Ein Kollege aus Walsrode brachte mir in meiner Zeit als Lehrerin in Verden eine Zusammenstellung von Radwanderwegen aus dem Aller-Leine-Tal mit, die meinem Mann und mir eine Reihe von Erkundungen in einer nicht so vertrauten Region ermöglichten.
Mir waren schon häufiger beim Kartenstudium der Verdener Umgebung Spuren der kurzen, intensiven Blütezeit des Kaliabbaus im Aller-Leine-Tal aufgefallen, der mit dem Fortfall des deutschen Kalimonopols nach dem Ersten Weltkrieg weitgehend beendet wurde. In einem Sonderband der Rotenburger Schriften von 1971 verwies der Geologe Hans-Dietrich Lang darauf, dass Nordwestdeutschland über viele Kalisalzstätten verfüge, die leicht zugänglich wären wie jene in Wahnebergen im Aller-Leine-Tal bei Verden und deshalb andere, schwerer verfügbare wie die im Altkreis Rotenburg nicht genutzt würden, erwähnte aber Salzquellen am Pferdemarkt in Rotenburg und in der Wümmeniederung nahe der Ahauser Mühle. Kartenstudien von Flurnamen in dem Ahauser Bereich zeigten tatsächlich ein Flurstück, das „Beim Soltborn“ heißt. Die Salzquelle wurde schon 1875 erwähnt, weil die den Verhältnissen angepasste Vegetation auffiel, zum Beispiel Salz-Dreizack (Triglochin maritima), auch Röhrkohl genannt. Eine neuere Veröffentlichung aus dem Jahr 2017 verdichtete aufgrund aufwendiger Untersuchungen die schon länger diskutierte These, dass die Quelle sich aus der Salzsenke des Holtumer Moors bediente, die durch Auswaschungen des Wedehofer Salzstocks entstand.
Satzstrukturen entstanden vor Millionen von Jahren durch kontinentale Binnenmeere, deren Verbindungen mit dem offenen Weltmeer mal mehr oder weniger verengt waren. In Zeiten breiter Öffnungen floss viel salzhaltiges Meereswasser in die Binnenmeere, das anschließend verdunstete. Die Binnenmeere versalzten dann so, dass Salz ausflockte. In unserem Bereich lassen sich bis zu vier solcher ausgeflockten Schichten nachweisen. Sie sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Überschreiten die Schichten eine bestimmte Mächtigkeit, können neue Strukturen entstehen wie aufgewölbte Salzschichten oder Salzstöcke mit pilzartig emporragenden Säulen, die eine Höhe von bis zu zehn Kilometer erreichen können. Salzstöcke fallen im Landschaftsbild auf, wenn darüber lagernde Gesteine an ungewöhnlicher Stelle nach oben gedrückt werden, wie bei den Segeberger und Lüneburger Kalkbergen. In Lüneburg wurde das unter dem Kalkberg liegende Steinsalz sogar seit dem Mittelalter bis Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wirtschaftlich genutzt. Das hatte zur Folge, dass über dem ausgebeuteten Salzstock gewaltige Senkungsgebiete entstanden und vor allem am Senkungsrand Gebäude abgerissen werden mussten. Der Salzstock Wedehof, dessen Salzschicht schon in 200 Meter Tiefe beginnt, wurde nie genutzt. Trotzdem gibt es hier ein rund 20 Meter tiefes Senkungsgebiet von sechs Quadratkilometern, das Holtumer Moor. Die Salzsenke Holtum-Geest, wie das Senkungsgebiet korrekt genannt werden müsste, bildete sich vermutlich schon vor über zwei Millionen Jahren. Der Senkungsprozess vollzog sich während der gesamten, vorletzten Eiszeit, weil Oberflächenwasser den Salzstock auslaugte. Und nun wird es spannend: Die im Jahre 2017 mit geophysikalischen Methoden durchgeführte Untersuchung der Ahauser Salzquelle gab Hinweise darauf, dass der Salzstock Wedehof sein Ablaugungswasser in die Wümmeniederung abgibt und den „Soltborn“, die Salzquelle speist. Der Grund dafür ist die Schmelzwasserrinne einer noch älteren Eiszeit, die den Salzstock schneidet. In Norddeutschland gibt es viele Salzstellen, deren Quellen sich aus Ablaugungsprozessen von Salzstöcken ergeben oder ergaben. So berichten alte Dokumente beispielsweise von einer salzhaltigen Quelle in der Nähe Hesedorfs bei Bremervörde, den Hilgenborn. Heilende Wirkung bei Augenleiden wurden dieser Salzquelle nachgesagt und 1939 erfolgte eine Unterschutzstellung. Mittlerweile ist dieser Soltborn jedoch weitgehend versiegt, und wer sich heute gegenüber dem Forst Stüh auf die Suche nach dem Überrest des Hilgenborn rechts der K 127 von Hesedorf aus kommend macht, wird enttäuscht: Die ehemalige Heilquelle gleicht heute eher einem tief gelegenen, nicht genutzten Gelände am Rande von Ackerflächen als einem Heil bringendem Soltborn. Einen guten Einblick in die Wedehofer Salzsenke gewährt dagegen das Everser Horn. Vom Naturschutzgebiet Wolfsgrund aus führt ein barrierefreier Wanderweg rund um das Everser Horn, einem Geestrücken. Von diesem Wanderweg zweigt im Süden ein nicht befestigter Weg in das Holtumer Moor ab. Ihm etwas gegenüber führt ein Feldweg auf den Geestrücken. Von seiner Höhe aus bietet sich mit gut erkennbaren, urgeschichtlichen Grabhügeln im Rücken ein weiter Blick über die tiefer gelegene Salzsenke des Salzstocks Wedehof.