Aaron Kruse aus Rotenburg reist quer durch China / Nächster Halt: Peking

Handfeste „Schülerbändigung“

Ein beeindruckender Anblick: Die Terrakotta-Armee im chinesischen Xiu2019an.
 ©Foto: Aaron Kruse

Rotenburg/Wenxian (db). Der 18-jährige Rotenburger Aaron Kruse tauscht die Schulbank gegen das Lehrerpult. Der frisch gebackene Abiturient unterrichtet elf Monate im Rahmen des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes Weltwärts Englisch an der No. 1 Senior High School in Wenxian (China). In der Rundschau berichtet Kruse alle zwei Wochen über das, was er dort erlebt.

Der Wecker klingelt – er reißt mich aus dem Schlaf. Es ist soweit: Der lang ersehnte Urlaub steht vor der Tür. Knapp zwei Monate werde ich kreuz und quer durch China reisen, vom hohen Norden bis zur Südküste und dann Richtung Westen in die Ausläufer des Himalayas. Noch alle Ladekabel einpacken, meinen 75-Liter-Rucksack auf den Rücken hieven und den Bus erwischen. Dort ereilt mich der Anruf eines Kollegen: Das lang ersehnte Weihnachtspaket meiner Eltern mit Winterjacke und Keksen ist drei Wochen verspätet eingetroffen. Es gibt also Weihnachtskekse kurz vor Ostern.

Zunächst geht es für mich über Guangyuan nach Xi´an, in die ehemalige Kaiserstadt. Nach knapp 500 Kilometern komme ich mit meinem Kollegen Jona in der Millionenstadt an. Mit zwei weiteren Freiwilligen ziehen wir weiter in das muslimische Viertel und lassen den Abend bei „Street-Food“ und Billardspiel ausklingen.

Am nächsten Morgen geht´s früh raus. Wir besuchen die vier Kilometer lange alte Stadtmauer, die die gesamte alte Innenstadt umspannt. Für einen „schmalen Taler“ können wir uns Fahrräder ausleihen und für drei Stunden bei eisiger Kälte auf der Mauer entlangfahren: Ein wirklich großartiges Erlebnis, denn zur einen Seite hin schauen wir auf die Altstadt mit Tempeln und alten Bauwerken und auf der anderen Seite wird uns die Aussicht schon fast gänzlich versperrt durch hunderte von Hochhäusern.

Am Abend beziehen wir mit später angereisten Freunden zu siebt eine AirBnB-Wohnung außerhalb von Xi´an. Wir besuchen in den folgenden Tagen Parks, Pagoden (traditionelle chinesische Türme) und die alte Moschee im Herzen der Stadt. Ein echtes Highlight stellt für mich der Besuch der recht nahegelegenen berühmten Terrakotta-Armee dar. In vier großen Hallen stehen hunderte Soldaten in Reih und Glied, ein jeder einzigartig von Menschenhand gestaltet. Imposant. Leider hat das große Museum fast ausschließlich Informationen auf Chinesisch, somit bekomme ich zwar viele Scherben und Steine zu sehen, kann damit aber nichts anfangen.

Am nächsten Tag geht es 1.300 Kilometer in Richtung Osten. An der Küste ist ein Zwischenseminar unserer chinesischen Partnerorganisation Amity geplant. Wir machen uns mit einem Nachtzug auf den Weg und erleben eine abenteuerliche Nacht: Inmitten vieler Chinesen versuche ich auf einer winzigen Pritsche direkt unter dem Dach bei allerlei Rüttelei und Geschnarche zu schlafen. Zuvor hatte gefühlt jeder einen gigantischen Beutel mit Reiseproviant herausgekramt und ließ es sich bei allerlei Reiswein, Bier und Instant-Nudeln gut gehen.

Nicht wirklich ausgeschlafen und mit mittelmäßiger Laune kommen wir am nächsten Morgen im Zielort Suzhou an, der für seine vielen Gärten bekannt ist. Dort treffen wir die weiteren Freiwilligen und zum Glück ist das Hotel äußerst schick.

Neben den Freiwilligen sind dorthin auch die Schulleiter aller teilnehmenden Schulen eingeladen. Zwar ist keiner „in persona“ gekommen, allerdings lassen sie sich durch andere Lehrer vertreten. Gemeinsam mit ihnen tauschen wir uns über unsere Erfahrungen aus und arbeiten an Verbesserungsvorschlägen. Dazu gehören verschiedene Methoden der „Schülerbändigung“. Während die Lehrer der städtischen Schulen dabei vermehrt auf Extraaufgaben setzen, meint die Lehrerin meiner Schule, dass man die Schüler im Fall der Fälle eben schlagen müsse.

Daraufhin geht ein Raunen durch den Raum und mein Mitfreiwilliger und ich wissen nicht so recht, wie wir mit dieser Situation umgehen sollen. Lust auf eine Grundsatzdiskussion in Sachen Bildungssystem haben wir jedenfalls nicht.

Zwischen den Einheiten besuchen wir die besten Restaurants, die Suzhou zu bieten hat, und ich fühle mich fast wie im Schlaraffenland. So viel Luxus bin ich wahrlich aus WenXian nicht gewöhnt.

Am vierten Tag reist das Schulpersonal ab und wir Freiwilligen bleiben mit zwei Amity-Mitarbeitern zurück. Im kleineren Kreis verarbeiten wir in intensiven Arbeitsphasen das Erlebte und stecken uns Ziele. An den Nachmittagen besuchen wir die alte Kanalstadt von Suzhou und erarbeiten Videos für nachfolgende Freiwillige.

Auch der Besuch eines für sein „Feng-Shui“ in ganz China bekannten Gartens steht auf dem Programm. Auch wenn ich diesen, vielleicht auch bedingt durch die Jahreszeit, nicht wirklich schön finde, scheint er besonders ausgeglichen zu sein, eben: Feng-Shui.

Daher lockt er auch tausende Chinesen nach Suzhou. Noch am selben Abend gehen wir anlässlich unseres „Bergfestes“, die Hälfte meines Freiwilligendienstes ist vorüber, Pizza essen. Zwei Portionen und ein Vanille-Eis später sitze ich, bis zum Anschlag gefüllt, im Restaurant und bereue meine allzu „großen Augen“.

So schnell das Seminar begonnen hat, so ist es dann auch schon wieder vorbei und der Abschied steht an. Wir alle treten unsere Urlaubsreise in die verschiedenen Teile Chinas an. Mir fällt dieser Abschied zum Glück aus lauter Vorfreude nicht allzu schwer. Bei unserem nächsten gemeinsamen Treffen heißt es dann allerdings schon: Abschied von China nehmen – kaum vorstellbar. Aber das ist ja noch lange, lange hin.

Als ich im Schnellzug in Richtung Beijing (Peking) sitze, freue ich mich auf die nächsten Etappen meiner Reise und die vielen bevorstehenden Erlebnisse: Aber dazu dann ein anderes Mal mehr.

• Wer Weltwärts unterstützen will, meldet sich per E-Mail an aaron.kruse@yahoo.com oder telefonisch bei Vater Niels Kruse unter 0170/2227356. Spender erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

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