Linda Horn restauriert die Eingangstür zur Rotenburger Stadtkirche

„Ich weiß, wie Türen ticken“

Große Aufgabe: Linda Horn bei ihrer Arbeit an der Tür im Turm der Stadtkirche. Fotos: Pröhl
 ©

VON HENRIK PRÖHL

Rotenburg – „Der Lack ist ab, aber ich mag die Grundierung“, kann als frecher Geburtstagsspruch für Menschen gedacht sein, die ein reiferes Alter erreicht haben und sich gewissem Spott aus dem Freundeskreis ausgeliefert sehen. Linda Horn lässt ihn aber woanders fallen: Die große Eingangstür im Turm der Rotenburger Stadtkirche ist derzeit eine prominente Baustelle und Arbeitsplatz für die Lüneburgerin, staatlich geprüfte Restauratorin für Möbel und Holzobjekte. Seit etlichen Tagen ist sie für die Firma Wellmer-Restaurierungen aus Uelzen damit beschäftigt, alte Farbschichten vom ehrwürdigen Eichenholz zu entfernen.

Wer schon mal alte Möbel oder Türen restauriert hat, weiß, das ist harte Arbeit. Salopp gesagt, es muss stundenlang „abgekratzt“ werden. „Das mache ich nicht mit Schleifpapier“, sagt die 50-Jährige, „damit würde ich nicht weit kommen, das kommt später zum Einsatz. Ich benutze einen Heißluftföhn, der die alten Farbschichten heiß und damit weich macht. Man nennt das Abbrennen, so kann ich mit dem Spachtel die Farbe vom Holz schaben.“

Hört sich einfach an, darf wegen des Brennens vor allem nicht wörtlich genommen werden. In Rotenburgs Geschichte hat es nachweislich schon viel zu oft gebrannt. Die Arbeit erfordert vor allem unglaubliche Geduld und Kraft, um zentimeterweise voranzukommen. „Ich muss gründlich arbeiten, sonst bringt es für den neuen Anstrich nichts“, erklärt die Restauratorin, die weiß, „wie Türen ticken“, wie sie sagt. „Ich habe schon viele Türen aufgearbeitet. Das macht nur Spaß, wenn man weiß, dass sie hinterher schöner aussehen.“

Welche Aufträge sind der Restauratorin besonders in Erinnerung? „Das sind so viele“, denkt sie nach. „Vielleicht die Spiegelrahmen im Schloss Ludwigslust. Sicherlich auch das Orgelgehäuse der Arp-Schnitger-Orgel in Neuenfelde. Schön war auch der Auftrag am Lettner in der Lübecker Aegidien-Kirche, ich könnte so viel aufzählen.“ Linda Horn gibt zu: „Es ist ein Beruf für Idealisten, die mit künstlerischer und handwerklicher Begabung Geschichte wachhalten. Reich wird man dabei nicht.“

Zurück zur Stadtkirche: Zuletzt wurden die über vier Meter hohen Eingangstüren vor etwa 20 Jahren gestrichen, als das gesamte Kirchenschiff einer gründlichen Renovierung unterzogen wurde. Das Gebäude besteht aus zwei Baukörpern unterschiedlicher Epochen. Der Turm wurde sehr viel eher, nämlich 1751 errichtet. Die Restauratorin zeigt auf die Innenseite der Tür: „Diese Spitzbögen auf dem Türblatt sind in diesem Fall neugotisch, also jünger als der Turm. Vermutlich wurde die Eingangstür beim Bau des Kirchenschiffs um 1862 eingebaut.“

Damit ist das Eichenholz aber immerhin und genau 160 Jahre alt, „und in solidem Zustand“, urteilt Horn. „Es gibt natürlich den üblichen Verschleiß vor allem am unteren Ende des Türblattes. Hier dringt Feuchtigkeit ins Holz“, zeigt die Restauratorin auf den sogenannten Wasserschenkel, eine ziemlich große Profilleiste, die Regenwasser ableiten soll. „Diese Eingangstür ist wie bei vielen Kirchen zur Wetterseite ausgerichtet“, erklärt die Kennerin alter Materie.

Aus Richtung Westen kommen häufig Wind und Regen, in den Nachmittags- und Abendstunden Sonne, das setzt dem Holz und seinem Anstrich zu. „Irgendwann ist die Farbe einfach porös oder schlägt Blasen, wie man hier sehen kann.“ Linda Horn zeigt auf runde Abplatzungen. „Die alte Farbe war nicht atmungsaktiv, das sorgt für Ablösungen.“ Jetzt, wo die staatlich geprüfte Restauratorin die alten Farbschichten abgetragen hat, ist zu sehen, wo bereits Holzteile der Tür ausgewechselt wurden.

„Unten rechts haben sich mal Ameisen ins bereits lose Holz eingenistet und ganz schön an der Tür genagt, da musste der instabile Pfosten am unteren Ende ausgewechselt werden“, erklärt die Lüneburgerin, deren Firma auch Konservierung, Dokumentation und Gutachten durchführt.

Wer der agilen Frau bei der wochenlangen Arbeit zusieht, hat instinktiv Mitgefühl. „Ich bin schon von manchen Leuten angesprochen worden, die hier vorbeikommen. Während der heißen Tage ist es hier ganz schön anstrengend“, erklärt sie. Immerhin ist die größte Fläche der insgesamt etwa acht Quadratmeter Holz mit Profilleisten und kniffligen Gehrungswinkeln bereits geschafft, sogar die geschnitzte Laterne im runden Bogen der Tür ist schon von alter Farbe befreit. „Die wird wieder weiß gestrichen, die Außenseite des Türblatts bekommt wieder den Farbton in Grünblau, innen etwas aufgehellt.“ Und das ist dann der Arbeitsgang, der ihr wirklich Freude macht, „dann wird alles wieder schön“.

Das bleibt zu hoffen, denn bisher sieht die vermutlich größte und prominenteste Tür der Stadt ganz schön ramponiert aus. „Das wird wieder“, verspricht Linda Horn, schmeißt den Heißluftföhn an, schabt ab, was vor ihrer Arbeit an Farbe aufgetragen wurde und sorgt so letztlich für einen neuen Anstrich, bei dem man für die nächsten Jahrzehnte nicht nur die Grundierung mögen wird.

28.02.2021

Landpark Lauenbrück

12.02.2021

Winterlandschaft in Rotenburg

22.12.2020

Weihnachtsbilder

29.10.2020

Herbstfotos der Leser