Henning Scherf brilliert als Vortragsredner vor vollem Haus

„Selbstbestimmt leben“

Der Bremer Alt-Bürgermeister Henning Scherf fand in Oyten interessierte Zuhörer. Foto: Elke Keppler-Rosenau
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Oyten. Jeder kennt ihn, jeder mag ihn, auch lange nach seinem Ausscheiden aus seinem Amt als Bremer Bürgermeister. Das stellte Henning Scherf kürzlich einmal mehr unter Beweis, als er von Oytens Bürgermeisterkandidat Heiko Oetjen (SPD) zu einem Vortrag über das Leben im Alter in den Alten Krug geladen war. Mehr als 50 Gäste, keineswegs nur ältere, waren gekommen, um aus berufenem Munde zu hören, wie man als älter werdender Mensch sein Leben mit Freude und Freunden gestalten kann.

Scherf, der in diesem Jahr 81 Jahre alt wird, erzählte dem interessiert lauschenden Publikum von seinem ganz speziellen Lebensmodell, dass er bereits im Alter von 50 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Louise entworfen hatte. Wie bei den meisten seiner Vorträge auf ein Redemanuskript verzichtend, verlegte er sich aufs bildhafte Erzählen. Alte, die mitten in der Gesellschaft bleiben, sich nicht zurückziehen und die Zeit bis zum Tod passiv abwarten, hätten große Chancen ein hohes Alter zu erreichen. Man müsse sich beteiligen, teilhaben und Antworten geben, wenn man gefragt werden würde. Ruhestand dürfe nicht stillstand bedeuten. „Alt werdende Menschen von heute wollen selbstbestimmt leben, Verantwortlichkeit nicht abgeben“, erklärte Scherf, der mit seiner Frau und Gleichgesinnten vor mehr als 30 Jahren ein ganz neues Lebenskonzept entwickelt hat. Sie verkauften ihre Häuser und suchten gemeinsam nach neuen Möglichkeiten, zusammen unter einem Dach zu leben, dennoch aber in eigenen Wohneinheiten Individualität zu bewahren. Im sogenannten „Viertel“ wurde man fündig. Ein geräumiges Haus mit großem Garten und viel Grün in einer Eigentümergemeinschaft wurde umgebaut, instandgesetzt und für die individuellen Bedürfnisse hergerichtet. Eine Alten-WG entstand, die die Bewohner zu ihrem Steckenpferd gemacht haben.

„32 Jahre ist es her, dass wir eingezogen sind und ich muss sagen, es war eine überaus lehrreiche, produktive und erfüllende Zeit. Ist es bis heute. Damals wurden wir belächelt. Heute aber ist deutlich, dass die Gesellschaft einen Wandel durchmacht, dass alternde Menschen nicht abgeschoben werden wollen, obwohl es ja ständig stattfindet“, erzählte Scherf und gab viele Details und Interna preis.

Es gab Krankheits- und Todesfälle, die von der Gemeinschaft begleitet wurden. Es konnten Sterbeerfahrungen gemacht werden, was die WG in ihrem Gefüge bestärkt habe. Auch viele junge Menschen würden zum erweiterten Bereich gehören. Kinder, Enkel, bei manchen sogar Urenkel. Es seien mehrere Gästezimmer vorhanden und zu Weihnachten sei die Besucherzahl oft mehr als 20 Personen stark.

Dann würde gekocht, gesungen, gespielt, geredet, eine Großfamilie eben, nur größer, als man es sonst kennen würde. Im täglichen Leben der WG mit einem gemischten Altersdurchschnitt, in dem produktiven Mix aus Generationen seien die Themen des Alters nicht mehr so vordergründig. Es gäbe regelmäßige Gemeinschaftsessen, bei denen sich auch die Männer als Koch einbringen würden, natürlich nachdem sie persönlich auf dem Markt alles dafür Erforderliche eingekauft hätten.

Hausfrauliche Dinge und die der Versorgung seien nicht mehr ausschließlich auf den Schultern der Frauen gelastet. „Ich habe noch kochen gelernt und glauben Sie mir, es macht Spaß“, sagte Scherf und schmunzelte.

An Todestagen Verstorbener fände ein Essen in gemütlicher Runde statt. Gekocht würde das, was der frühere Mitbewohner gerne gegessen habe. Als Erweiterung des WG-Lebens wurde ein zweites Domizil in der Eifel geschaffen und Ferienort sei das selbst ausgebautes Quartier an der Ostsee.

Zielsetzung des Zusammenlebens sei nicht nur, mit den Bewohnern untereinander auszukommen, sondern auch mit deren Umfeld, und so habe sich ein Kreis gebildet, dessen Lebenskonzept durchaus an die große Glocke gehängt werden sollte.

Scherf, Autor zahlreicher Bücher zum Thema „Alter“, absolviert mehr als 200 Lesungen pro Jahr.

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