Kerstin Haase ist Neugeborenenfotografin im Diako

Babyglück seit zehn Jahren

Gerade frisch geboren, schon das erste Bild: Kerstin Haase setzt die Kleinen vor dem Foto vorsichtig ins rechte Licht. Fotos: Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg
 ©

VON ANDREAS SCHULTZ

Rotenburg – „Was andere Mütter sich wünschen, das habe ich“, sagt Kerstin Haase und schmunzelt. Während manche Eltern damit ringen, dass der Nachwuchs irgendwann groß und flügge wird, bewahrt sich die Scheeßelerin die Freude des Kinderglücks auf unkonventionelle Weise: Seit zehn Jahren fotografiert sie Neugeborene im Rotenburger Agaplesion Diakonieklinikum.

Ironischerweise begann das mit dem eigenen Kinderglück: Als ihre Tochter zur Welt kam, wagte die gelernte Grafikerin den Berufswechsel in Richtung Fotografie. Bilder von Heranwachsenden gehören seither zu ihrem Portfolio. Im eigenen, kleinen Studio in Scheeßel lichtet sie heranwachsende und große Motive ab – den ersten Kontakt zur Fotografin haben viele der Familienkunden erstmals auf der Neugeborenenstation des Diakos.

„Kein Baby ist wie das andere“, sagt die Fotografin. Das mache einen Teil der Faszination aus, den die zwei Termine pro Woche im Krankenhaus auf sie ausüben. Wenige Tage, teils wenige Stunden alt, haben die kleinen Fotomodelle ganz unterschiedliche Launen, wenn die Scheeßelerin sie zusammen mit ihren Eltern antrifft: „Manche sind einfach nur schläfrig, andere total wach“, fasst sie zusammen – jedes Baby zeige beim kurzen Shooting sein eigenes Temperament. Das habe auch Auswirkungen auf die Arbeit: Stiller Nachwuchs ist schnell fotografiert. Bei lautem müsse sie erst in die Trickkiste greifen, um die Kleinen zu beruhigen und in die typische Pose zu bringen, die für die Zeitungsfotos notwendig ist. „Manchmal zeigen sich da schon die ersten Wesenszüge, die man dann auch später bei Besuchen im Studio beobachten kann“.

Doch eins sei fast immer gleich: die gute Laune der Eltern, wenn die Babyfotografin für das allererste Bild des Lebens den Raum betritt. Für viele Mitglieder der jeweils zugehörigen Familie gehört das einfach dazu: das Baby-Bild, das in der Rotenburger Rundschau sowie auf der Internetseite des Diakonieklinikums erscheint. „Bei einigen heißt es dann: Die Oma wartet schon“, sagt Haase. Denn so manches Mitglied der Leserschaft zieht die Rundschau nach Ablieferung durch den Zeitungsboten ungeduldig aus dem Briefkasten, um das Foto des Enkelkinds auszuschneiden und in ein Album zu kleben.

Rund 1 000 Babys kommen im Diako jährlich zur Welt. Einen großen Teil davon bekommt Haase persönlich zu Gesicht, sofern die Erzeuger ihre schriftliche Zustimmung geben und den Termin nicht verpassen. Wie viele das im Verlauf der vergangenen Jahre gewesen sind, lässt sich nur schwer rekonstruieren, aber es sind eine ganze Menge „niedlicher, knautschiger Wesen“, sagt die Fotografin.

Trotz der langen Zeit schleife sich keine Routine ein, ist sich die Scheeßelerin sicher. Jeder Termin im Krankenhaus bringe Neues – wenn auch nicht unbedingt in der Gestaltung der Fotos: Die Bilder kommen auch bei der Entwicklung der „Babys der Woche“ in der Rotenburger Rundschau zum Einsatz – und dort müssen sie möglichst gleichförmig aussehen, die Kleinen sind also in ähnlichen Posen drapiert. Andernfalls hätte das im Layout der Babys der Woche die Auswirkung, dass es sehr unruhig aussehen würde.

Abwechslung gibt es trotzdem genug. Ein Negativbeispiel dafür gibt es auch: Mit der Pandemie kamen eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen dazu – Besucher der Einrichtung kennen das Spiel mit den Coronatests. Auch Haase führt vor Betreten der Station 1 einen solchen Test durch, denn gerade der Bereich, in dem die Neugeborenen ihre ersten Stunden und Tage erleben, ist sensibel. Macht aber nichts: Denn dort kommt man auch ins Gespräch. Wenn Haase anderen Gästen, die auf ihr Testergebnis warten, von ihrer Arbeit erzählt, heiße es des Öfteren: „Oh, das ist aber ein toller Job.“

Außerdem auf der Liste der Fotografin: Station 17. „Das ist auch wieder etwas anderes“, sagt die Scheeßelerin. Denn dabei handelt es sich um die Kinderstation, in der auch Frühgeborene untergebracht sind. Wenn die Eltern das möchten, macht Haase auch von den ganz kleinen und noch zerbrechlicher wirkenden Kindern ein paar Fotos.

Und ganz selten kommt es auch mal vor, dass Haase Sternenkinder fotografiert. Normalerweise gibt es jemanden, der sich auf die Bilder von den gestorbenen Kindern spezialisiert hat, aber bei ein, zwei Fällen ist sie auch schon mal eingesprungen. „Das war auch eine ganz andere Erfahrung. Aber letztlich nicht so schlimm, wie ich mir das vorgestellt habe.“ In einem Fall war das Baby 16 Wochen alt, fast noch ein Embryo. Beklemmend, könnte man meinen, „aber mir war klar: Das ist nur noch die Hülle. Die Seele ist gegangen“, schildert Haase ihren Umgang mit der Situation.

Der Alltag der Babyfotografin ist aber einer, der nicht von beklemmenden Erlebnissen, sondern von den schönen geprägt ist. Von der Dankbarkeit der Eltern und dem immer wieder neuen ersten Blicken der Babys auf die Welt, der durch Objektiv und Sensor auf der Speicherkarte gebannt wird. Von der besonderen Dynamik bei Zwillingskindern, von ausgefallenen Namen für die Neugeborenen.

Und das seit zehn Jahren. Für das Stationsteam gehört die Fotografin schon zum Inventar: „Es ist ein schönes Miteinander. Alle sind sehr nett“, fasst Haase zusammen. So gehört Stationsleiterin Maike Oltmanns zu den ersten Gratulanten für den zeitlichen Meilenstein der Babyfotografin auf Station 1. Die gute Atmosphäre ist einer der Gründe, warum die Fotografin gerne immer wieder kommt.

Ein weiterer scheint allerdings stärker zu sein – so klingt es zumindest, wenn Haase von ihren Motiven spricht: „Es gibt einfach richtig viele süße Babys.“

28.02.2021

Landpark Lauenbrück

12.02.2021

Winterlandschaft in Rotenburg

22.12.2020

Weihnachtsbilder

29.10.2020

Herbstfotos der Leser