Aaron Kruse veröffentlicht Buch über sein China-Jahr

Keine Party in Peking

Wenxian liegt umgeben von Bergen. Foto: Aaron Kruse
 ©

„Lass dich ganz auf dieses Land mit seinen Menschen und seiner ganz einzigartigen Kultur ein. Erst wenn du altbekannte Sichtweisen und Gewohnheiten hinter dir lässt, kannst du China wirklich erfahren.“

Aaron Kruse

Von Dennis Bartz

Rotenburg. Der Rotenburger Aaron Kruse reiste nach seinem Abitur im Sommer 2019 nach China, um Englisch an der No. 1 Senior High School in Wenxian zu unterrichten. Alle zwei Wochen berichtete er in der Rundschau über seine Erlebnisse. Er lernte die Menschen und die Kultur kennen, trat seinen Job als Lehrer an, paukte selbst chinesische Vokabeln und lebte sich immer besser ein – doch dann kam die Pandemie und veränderte alles. Nach acht der zunächst geplanten elf Monate musste er seine Mission coronabedingt abbrechen. Seine Geschichten hat er nun in dem Buch „China, Corona, Couch-Surfing – Notizen während eines Auslandsjahrs“ veröffentlicht.

Bereits Ende 2019, einige Woche bevor das Covid-19 in Deutschland zum ersten Mal nachgewiesen wurde, sorgte die Pandemie in China bereits dafür, dass das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen kam, wie Kruse anschaulich in einem seiner Artikel beschreibt: „Es ist 23.59 Uhr. Ich schaue zu meinem Kollegen Jona. Gleich ist es soweit: chinesisches Neujahr – das größte Festival des Jahres. 2020, das Jahr der Ratte, beginnt. Ich stehe im Zentrum des Reichs der Mitte, im Herzen Pekings, nur einen Steinwurf entfernt vom großen Mao-Porträt, das über dem riesigen Platz thront. Eine Minute vergeht. Dann erinnert mich mein Wecker daran, dass es so weit ist: Neujahr. Dort, wo sonst abertausende Chinesen feiern, braucht es einen Handy-Wecker, um diesen besonderen Moment nicht zu verpassen. Wir sind fast alleine auf dem Platz. Wir sehen nur fünf weitere Touristen und knapp 100 Polizisten. Kein Feuerwerk, keine Lichtershow, keine Musik. Dort ist nichts außer dem leisen Rauschen des nächtlichen Verkehrs. Der Coronavirus hat hier alles verändert.“

Kruse war in China, als die ersten Fälle des neuartigen Virus bekannt geworden sind. Er musste selbst in Quarantäne und später früher als geplant seine Koffer packen. „Das war natürlich nicht leicht damals, aber ich habe auch sehr viel aus dieser Zeit mitgenommen. Ich habe über mein Leben nachgedacht und hatte viel Kontakt zu meinen Mitfreiwilligen und den Menschen dort. Zum Glück konnte ich trotz der Pandemie viele Orte bereisen. Ich glaube nicht, dass ich viel verpasst habe. Schade war der verfrühte Abschied aber trotzdem, doch nun freue ich mich umso mehr, eines Tages wieder dorthin zu fliegen. Meine Eltern hatten ja einen Besuch geplant, der dann leider ausgefallen ist. Die werde ich also mitnehmen“, berichtet Kruse.

Er hat erlebt, wie unterschiedlich die Menschen in China und Deutschland mit der Situation umgehen. „Der größte Unterschied ist die Mentalität der Menschen. In China hatten die Bürger die Maßnahmen hingenommen und nicht groß gemeckert, als ein Lockdown ausgesprochen wurde. Aber auch die Quarantäne ist sehr unterschiedlich – hier gibt es niemanden, der vor der Tür steht und aufpasst, dass du das Haus nicht verlässt. In der Region, in der ich eingesetzt war, gab es keinen Coronafall. Dort herrscht inzwischen Normalität. Die Geschäfte sind geöffnet und auch Reisen ist erlaubt. Allerdings muss man mit seinem Smartphone an vielen Stellen einen QR-Code scannen, um sich zu registrieren“, berichtet Kruse, der immer noch regelmäßigen Kontakt zu Menschen hat, die er dort kennengelernt hat.

Nachdem er vorzeitig seinen Freiwilligendienst beendet hatte, kam nach mehreren Auswertungsgesprächen mit dem Freiwilligenreferat und dem Ostasienreferat der Nordkirche die Idee auf, die Rundschau-Berichte als Buch herauszubringen, um Interessierten, Freunden, Verwandten und auch zukünftigen Freiwilligen einen Einblick in seine Erlebnisse während Freiwilligendienstes zu geben.

Der 19-Jährige, der inzwischen ein duales Studium Betriebswirtschaftslehre bei Fricke Landmaschinen in Heeslingen macht, beschreibt in dem Buch chronologisch seine persönlichen Eindrücke. Die Pandemie ist im letzten Drittel einen Schwerpunkt – Kruse geht vorher auf die Kultur und das Leben der Menschen vor Ort ein, dass sich zum Teil stark von dem hierzulande unterscheidet.

Der Rotenburger beleuchtet auch die Schattenseiten, schreibt über Schläge als „Erziehungsmethode“. „Körperliche Gewalt in der Schule und in Familien ist aber eher die Ausnahme und wird zunehmend verpönt“, erklärt Kruse.

Das Abenteuer China hat ihn verändert. Der Student ist gereift und selbstständiger zurückgekehrt. „Ich bin dankbarer dafür, hier zu leben. Ich weiß beispielsweise nicht, ob ich in das chinesische Schulsystem gepasst hätte. Der frontale Unterricht sollte dort zu einem interaktiven Unterricht werden, mündliche Noten sollten eingeführt werden. Die Zeit als Lehrer war für mich sehr interessant. Ich sehe diesen Beruf nun mit ganz anderen Augen und weiß, wie viel Aufwand dahinter steckt. Umso unwohler ist mir heute im Studium, wenn kein Schüler auf eine Frage des Professors reagiert – denn ich weiß nun, wie doof es ist, da vorne zu stehen“, sagt Kruse und lacht.

• „China, Corona, Couchsurfing – Notizen während eines Auslandsjahres“ ist im Verlag Zentrum für Mission und Ökumene erschienen, ISBN 978-3-9822897-0. Das Buch ist in Rotenburg für fünf Euro bei Buchhandlung Müller erhältlich.

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