkt stellt eigene Ärzte und Pflegekräfte mit Palliativ-Care-Ausbildung ein. Dies sieht ein bundeseinheitlicher Mantelvertrag vor, der die Qualität der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sicherstellen soll – für den Palliativstützpunkt ein unternehmerisches Risiko, „aber ein gut durchkalkuliertes – mit mehr als zehn Jahren Erfahrung sind wir gut aufgestellt“, so Lohmann.

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