Freundeskreis für Suchtkranke bietet Hilfe an - Von Nina Baucke

Auf mehreren Schultern

Eckhard Lomott (von links), Helga Schultz-Lomott und Jens Wilckens wollen Betroffenen helfen. Foto: Nina Baucke
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Bothel. Irgendwann ist immer Schluss, egal, ob bei Hunger, Durst oder Dauerlauf. Irgendwann kommen diese Signale vom Körper, die „Bis hierher und nicht weiter“ sagen. Oder vielmehr: Sie sollten kommen. Aber was, wenn nicht – wie beispielsweise beim Konsum von Alkohol? „Es gibt Menschen, bei denen ist diese Bremse kaputt“, sagt Helga Schultz-Lomott. Sie ist Mitglied in einem Kreis, der sich mit diesen „kaputten Bremsen“ auseinandersetzt.

Seit 1998 steht der Freundeskreis für Suchtkranke Bothel/Visselhövede alkohol- und medikamentensüchtigen Menschen offen, die sich in einem vertraulichem Rahmen austauschen und gegenseitig stützen wollen. „Wir sind keine Therapeuten, wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt Schultz-Lomott, die als Angehörige eines Suchtkranken gemeinsam mit ihrem Mann Eckard Lomott der Runde angehört. Unterstützung bei der Suche nach Therapieplätzen und das Aufzeigen von Behandlungsmöglichkeiten sind nur zwei Aspekte, die in dem Freundeskreis eine Rolle spielen – vor allem aber dreht es sich um das Gespräch. Jeder darf zu Wort kommen, er muss aber nicht, wenn er es nicht möchte, ist eine Maxime der Runde.

„Wenn das Gift aus dem Körper draußen ist, wird man aus der Therapie entlassen – hat aber dann kaum Hilfe“, sagt Lomott. „Da springen wir ein und stehen diesem Menschen zur Seite. Es geht um die ersten Schritte zu mehr Selbstwertgefühl.“ Denn eben der Mangel daran ist ein Baustein des Suchtproblems. „Betroffene fühlen sich oft minderwertig“, weiß Lomott. „Dazu kommt bei vielen, die Unterstützung suchen, am Anfang ein Schamgefühl. Das baut sich mit der Zeit in der Runde ab“, erklärt er.

Ein Grund dafür: Der Betroffene sitzt nicht Therapeuten gegenüber, die das Problem oft nur theoretisch kennen, sondern Menschen, die wie sie mit der Sucht kämpfen oder gekämpft haben. „Gefühle spielen da immer eine starke Rolle, jemand, der die Sucht selbst erlebt hat, bringt anderen Betroffenen mehr Empathie entgegen“, erklärt Jens Wilckens. Er hat wie Lomott den Weg aus der Sucht geschafft und engagiert sich nun im Freundeskreis. „Ganz zu Anfang gibt es erstmal ein Vier-Augen-Gespräch zum Kennenlernen“, sagt Lomott.

Hinter dem Freundeskreis steht keine öffentliche Institution, keine Kommune. Statt dessen hatten Betroffene selbst vor beinahe 20 Jahren die Runde ins Leben gerufen. „Wir bekommen Fördergelder, Unterstützung bei Schulungen, aber wir bieten keine Beratung an“, betont Wilckens.

Zwischen 14 und 15 Leute sind es, die Woche für Woche im Gemeindehaus in Visselhövede zusammenkommen, immer nach einem festen Ritual: Alle haben Gelegenheit, zu berichten, wie es ihnen in der vergangenen Woche ergangen ist, wo die Probleme lagen oder noch liegen, aber auch, was sie Gutes erfahren haben. „Es gibt keinen Unterschied, ob speziell über die Sucht oder die alltäglichen Sorgen im Leben gesprochen wird. Ratschläge können angenommen, Meinungen ausgetauscht und Erfahrungen weitergegeben werden“, heißt es. Dazu kommen Themengespräche oder Referate – „und manchmal wird’s eine Klönrunde“, verrät Schultz-Lomott. „Aber wo Freundeskreis draufsteht, ist auch Freundeskreis drin.“ Das bedeutet, es geht auch mal zum Kegeln, ins Theater oder zum Grillen. Dabei gilt: Was in der Gruppe besprochen wird, bleibt auch dort.

Ganz wichtig ist dem Freundeskreis das Einbinden der Angehörigen: „Der Betroffene lernt den Umgang mit der Sucht in der Therapie, aber für Angehörige gibt es oft nichts Vergleichbares“, weiß Wilckens. Es gibt das eine oder andere Paar in der Runde: „Aber wir versuchen, sie immer auseinanderzusetzen“, sagt Schultz-Lomott. Das hat einen Grund: „Der eine soll den anderen nicht anstupsen und verhindern, dass er etwas erzählt. Denn diesen offenen Umgang müssen viele erst lernen. Dabei finde ich es schön, dass sich die Menschen hier mal ausprechen und damit das Problem auf mehrere Schultern verteilen können.“

Und obwohl sich der Freundeskreis vornehmlich mit Alkohol- und Medikamentensucht auseinandersetzt, beobachtet er auch andere Suchtprobleme. „Bei Jugendlichen geht es weg vom Alkohol mehr Richtung Drogen“, sagt Wilckens. „Aber auch wenn die Emotionen unterschiedlich sind, der Suchtverlauf ist gleich.“ Er findet, dass sich viel getan hat in den vergangenen Jahren: „Die Leute sprechen mehr über Sucht“, ist er sich sicher. Er wünscht sich – ähnlich wie die Antiraucherkampagne vor einigen Jahren – ein entsprechendes Programm gegen Alkohol. „Die Antiraucherkampagne zeigt jetzt Wirkung und dass es viel mit gesellschaftlicher Aufklärung zu tun hat.“ Studien hätten Norwegen, Schweden und Dänemark als die Länder ermittelt, in denen die Menschen am glücklichsten sind – und die hätten, so Wilckens, eine Sache gemeinsam: sehr teuren Alkohol.

Der Freundeskreis für Suchtkranke Bothel/Visselhövede kommt dienstags von 20 bis 22 Uhr im Gemeindehaus Visselhövede, Große Straße 8, zusammen. Mehr Informationen gibt es unter 04266/954290 und unter 04262/3120.

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