Landschaft macht nicht an den Rändern der Landkreise Halt - Von Christiane Looks

Grenzübergreifend

Großer Auftritt: Waldrand am Großen Everstorfer Moor. Foto: Joachim Looks
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Kalbe. Eine Wanderwegebeschreibung aus dem schon lange vergriffenen Wanderbuch des ehemaligen Rotenburger Heimatbundes verwies bei einer Wanderung linksseitig der Veerse zwischen Deepen und dem heute im Heidekreis liegenden Hof Riep darauf, dass die urkundlich belegte Grenze ein alter Grenzgraben zwischen dem Bistum Verden und dem Freibann Neuenkirchen sei.

Weil sich diese Grenze bei der Wanderung als ziemlich unspektakulär ohne Schlagbaum und Zollhäuschen präsentierte, schaute ich mir nach der Tour aus Interesse auf einer entsprechenden Karte den genauen Grenzverlauf an. Der überraschte, verlief er doch etwas unkoordiniert durch ein Gebiet, das im 18. Jahrhundert Deepener und Rieper Moor sowie Wedenbruch umfasste. Dieser Bereich war mir zuvor schon mal bei einem Kartenstudium aufgefallen, weil ein auf dem Kartenblatt etwas merkwürdig wirkender, befestigter Weg von Deepen zum Rieper Moor verlief, der drei Höfe über ungewöhnlich rechtwinklige Straßenstücke verband, so als hätte jemand zur Abwechslung mal eine treppenähnliche Straßenverbindungslösung gewählt. Dieses Wegeunikum verläuft nach dem letzten Hof unmittelbar entlang der Kreisgrenze zwischen den Landkreisen Rotenburg und Heidekreis, überspringt die K 37 zwischen Ostervesede und Lünzen und schlängelt sich dann in einer nicht so ganz nachvollziehbaren Weise mal geradeaus, dann nach links oder rechts schwenkend, irgendwelche natürlichen Gegebenheiten für eine Abgrenzung wie Wasserläufe ignorierend durch die Siedlung Großenwede, in der von den neun dort nach dem ersten Weltkrieg entstandenen Siedlungsstellen sieben zum Heidekreis und zwei zum Landkreis Rotenburg gehören, bis heute.

Schulisch gesehen hätten die Siedlungskinder in Großenwede beschult werden müssen, wogegen die Gemeinde sich aber wegen befürchteter, kostspieliger Baumaßnahmen wehrte. Die Debatte darüber endete, als sich die für das Siedlungsgebiet zuständigen Landkreise Soltau, Rotenburg und das alle Teile des Siedlungsverfahrens begleitende Kulturamt in Uelzen darauf verständigten, dass eine Beschulung über die Landkreisgrenze hinweg in Fintel erfolgen sollte.

Geschichte? Sicher, Probleme rund um die Siedlungsgründung im Wedenbruch sind gelöst. Aber Schwierigkeiten, die historisch begründete Grenzziehungen oder natürliche Gegebenheiten bereiten, bestünden bis heute, wenn es nicht den Willen zur Überwindung gäbe. Lange Zeit zerfiel der Harz in zwei Teile, dessen westlicher Teil zur Bundesrepublik und dessen östlicher zur DDR gehört hatten. Heute sind beide Teile im Nationalpark Harz vereint und gemeinsam können bundesländerübergreifende Waldprobleme wie Borkenkäferbefall wirkungsvoller angegangen werden, als wenn Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in ihrem Teil unkoordiniert handelten.

Und hier? Im Naturschutzbereich ist es schon lange üblich, bei der Ausweisung von Schutzgebieten mit beteiligten Nachbarkreisen zusammenzuarbeiten. Im Großen Everstorfer Moor südlich der Autobahn A 1 zwischen Sittensen und Heidenau gehören beispielsweise 370 Hektar zum Landkreis Harburg und 100 Hektar zum Landkreis Rotenburg, selbstverständlich ohne Schlagbaum und Zollhäuschen. Während das Zentrum des Harburger Teils vom noch vorhandenen Moorkörper geprägt wird, fällt im nordwestlichen Rotenburger Bereich ein Waldgebiet mit besonders schönem Waldrand auf. Es kann gut von Kalbe aus erreicht werden, wenn im Ort der „Bahnhofsstraße“ nach Nordwesten Richtung Autobahn A 1 gefolgt wird. Am Ortsende geht es dann rechts in die „Lohstraße“ und weiter immer geradeaus bis zu einem landwirtschaftlichen Betrieb auf der linken Seite. Kurz hinter ihm zweigt nach rechts ein befestigter Weg ab. Ihm ein kleines Stück folgen. Von rechts nähert sich bald ein mit Bäumen bestandener Feldweg, an dessen Einmündung in die Straße eine Informationstafel zum Fuchs steht, die zu einem Wanderweg gehört, der in der Kalber Feldmark Interessantes zu Bäumen und Tieren vermittelt. Ihm nach links folgen. Er führt in das Rotenburger Waldgebiet des Großen Everstorfer Moores und endet an der Autobahn. Beim Eintritt in den Wald lohnt ein Blick nach rechts, denn selten gibt es die Chance, einen solchen Waldrand genießen zu dürfen.

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