Das Leberblümchen – eine Pflanze für Geduldige - Von Christiane Looks

Eine frühe Schönheit

Hepatica nobilis u2013 zartes Pflänzchen im frühen Frühling. Foto: Joachim Looks
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Eversen. Familienforschung ist ein Interessensgebiet, das freizeitfüllend betrieben werden kann. Faszinierend, welche Entdeckungen dabei gemacht werden und wie weit sich Familien historisch zurückverfolgen lassen. Während sich der Vater meiner Mutter bis ins hohe Alter nur zu gerne in die Materie vertiefte und immer wieder Neues zu Tage führte, war entsprechendes Interesse in der Familie meines Schwiegervaters gering: Alle Looks dieser Welt gehen auf Vorfahren zurück, die aus dem Südosten der Insel Rügen stammen, dem Mönchgut.

Während wir außerhalb des Mönchguts daran gewöhnt sind, unseren Familiennamen sicherheitshalber zu buchstabieren, wenn nach ihm gefragt wird, ist dies im Südosten der Ostseeinsel nicht erforderlich. Wer in Baabe, Göhren, Thiessow und anderen Orten des Mönchguts auf Friedhöfe, in Gemeindeaushänge, auf Hausinschriften und in Zeitungsseiten blickt, wird diese Aussage bestätigt finden.

Zahlreiche Besuche bei der dortigen Verwandtschaft führten dazu, dass auch ich als Eingeheiratete den Südosten Rügens ausgiebig kennenlernen durfte. Erholung von endlosen Familiengeschichten boten herrliche Wanderungen durch das historische Rotbuchenwaldgebiet der Granitz nördlich von Baabe, auf dessen kalkhaltigem Boden im zeitigen Frühjahr Leberblümchen, weiße und gelbe Buschwindröschen sowie Schlüsselblumen blühen. Das Leberblümchen, Hepatica nobilis, eine geschützte Pflanze, ist die häufigste von insgesamt rund zehn im Frühling blühenden Arten. Sie wächst in Laubwäldern der Erdnordhalbkugel in gemäßigten Regionen Europas, Ostasiens sowie Nordamerikas und bildet je nach Verbreitungsschwerpunkt unterschiedliche Formen aus. Diese werden von einigen Biologen auch unterschieden nach ihrer Verbreitung in Hepatica nobilis für europäische, Hepatica asiatica für die ostasiatischen und Hepatica americana für jene aus Nordamerika.

Häufig ist die Pflanze nicht zu finden, wohl erscheint sie aber an zusagenden Standorten flächig. Leberblümchen mögen es nicht zu trocken. Sie bevorzugen kalkhaltigen Boden, wie ihn Rügens Granitz-Kalkbuchenwald bietet. Neben Buchenwäldern siedelt sich Hepatica nobilis ebenfalls in geeigneten Eichenwäldern an, und wenn es in Gebirgen Kalkstandorte gibt, werden auch die genommen. Überhaupt erweisen sich Leberblümchen als anpassungsfähig. Der 1988 herausgegebene Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik gibt für den Landkreis Rotenburg zwei Standorte für Hepatica nobilis an, die vor 1945 nachgewiesen wurden und als möglicherweise angepasst an menschliche Siedlungsbereiche nicht auf Austausch mit anderen, natürlichen Beständen angewiesen zu sein schienen. Leberblümchen wurden nämlich mindestens seit dem 15. Jahrhundert als beliebte Zierpflanze in Gärten verwendet. Sie blühen allerdings frühestens nach vier, oft aber auch erst nach sieben Jahren. Werden die Pflanzen geteilt, wachsen sie nur langsam an. Angesichts dieser Schwierigkeiten war die Neigung groß, sich an Originalstandorten zu bedienen, obwohl Leberblümchen auch ungeteilt schwer zu verpflanzen sind. Kultiviert wurde die Pflanze seit dem 17. Jahrhundert in Japan. Aber selbst in langwieriger Züchtungsarbeit gelang es trotz vielfältiger Bemühungen nur ein Jahr im Kampf mit der späten Blühfähigkeit herauszuholen. Wer Leberblümchen kultiviert, braucht Geduld.

Seit den 1980er-Jahren kamen mehr züchterisch bearbeitete Leberblümchen auf den Markt. Vor allem als Hepatica nobilis var. japonica gibt es mittlerweile mehr als tausend registrierte Sorten, die von weißen, gelben, roten, blauen, violetten bis grünen Blüten in Farbvarianten alles hervorbringen, was Liebhaberherzen erfüllt. Es gibt gefüllte Varianten mit einer oder mehreren Farben und solche Exemplare, die statt 5 bis 12 Blüten pro Pflanze sogar 150 Blüten aus einer einzigen Pflanze hervorbringen. Das hat seinen Preis! Die Preisspanne reicht von wenigen Euros für eine schlichte Pflanze bis zur nicht nur in Japan erhältlichen Hepatica nobilis var. japonica „Shinku“ für einen dreistelligen Euro-Betrag. Nicht auszudenken, was für ein finanzieller Schaden entstünde, wenn unwissende Schnecken genau so ein Exemplar als Nahrungsquelle auswählen würden. Jungpflanzen sind nämlich anfällig für Schneckenfraß!

Wer sich nicht für japanische Leberblümchen-Kostbarkeiten begeistern kann, aber der heimischen, kultivierten Pflanze gerne ein Zuhause im eigenen Garten geben möchte, sollte ihre Wuchsbedingungen unbedingt beachten, sonst verabschiedet sich Hepatica nobilis. Sie benötigt kalk- und humusreichen Boden, verträgt sich gut mit Buschwindröschen und frühen Veilchen an schattigen Standorten in Gärten mit Bäumen, wo der Boden wenig bearbeitet wird und Laub über Winter liegen bleiben darf. Es ist keine Pflanze für ordnungsliebende Gartenfans. Selbst in gärtnerisch kultivierter Ausführung ist der liebenswürdigen Schönheit ein Hauch von Wildheit geblieben.

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