Friedhofsverein und FDP kritisieren Ruheforstpläne in der Surheide

Asche zu Asche und Chrom zu Chrom?

In der Quelkhorner Surheide soll ein Waldfriedhof entstehen. Der Gemeinderat unterstützt das Ansinnen. Es gibt aber auch kritische Stimmen. Foto: Björn Blaak
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Quelkhorn. Waldbesitzer in der Quelkhorner Surheide tragen sich schon länger mit dem Gedanken, einen Teil ihres Areals in einen Ruheforst zu verwandeln. Im vergangenen Juni stellte Annekatrin Mensching, Fachreferentin Waldbestattung bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, dieses Ansinnen dem Fischerhuder Ortsrat vor. Im Januar stimmte der Ottersberger Gemeinderat mehrheitlich für das Vorhaben. Seit dem wird geplant, wie aus einem rund fünf Hektar großen Teil des Waldes zwischen den Straßen „An den Fuhren“ und „An der Surheide“ sowie in direkter Nachbarschaft zur Schützenhalle ein Ruheforst werden kann. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

Eine davon gehört Andreas Morgenroth, seines Zeichens Vorsitzender des Dachverbandes der Friedhofsvereine in Deutschland mit Sitz in Hamburg. Er bringt gleich mehrere Punkte, die einen Ruheforst in Quelkhorn in seinen Augen nicht sinnvoll erscheinen lassen, in die Diskussion ein. „Angesichts der weit über 100.000 zusätzlich geschaffenen Grabstellen im Raum Bremen stellt sich die Frage nach dem weiteren Bedarf sowie auch zur Nachhaltigkeit“, so der Diplom-Ingenieur gegenüber dieser Zeitung.

Warum ihn dieses Thema umtreibt, erklärt Morgenroth wie folgt: „Meine eigene Betroffenheit rührt aus meiner beruflichen Tätigkeit als Friedhofsberater sowie meinem Ehrenamt als Vorsitzendem des Dachverbandes der Friedhofsvereine. Wir vertreten die Interessen all derjenigen, die sich ehrenamtlich vielerorts um Traditionsfriedhöfe kümmern und sehen in der Ausbreitung der überwiegend als Franchising betriebenen Bestattungswälder auch als Gefährdung einer Kulturtradition.“ Er fügt hinzu: „Im vergangenen Jahr hat eine nationale Unesco-Kommission die Friedhofskultur in Deutschland auf die Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt.“

Zur Begründung heißt es seitens der Unesco: „Die Pflege der Friedhofskultur bildet auch einen aktiven Beitrag zum Denkmalschutz. Statisch bleibt die Friedhofskultur dabei in keinem Fall, wie die sich im Lauf der Zeit wandelnden Gestaltungskonzepte zeigen. Aktuell nimmt beispielsweise die Zahl der Urnenbestattungen zu und verändert damit nicht nur das Erscheinungsbild der Friedhöfe, sondern auch die gelebte Friedhofskultur.“ Für Morgenroth ein klarer Hinweis darauf, dass damit auch ihre Bedrohung herausgestellt werde.

„Meine Sorge liegt darin begründet, dass bei unzulänglicher Berücksichtigung kommunaler Risiken, aber auch von Umwelt- und Naturschutzbelangen, ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil zum Nachteil der Traditionsfriedhöfe im Einwirkungsbereich entstehen könnte.“ Hinzu kämen Verkehrsbelastungen zu Beisetzungen, Waldführungen und durch Hinterbliebenenbesuche auf zuvor weniger befahrenen Wegen und Anwohnerstraßen.

Mehr noch: Morgenroth findet, dass Waldbestattungsanlagen aufgrund ihrer besonderen Klimarelevanz nicht mehr in die Zeit passen: „Fahrten zum Krematorium, die Verbrennung dort, dann zum entfernt gelegenen Wald und spätere Hinterbliebenenreisen mit dem Pkw bedeuten unnötigen Verbrauch fossiler Energien.“

Und noch eine weitere Folge für die Umwelt liegt ihm schwer im Magen: Schwermetall. Ein Problem, auf das auch das Bundesumweltamt hinweist: „Humanaschen enthalten in unterschiedlichen Mengen Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Kupfer, Zink, Nickel, Chrom und Quecksilber. Des Weiteren enthalten Totenaschen anorganische Pflanzennährstoffe, wie Natrium, Kalium und Phosphor, welche mit den Urnen in die Unterböden von Wäldern eingebracht werden und den Nährstoffhaushalt der Standorte verändern können.“

Woher die Schwermetalle und Nährstoffe in Kremationsaschen kommen, weiß das Bundesamt auch: „Die Pflanzennährstoffe stammen aus den Körpern der Verstorbenen und gehen bei der Verbrennung in die Asche über.“

Für Schwermetalle in Kremationsaschen gäbe es dabei verschiedene Quellen. Zum einen würden Menschen im Laufe ihres Lebens Schwermetalle über die Nahrung oder die Atemluft aufnehmen, die sich bei der Kremation überwiegend in der Asche anreichern würden.

