Neue Kriegsgräberanlage auf dem Friedhof in Waffensen

Im Gedenken an Alicia

Steinmetz Jens Spieler, Werner Freers, Vertreter des Volksbundes, Tiefbauamtsleiter Stephan Lohmann, Ortsbürgermeister Hartmut Leefers, Heinz Promann, Jan Effinger, Geschäftsführer des Volksbundes, und Hartwig Cordes, Garten und Landschaftsbauer.
 ©Foto: Dennis Bartz

Waffensen. Zwei Holzkreuze ohne Namen. Das war lange Zeit das unwürdige Andenken an fünf Kriegsopfer – zwei Frauen, einen Mann und zwei Kinder – die in der Gräberanlage des Friedhofs in Waffensen beerdigt sind. „Die Besucher sind bisher achtlos daran vorbeigegangen“, erinnert Ortsbürgermeister Hartmut Leefers bei der Einweihung der neu gestalteten Kriegsgräberanlage am Mittwoch. Es sei gelungen, den Toten einen Namen, Geburts- und Sterbedatum zu geben. Die neue Anlage mit Grabstein kostete 6.000 Euro und ist mit Mitteln des Niedersächsischen Innenministerium finanziert worden.

Auf einer Erinnerungstafel, die zusätzlich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge entworfen und finanziert hatte, erfahren interessierte Besucher ab sofort mehr über den geschichtlichen Hintergrund. „Es war mir wichtig, dass das Schild gut sichtbar ist. Denn die Gräber sollen eine mahnende Funktion haben“, so Leefers.

Das NS-Regime hatte während des Zweiten Weltkriegs versucht, den Arbeitskräftemangel in Deutschland durch den Einsatz von Kriegsgefangenen und sogenannten Fremdarbeitern, also ausländischen Zivilisten, zu beheben. Sie erhielten kaum Lohn und mussten als Stigmatisierung an ihrer Kleidung ein „P“ für Polen und „Ost“ für Sowjetunion tragen.

Die Nationalsozialisten drängten Schwangere häufig zur Abtreibung, denn die Kinder galten als „rassisch minderwertig“. Mütter mussten ihre Neugeborenen in „Ausländerkinderpflegestätten einfachster Art“ abgeben. Das verfügte Reichsführer SS Heinrich Himmler 1943 per Erlass.

Im Landkreis Rotenburg gab es dafür die Verwahranstalt für Kinder von Polinnen und Ostarbeiterinnen in Riekenbostel. Dorthin brachten die Nazis auch Alicia Prutzinizia, die am 19. Februar 1945 zur Welt kam, und Viera Babitsch, die am 4. Dezember 1944 geboren wurde. Beide Mädchen starben getrennt von ihren Müttern Maria Prutzinizia und Alexandra Babitsch nur wenige Wochen nach ihrer Aufnahme in Riekenbostel durch unzureichende Hygiene und Mangelernährung.

Die Recherchearbeit leistete der ehemalige BBS-Lehrer Heinz Promann mit 18 Schülern der damaligen Abschlussklasse des beruflichen Gymnasiums. „Für die Teilnehmer war es beeindruckend, dass sie vor Ort Geschichte entdeckt haben. Sie haben im Rotenburger Rathaus alte Akten untersucht, die seit Jahrzehnten niemand mehr in den Händen gehalten hatte“, so Promann.

Dabei fanden sie heraus, dass die insgesamt 28 Jungen und Mädchen, die in der Kinderverwahranstalt Riekenbostel untergebracht waren und dort, beziehungsweise im Rotenburger Krankenhaus verstarben, an dem Arbeitsort, ihrer Mütter beerdigt worden sind. „Das gilt auch für Alicia und Viera, deren Mütter auf Bauernhöfen in Waffensen ihren Dienst als Zwangsarbeiterinnen verrichteten. Die beiden Mädchen sind in Riekenbostel von zwei Mitarbeiterinnen mehr schlecht als recht gepflegt worden“, so Promann.

Der Winter 1944/1945 war sehr kalt, und viele Kinder in der Anstalt erkrankten. „Sie wurden dann bei bis zu minus 20 Grad von der Leiterin mit dem Fahrrad ins Rotenburger Krankenhaus gebracht. Dass das nicht gut für ihre Gesundheit war, kann man sich vorstellen“, so Promann.

Er hat die Schicksale der Opfer mit seinen Schülern akribisch aufgearbeitet. Besonders detailliert gelang ihnen das bei Stanislawa Klopecka, die am 29. März 1924 in Tarnowo, Kreis Oborniki in Polen, zur Welt kam und ein katholisches Elternhaus hatte. Sie war gerade einmal 15 Jahre alt, als 1939 mit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg begann. Im Januar 1942 unterlag Klopecka wie alle Bewohner der besetzten Ostgebiete der öffentlichen Arbeitspflicht durch die sogenannte „Ostanwerbung“. Sie wurde mit der Reichsbahn gen Westen transportiert, zunächst noch in Dritte-Klasse-Wagen, später im Güterwagon. Die junge Frau kam als Zivilarbeiterin nach Waffensen und wurde dort auf einem Bauernhof eingesetzt, wo sie auch schwanger wird und 3. April 1943 die Wehen einsetzen. Doch das Baby überlebt nicht. „Wahrscheinlich hatte sich die Nabelschnur um den Hals des Kindes gelegt“, so Promann.

Die Mutter erlitt bei der Geburt schwer Verletzungen und sollte ins Krankenhaus nach Rotenburg gebracht werden. Doch auf dem Transport dorthin, in derselben Nacht zwischen 2 und 2.40 Uhr, starb auch sie. Mutter und Kind liegen in einem Grab auf dem Friedhof in Waffensen. Was von ihnen blieb, waren damals die Habseligkeiten: 58,25 Reichsmark, die als Verwahrgeld in der Gemeindekasse aufbewahrt wurden.

• Die Umsetzung der Kriegsgräberanlage auf dem Friedhof in Waffensen übernahmen Steinmetz Jens Spieler aus Ottersberg und Garten- und Landschaftsbauer Hartwig Cordes, Waffensen.

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