Lichtliebend und anspruchsvoll: Blüte mit eigenem Spielfeld - Von Christiane Looks

Schachmatt für Schachblume

Bereit zum Spiel: Schachblumen. Fotos: Joachim Looks
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Eversen. Es war Vernunft, die unsere Elternpaare nach einem halben Jahrhundert an der Kieler Förde veranlasste, sich von der Ostseeküste zu verabschieden und an den nördlichen Rand der Lüneburger Heide zu ziehen. Vor allem meinem Schwiegervater fiel es nicht leicht, sich vom Meer zu trennen, hatte es ihn doch seit frühester Kindheit begleitet und den Wunsch gefördert, zur See zu fahren, ehe der Zweite Weltkrieg diesen Wunsch zerstörte.

Übrig blieb die gern genutzte Chance, sonntags bei strahlendem Sonnenschein begleitet von Möwen mit dem Kieler Fördedampfer bis zum kleinen Fischerdorf Strande an der Außenförde und zurück zu fahren. Später ersetzte eine Fährentour im Bremer Norden zwar nicht Ostsee und den weiten Blick über das Meer, dafür gab es nach dem Übersetzen mit der nördlichsten Weserfähre bei Farge auf einer ehemaligen Flussinsel namens Juliusplate, ein Naturschauspiel zu sehen, das auch ihn beeindruckte: auf einer Fläche, fast so groß wie zehn Fussballfelder, wuchsen größere Bestände der sehr seltenen, unter Naturschutz stehenden Schachblume.

Schachblumen (Fritillaria meleagris), auch Schachbrettblume oder Kiebitz-Ei genannt, gehören zur Familie der Liliengewächse. Im zeitigen Frühjahr treibt die Pflanze aus einer Zwiebel einen 15 bis zu 40 Zentimeter unverzweigten, fast runden Stängel aus, an dem sich drei bis acht lineale Blätter bilden. Im April und Mai entwickeln sich glockenförmige, purpurfarbige oder weiße Blüten, meistens eine, selten auch mal zwei. Die sechs Blütenblätter sind schachbrettartig gefleckt. Bei der purpurfarbigen Variante ist dies gut zu erkennen. Aber auch die völlig weiße Form zeigt noch schwach die entsprechende Musterung.

Die hübsche, lichtliebende Blume ist anspruchsvoll. Sie wächst in spät, das heißt nicht vor Juli gemähten Feuchtwiesen und bevorzugt nassen Lehm- oder Tonboden, der nicht so nährstoffreich, neutral bis leicht sauer und luftarm sein sollte. Die Pflanze hat auch nichts dagegen, wenn ihr Standort wie auf der Juliusplate überschwemmt. Trockene Sommer mag sie dagegen gar nicht.

Die Schachblume ist ein Relikt der letzten Eiszeit. Ob sie überlebte und gegebenenfalls wie, ist nicht bekannt. Aber sie tauchte im Verlauf des 16. Jahrhunderts wieder auf. Als älteste, farbige Abbildung gilt eine Darstellung aus dem Jahre 1574 im Gebetsbuch des bayrischen Herzogs Albrecht V. Wenig später stellte der Biologe Daleechamps die These auf, die Pflanze stamme aus den Gärten der Mönche vom Berg Athos. Im 17. Jahrhundert wurde die Blume dann zur beliebtesten Zierpflanze in Barockgärten und spielte in der niederländischen Blumenmalerei eine große Rolle. Ein frühes Beispiel ist hierfür ist ein Stillleben, das zwischen 1600 und 1603 in den Niederlanden entstand und Schachblumen, Akeleien, Jungfer im Grünen, Maiglöckchen, Rosen, Stiefmütterchen sowie eine Tulpe zeigt. 1736 wurden Schachblumen in England wild nachgewiesen und gegen Ende des 19. Jahrhunderts sollen sie aus alten, flussnahen Gärten Deutschlands in die umgebende Natur verbracht worden sein. Aber da verschwand bereits das Interesse an der Blume.

Wegen ihrer unklaren Herkunft gab es lange Zeit Diskussionen um die aparte Schönheit. Einheimisch? Zugewandert? Eingebürgert? Egal, heute wächst sie wild in Flussauen, Feucht- und Nasswiesen oder Auwäldern, ist aber durch Eingriffe in ihre Feuchtbiotope, Düngung sowie zu frühes Mähen extrem bedrängt und droht auszusterben, weil Deichbau und Gewässerschutz zusätzlich eine Verbreitung durch Überschwemmungen erschweren. Da lohnt es, sich daran zu erinnern, dass die Schachblume einst eine beliebte Gartenpflanze war und ohne Schwierigkeiten auch heute im Gartenhandel für das eigene Grundstück erworben werden kann. Sie ist zwar giftig, und vor allem ihre Zwiebeln sollten nur mit Handschuhen am vorgesehenen Platz gesetzt werden, dafür erfreut die botanische Kostbarkeit am passenden Standort. Am wirkungsvollsten hierfür ist eine Gruppenpflanzung.

Ist die Schachblume erst einmal im Garten heimisch geworden und fühlt sich dort wohl, begleitet sie ihre Neubesitzer völlig unkompliziert. Wir haben in unserem Garten an zwei Stellen Fritillaria meleagris gepflanzt und trotz eigentlich nicht geeigneter Bodenverhältnisse (eine eiszeitliche Beckenranddüne hat wenig Gemeinsamkeiten mit einer nassen, teilweise überschwemmten Flussaue…) vermehrt sich der hübsche Frühlingsblüher langsam aber beharrlich. Es ist immer wieder eine Überraschung zu entdecken, wohin er sich jetzt wieder ausgesamt hat.

Und im Landkreis Rotenburg? Auch hier gibt es Schachblumenbestände, vor langem auf zum Verwildern angelegten, und in übrig gebliebenen feuchten Wiesen. Sie werden entsprechend gepflegt, damit sie nicht schachmatt gehen.

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