Eversen. Die Mutter eines Kollegen hielt auf Bitten der Familie ihre Lebenserinnerungen fest und überlieferte auf diese Weise ein Stückchen Zeitgeschichte, das ich gerne las, erinnerte es mich doch an manches, was mir aus dem Dorf bekannt war, in dem ich aufwuchs. Der Kollegenvater übernahm 1946 eine Anstellung als Lehrer einer einklassigen Schule mit acht Jahrgängen und über 80 gleichzeitig zu unterrichtenden Kindern – heute unvorstellbar. Niemand wird dafür mehr ausgebildet. Volksschullehrkräfte waren lange Zeit auf sich alleine gestellt. Teamarbeit? Ein Fremdwort, nicht nur wegen des englischen Worts „Team“.
Während meiner Lehrerausbildung in den 1970er-Jahren wurde Entsprechendes bereits gefördert und Referendare ausdrücklich ermuntert, gemeinsam Unterricht vorzubereiten. Die Ausbildungsgruppe, der ich in der zweiten Ausbildungsphase zur Lehrerin angehörte, war so breit über das Bremer Stadtgebiet verstreut, dass bis heute bei Besuchen in Bremen und dem Umland damals erworbene Ortskenntnissen weiterhelfen, denn nicht immer fanden entsprechende Treffen in den jeweiligen Ausbildungsschulen oder im Studienseminar statt, sondern gerne auch außerschulisch bei jemandem zu Hause. Ein beliebter Treff war Juttas Zuhause mit traumhaftem Wümmeblick, wo goldgelbe Sumpfdotterblumen den Frühling ankündigten.
Caltha palustris, so der botanische Name des dottergelben Frühlingsblühers, wächst in nährstoffreichen Böden von Feuchtwiesen oder Flachwasserzonen, aber auch in Sümpfen und Auwäldern, wenn sie Dauerfeuchtigkeit sichern. Selbst länger andauernde Wasser-Tiefen von 10 Zentimetern sind für diese Pflanze nicht problematisch, kurzzeitig steckt sie sogar 20 Zentimeter und mehr weg, akzeptiert vorübergehend aber auch einen geringeren Wasserstand. Es darf nur nicht länger austrocknen. Sumpfdotterblumen wurden in unserem Kulturraum zum ersten Mal im 15. Jahrhundert in einer Elsässer Handschrift erwähnt. Das Interesse an Caltha palustris rührte daher, dass sie als Heilpflanze angesehen wurde, obwohl sie in der Volksmedizin nur vereinzelt Verwendung fand. Die Pflanze wird heute als mindestens schwach giftig eingeordnet, die bei Verzehr zu Vergiftungserscheinungen wie Schwindel, Erbrechen, Krämpfen oder Wassereinlagerungen führt. Weidevieh meidet Sumpfdotterblumen, wobei die Pflanze getrocknet als Bestandteil von Heu oder Silage keine Probleme bereitet. Vielerorts wurde sie als „Butterblume“ sogar bewusst verfüttert, um der Butter eine schöne, gelbe Farbe zu geben. Aber nicht nur für eine erstrebenswerte Butterfarbe sollte Caltha palustris verantwortlich sein. In der Walpurgisnacht vom 30. April zum 1. Mai gesammelt und vor die Viehstalltür gestreut, hielt sie Hexen ab, so der Aberglaube, die den Tieren Schaden hätten zufügen können – bei den heute üblichen Offenställen ließe sich dieser Trick nicht mehr anwenden. Da müsste anderes versucht werden, um Hexen beispielsweise beim Flug zum Hexentanzplatz im Harz vorm Eindringen in modernen Ställe zu hindern! Die ersten Sumpfdotterblumen öffnen ihre Blüten bereits im März. Sie bieten Insekten sehr viel Pollen sowie Nektar und locken diese mit ihrer leuchtenden Farbe an. Bei Regen schließen sich die Blüten nicht, sondern füllen sich mit Regenwasser, sodass der Regenwasserspiegel auf die gleiche Höhe wie bestäubende Staubbeutel und zu befruchtende Narben steigt und es zu einer Selbstbestäubung kommt – darauf muss erst einmal gekommen werden! Bildet sich Samen und reift heran, wird er durch Regen hinaus gespült und verbreitet. Da der Sumpfdotterblumensamen schwimmfähig ist, verbreitet er sich eigentlich gut aus zeitweise überschwemmten Auwäldern, Sümpfen oder kurzfristig überstauten Flächen, wenn er darf und kann, denn dies ist zunehmend ein Problem. Durch Begradigung von Fließgewässern, Entwässerungsmaßnahmen und Verfüllungen von Mulden sowie Senken, um beispielsweise Feuchtwiesen leichter zur Futtergewinnung für Milchvieh in Stallhaltung bewirtschaften zu können, verschwindet Lebensraum für Sumpfdotterblumen. Mit teilweise dramatischen Folgen für Caltha palustris-Bestände. 2004 musste die Pflanze in der Roten Liste Niedersachsen und Bremen als gefährdet eingestuft werden. Mittlerweile haben Artenschutzbemühungen dazu geführt, den gefährdeten Pflanzenbestand zu stabilisieren. In Gärten kann die Sumpfdotterblume wirkungsvoll eingesetzt werden. Sie ist in gut sortierten Gärtnereien aus gärtnerischer Zucht ohne Schwierigkeiten zu bekommen. In Feuchtbereichen des Gartens, am Bachlauf oder Teichrand erfreut sie mit ihrer strahlenden Farbe. Wer mehr Platz an einem Teich zur Verfügung stellt, vervollständigt das Bild je nach Platz mit Bach-Nelkenwurz, Primeln, Schachbrettblumen, Sumpfvergissmeinnicht vor einem Hintergrund aus Wasserdost und Wasserschwertlilie – ein Fest für Augen und Sinne!