Etwa 20 Teilnehmer debattieren über Zukunft des Fleckens - VON LISA DUNCAN

Bürger machen selbst Politik

Momentaufnahme: Von Jung bis Alt, vom Ortskern bis nach Quelkhorn u2013 in ausgewogener Zusammensetzung tagte am Wochenende der Bürgerrat Ottersberg. Die Teilnehmer waren zuvor nach einem Losverfahren ermittelt worden.
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Ottersberg – „Das sollte man etablieren und einmal im Jahr, mit jeweils anderen Bürgern, wiederholen“, sagt Ulf Schilling. Der 52-Jährige hat sich am Wochenende aktiv als einer von 20 Ottersbergern am Bürgerrat-Workshop des Projekts „Losland“ beteiligt. Mit seinem Fazit gibt er nicht nur seine Sicht wieder, sondern den „einhelligen Tenor“ der Teilnehmenden, erklärt der Bassener, der seit 26 Jahren in Ottersberg wohnt.

Zuvor waren 224 Bürgerinnen und Bürger per Melderegister ausgelost und angeschrieben worden. Alle, die Interesse bekundeten – eine Rücklaufquote von zehn Prozent ist in diesen Verfahren üblich – lud Bürgermeister Tim Willy Weber zur Teilnahme ein. Thema des Workshops war „Jung & Alt in Ottersberg“. Im Auftrag des Gemeinderats sollte der Bürgerrat Empfehlungen zu folgender Leitfrage erarbeiten: „Wie kann es gelingen, dass sich Kinder, junge Erwachsenen und Ältere heute und in Zukunft wohlfühlen in Ottersberg?“

Da die Fragestellung insbesondere auch die Sichtweise von Kindern anspricht, gab es neben dem Bürgerrat eine separate Zukunftswerkstatt mit einer vierten Klasse der Grundschule Posthausen. Die Kinder haben sich mit derselben Fragestellung auseinandergesetzt sowie Ideen und Empfehlungen erarbeitet.

Weber zufolge war in Ottersberg „bereits seit einiger Zeit von unterschiedlicher Seite über die Erprobung von Bürgerräten zur Erweiterung der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung nachgedacht“ worden. Dies wurde nun durch das Projekt „Losland“ möglich, das den Hauptteil der Kosten trägt. „Losland“ (www.losland.org) begleitet in ganz Deutschland zehn Kommunen bei der Umsetzung von Bürgerbeteiligungsprozessen zu Fragen der Zukunftsgestaltung. Im März hatte der Gemeinderat mit großer Mehrheit eine Teilnahme am Projekt beschlossen und aus seinen Reihen eine Steuerungsgruppe beauftragt, gemeinsam mit der Verwaltung und „Losland“ den Bürgerrat zu planen.

„Alle waren motiviert und wertschätzend. Die Mischung der Teilnehmer hat uns sehr zufriedengestellt“, berichtet „Losland“-Moderator Tom Leppert vom Bürgerrat-Workshop. Das traf etwa auf die Geschlechterverteilung und Altersstruktur sowie auf die Wohndauer im Ort zu: „Einige sind gerade zugezogen, andere wohnen seit 45 Jahren im Ort“, so Leppert. Zudem waren von Ottersberg-City bis Quelkhorn nahezu alle Ortsteile vertreten. Bei dem auf anderthalb Tage angelegten Arbeitsgruppentreffen habe zunächst jeder in vier Runden Gelegenheit gehabt, Ideen zur Fragestellung zu entwickeln und vorzustellen „und diese dann zu konkreten Handlungsempfehlungen umzuformulieren“, so Leppert. Diesen Prozess unterstützen die Moderatoren methodisch, etwa mit Flipcharts auf Stellwänden. „Dabei konnten wir den Teilnehmern die Angst nehmen, dass es eine unstrukturierte Laberrunde wird“, unterstreicht Leppert die Effizienz des Vorgehens. „Kern der Methode blieb dabei aber: Alle werden gehört.“

Dabei sei laut Schilling ein „bunter Reigen“ von Themen aufs Tapet gekommen, wie etwa Energieversorgung, die der Flecken bereits mit Nahwärme und mehr Windenergie angeht, aber auch die Schaffung eines echten Ortsmittelpunkts und damit auch mehr Gemeinschaftsgefühl, das im Ortskern weniger vorhanden zu sein scheint als unter den Einwohnern in den ländlicheren Bereichen des Fleckens, erzählt Schilling. In den Randgebieten, wie etwa Ottersberg-Bahnhof, herrsche dafür eine schlechtere Infrastruktur. Verkehr, Sicherheit und Verkehrsberuhigung bildeten einen weiteren Themenblock. Des Weiteren hätten die Teilnehmer über bauliche Maßnahmen und kulturelle Aktivitäten debattiert, ergänzt Leppert.

Am Ende haben sich sieben Hauptthemen herauskristallisiert, die am kommenden Mittwoch, 29. Juni, um 18 Uhr in der Wümmeschul-Aula von je zwei bis drei Teilnehmern vorgestellt werden. Während die Erwachsenen das Erarbeitete in Posterform darstellten, seien bei der Schülergruppe aus Posthausen „auch gebastelte Sachen herausgekommen“, schildert Moderator Leppert.

Ottersberg war übrigens der erste Ort von insgesamt zehn Bürgerbeteiligungen, die „Losland“ gerade bundesweit betreut. Als Nächstes sei unter anderem die Stadt Varel (Landkreis Friesland) an der Reihe. „Jeder Ort ist anders“, stellt Tom Leppert fest. Ottersbergs lokale Besonderheit sei etwa, dass sich der Bürgerrat hier gegen eine Online-Beteiligung entschieden habe.

In einer abschließenden Feedback-Runde hätten die Teilnehmer sich zufrieden geäußert: „Das hat mein Verständnis von Politik verändert“ oder „Ich fühle mich nun angekommen in Ottersberg“, schildert Leppert Beispiele der Reaktionen. Ulf Schilling lobt auch den Prozess von der Ideenfindung zur -ausarbeitung: „Das hat in allen Gruppen zu einem vernünftigen Output geführt.“ „Die Politik hat die Tür aufgemacht“ – diese Botschaft habe die Mitwirkenden erreicht.

„Die Bürger haben Empfehlungen formuliert. Jetzt kommt es darauf an, was aus den Empfehlungen gemacht wird“, formuliert der „Losland“-Moderator zusammenfassend.

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