„Ebenso verhalten sich Schwermetalle aus dem Holz des Sarges und Kleidungsstücken wie chromgegerbtem Leder. Zum anderen gehen beim Kremationsprozess Schwermetalle von feuerfesten Bauteilen des Ofens in die Asche über.“ Und mit der Asche würden dann jene Stoffe den Weg in die Erde finden.

Nun kämen laut Bundesamt Schwermetalle auch schon ohne menschliche Asche im Boden vor. Wichtig allerdings sei die Konzentration. „Chrom, Kupfer und Zink zum Beispiel sind als essenzielle Spurenelemente lebensnotwendig für den Menschen, wirken allerdings schon in leicht erhöhten Konzentrationen schädigend auf den Körper. Ebenso kann es zu Schädigungen von Bodenorganismen oder Pflanzen kommen.“

In der Bundesbodenschutzverordnung seien deshalb Vorsorgewerte für verschiedene Elemente und Verbindungen festgehalten. Hinzu käme, dass Schwermetalle in das Grundwasser gelangen und sich so in der Umwelt ausbreiten können. „Besonders gefährlich sind hierbei anionische, also negativ geladene, Chrom(VI)-Verbindungen“, informiert das Bundesamt.

Morgenroth fordert daher, dass die Gemeinde dafür sorgen muss, dass der Betreiber des Bestattungswaldes entweder ausschließlich Totenaschen aus nachweislich chromfreien Öfen oder ausschließlich Edelstahlurnen beisetzt, oder als Alternative streng überwachte Limitierungen unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Chrom-Hintergrundwerte im Wald festsetzt.

Zusätzlich zu den Schadstoffen mache sich Morgenroth auch Sorgen um den allgemeinen Zustand des Waldes an besagter Stelle: Borkenkäferbefall, Rußrindenkrankheit, Buchenkomplexkrankheit und Waldbrandgefahr würden letztlich unkalkulierbare Risiken darstellen.

Doch nicht nur vom Friedhofsverein in Hamburg kommen Bedenken, sondern auch direkt aus dem Ort. Horst Köntges, beratendes Mitglied im Ortsrat Fischerhude, stellt auf der Homepage des FDP-Kreisverbandes Verden die Frage: „Sind Bestattungswälder ein Umweltrisiko?“

Er führt dazu aus: „Eine gesonderte Aufmerksamkeit gilt den Chrom-VI-Verbindungen, welche im Zuge des Kremationsprozesses entstehen und ein anderes Verhalten im Boden zeigen als die meisten anderen Schwermetallverbindungen. Chrom (VI)-Verbindungen sind zumeist krebserregend, erbgutverändernd und fortpflanzungsgefährdend und können Allergien, Asthma und Ekzeme verursachen. Darüber hinaus haben sie eine stark giftige Wirkung auf Wasserorganismen, können in Pflanzen zu einem gehemmten Wachstum von Wurzeln und Sprossen, sowie zum Absterben von Pflanzenteilen führen.“

Somit sei jede Kommune aufgerufen, vor der Entscheidung, einen Friedwald anzulegen, ein geologisches Gutachten einzuholen, und die Bodenbedingungen sehr genau zu prüfen, findet der FDP-Mann.

Gemeindebürgermeister Tim Willy Weber weiß das. Er teilt auf Nachfrage mit: „Es wird eine gutachterliche Aussage zur geologischen Beschaffenheit des Bodens erstellt werden. Diese wird voraussichtlich am 30. März im Umweltausschuss vorgestellt werden.“

Köntges bemängelt zudem: „Mit der Unterstützung der Landwirtschaftskammer dienen Friedwälder kommerziellen Interessen und richten sich gegen die traditionellen Gemeindefriedhöfe. Hier hat sich ein Schlachtfeld aufgetan, auf dem gegen die kommunalen und kirchlichen Friedhöfe gemeutert wird. Die Akteure sind das Bundesland gegen seine eigenen Kommunen. Mit den geschriebenen Unwahrheiten, unterschlagenen Tatsachen und Verharmlosen der offensichtlichen Gefahren wird die Bevölkerung bewusst getäuscht.“

Gegenüber der Rotenburger Rundschau wollte sich Ottersbergs Bürgermeister nicht zu den Anwürfen aus der FDP äußern.

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