Landschaftspflege mal anders

Mit Büffel

Landschaftspfleger der anderen Art. Foto: Joachim Looks
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Landkreis Rotenburg – „Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen, Verwandtschaft hat man“. Mit diesem weisen Spruch pflegte meine Großmutter mütterlicherseits sich in ausufernden Familienklatsch einzumischen, wenn es aus ihrer Sicht unfair gegenüber nicht anwesenden Familienmitgliedern wurde. Achtete niemand auf ihre versteckte Warnung vor nicht zu duldender Lästerei, beendete sie ohne lange zu zögern resolut entsprechendes Tun mit der schneidenden Kritik: „Schluss! Ich mag keinen Tratsch, wenn Betroffene sich nicht wehren können!“ Das saß und augenblicklich wurde über anderes gesprochen.

In jeder Familie gibt es Exoten. In meiner großen und weit verstreuten Familie waren dies unter anderem Elfriede und Hermann. Sie wohnten auf einem Siedlungsgrundstück in dem Ort, den Theodor Storm als Altersruhesitz wählte. Sie hielten nicht nur Hühner, die sich unter den Bäumen der Streuobstwiese als natürliche Schädlings- und Krankheitsbekämpfer bewährten, sondern ebenfalls einige Schweine, die ab Ende Oktober bis zur Frühjahrsbestellung den Gemüsegarten als zusätzlichen Auslauf nutzten.

In der Familie wurde dieser Einsatz naserümpfend diskutiert: Schweine im Garten – igitt! Und was die alles mit ihrer Wühlarbeit zerstörten – grauenhaft! Hermann und Elfriede dachten praktischer: Ihre Schweine ersparten ihnen schweißtreibende Arbeit. Statt mühsamen Umgrabens durch Menschenhand, durchwühlten nun fleißige Borstentiere den Boden, vertilgten Unerwünschtes und düngten zukünftige Gemüsebeete wirkungsvoll, wie prächtige Ernten jedes Jahr von neuem belegten.

Nutztiere wurden lange Zeit nicht in Ställen gehalten. Wenn schon Wohnraum für Menschen knapp bemessen war, galt dieses selbstverständlich erst recht für Stallgebäude. Außerdem war es viel zu aufwendig, Tiere aufgestallt zu versorgen. Glücklicherweise sind alte Haustierrassen bei Weitem nicht so empfindlich, wie es die heutigen, modernen sind. Ihre Robustheit ertrug auch ungünstigere Bedingungen.

Ein Bekannter, bekennender Anhänger von Wollschweinen, schwärmte geradezu von dieser alten ungarischen Schweinerasse, die sich nicht nur hervorragend zur begehrten, mit einer weißgrauen Edelschimmelschicht überzogenen Wintersalami verarbeiten lässt, sondern ganzjährig im Freien gehalten werden kann, zutraulich ist und auch nichts gegen ein Streichen über das mit Unterwolle und lockigen Borsten versehene Haarkleid hat.

Schweine und Ziegen wurden früher häufig eingesetzt, um Land urbar zu machen. In Buschland getrieben, roden Schweine ein Gebiet so gründlich, dass wenig übrig bleibt und eine Basis für Neues entsteht. Ziegen schälen Bäume, die daraufhin absterben, und verhindern auf diese Weisen ein Nachwachsen neuer Bäume. Das macht sie in bestimmten Bereichen zu wertvollen Landschaftspflegern, da sie auch nicht vor stacheligen und mit Dornen versehenen Büschen zurückschrecken. Problemlos stellen sie sich auf ihre Hinterbeine, erreichen Fressenswertes bis zu einer Höhe von zwei Metern, klettern gegebenenfalls sogar in geeignete Büsche und Bäume, um von dort oben Begehrenswertes zu erreichen.

Schafe sind traditionell die beliebtesten Landschaftspfleger. Laut mähend mähen sie Grünland als natürliche Rasenmäher und verdichten mit ihren Klauen den Boden, wodurch er wie gewalzt wirkt und sich wühlmausfrei entwickeln könnte – idealerweise…

Weniger häufig werden Pferde zur Landschaftspflege eingesetzt. Sie vertragen zwar schwer verdauliche Grasarten, und mit Exmoor-Ponys, Dülmener, Heckpferden, Koniks, Przewalski-Pferden und anderen gibt es eine hinreichend große Auswahl zur Landschaftspflege geeigneter Pferderassen, ihr Einsatz ist aber deutlich anspruchsvoller als der von Schafen. Da hilft es auch nicht, dass ihr Bedürfnis, sich zu bewegen oder ausgiebig auf trockenem Boden zu wälzen Chancen für neue Mini-Biotope schafft, die ihre kleineren Landschaftspflegekollegen nicht im Angebot haben.

Rinder werden noch nicht sehr lange bewusst als ausdauernde Landschaftspfleger eingesetzt. Sie ergänzen gut landschaftspflegende Pferde. Während diese, wie eben erwähnt, durch Wälzen neue Mini-Biotope schaffen, erweitern Rinder durch offene Trittstellen andere Mini-Biotope. Im Fokus aktueller Landschaftspflege in nasser Landschaft stehen asiatische Wasserbüffel. Sie schaffen durch Wälzen auf feuchtem Boden Suhlen und erweitern so die Palette neu geschaffener Mini-Biotope. Büffel-Suhlen sind oft so groß, dass glatt ein ausgewachsener Büffel hinein passt, der sich genüsslich hin und her wälzen kann. Schweine könnten sich in diesen Suhlen glatt an erste Schwimmbewegungen heranwagen.

Neugierig auf vierbeinige Landschaftspfleger geworden? Im Landschaftsschutzgebiet Elmer Berg werden seit 2019 Wasserbüffel zur Pflege eingesetzt. Ihr Einsatzgebiet ist vielfältig: In den Rohrglanzgrasflächen an der Oste legen sie durch Tritt Schneisen an, die von anderen Tieren genutzt werden, und reißen mit ihrer rauen Zunge Pflanzen so ab, dass Lebensräume für verschiedene Vogelarten geschaffen werden. Außerdem halten die Exoten Tümpel offen, worüber sich Libellen und Amphibien freuen, bewahren Heideflächen auf dem Reethwiesenberg außerhalb der Feuchtwiesen vor Verbuschung sowie einer Vergreisung der Heidepflanzen, und geben Magerrasen nordöstlich der Heide seine steppenartige Grasflur zurück.

Wie wird das Landschaftsschutzgebiet Elmer Berg erreicht? Auf der B 74 zwischen Bremervörde und Elm vor Elm links in den „Torfweg“ einbiegen. Ihn bis zum Ende durchfahren und wiederum links in die Straße „An der Oste“ abbiegen. Nach ungefähr 450 Metern wird das Landschaftsschutzgebiet erreicht. Es ist durch Spazierwege, Bänke und Informationstafeln erschlossen. Stabile Zaunanlagen und zeitweilig gesperrte Wege zeigen: Hier wird gearbeitet: Die vierbeinigen Landschaftspfleger sind am Werk. Bitte nicht stören!

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