Filmteam dreht Kinodebüt „Systemsprenger“ im Trochel - Von Nina Baucke

Freiheit zwischen Bäumen

Kurze Drehpause für Albrecht Schuch und Helena Zengel. Fotos: Nina Baucke
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Brockel. Das Rauschen der Bäume im Wind ist noch das lauteste Geräusch im Brockeler Trochel, ansonsten ist es nahezu mucksmäuschenstill, sogar der Regen pausiert für eine kurze Zeit. Währenddessen steht Albrecht Schuch auf den Stufen einer grobgezimmerten Leiter, die zum Kriechboden eines kleinen Holzhauses hinaufführt. „Kamera läuft“ ertönt ein Ruf, der Schauspieler klettert die Stufen hoch und verschwindet in der kleinen Öffnung. Und wieder herrscht Stille.

„An anderen Filmsets ist es erheblich lauter“, erklärt Filmproduzent Jonas Weydemann. „Hier ist allein von vorneherein die ganze Atmosphäre sehr ruhig.“ Dafür ist die Logistik nicht ohne: Seit Anfang November karrt ein Filmteam Tag für Tag die Ausrüstung über die matschigen Wege durch den Forst auf die kleine, von Laub- und Nadelbäumen umrahmte Lichtung. Strom für Scheinwerfer und die übrige Technik liefert ein Generator. Auf dem Pfad zum Haus steht ein Kombi, der bereits bessere Tage gesehen hat. „Der gehört zur Geschichte“, bemerkt Weydemann.

Heute ist nach fast zweieinhalb Wochen der vorletzte Drehtag für den Kinofilm und ZDF-Co-Produktion „Systemspringer“. Das Debüt von Regisseurin Nora Fingscheidt erzählt nach einem bereits preisgekrönten Drehbuch die Geschichte von der neunjährigen Bernadette, gespielt von Helena Zengel, die von einer Jugendeinrichtung in die nächste zieht. Anti-Gewalt-Trainer Micha (Schuch) versucht, mit ungewöhnlichen Methoden dem Mädchen zu helfen.

Und dazu gehört das Gefühl von Freiheit, das beide Charaktere in der Abgeschiedenheit eines Waldes suchen. Genau diese Abgeschiedenheit haben die Produzenten des Films im Trochel gefunden. Tatsächlich verirren sich nicht viele dorthin, von Zeit zu Zeit hat das Filmteam lediglich mal ein paar Spaziergänger als Zaungäste, mal ein paar Kühe.

„Wir haben uns viele Häuser in der Region angesehen, viele waren verfallen und verschimmelt, häufig standen sie zu nah an den Straßen“, sagt Weydemann, der mit seiner Firma Weydemann Bros. an der Produktion von „Systemsprenger“ beteiligt ist.

Die Szenenbildnerin des Films war nach Gesprächen mit Touristenbüros, Bürgern und Kommunen am Ende auf das kleine Holzhaus im Trochel gestoßen, in dem nun die Kernszenen des Films entstehen. Am Haus selbst war im Vorfeld nicht allzu viel nötig, um es für die Dreharbeiten herzurichten, wenige Schritte von dem Gebäude entfernt allerdings hat die Crew aus Kanthölzern, einer Plane und etwas Schrott zusammen mit den Darstellern Schuch und Zengel eine Art Spielhaus gebaut – als Teambuilding-Maßnahme.

„Der Wald hier ist klasse“, schwärmt auch Frauke Kolbmüller von Oma-Inge-Film, einer weiteren beteiligten Produktionsfirma. „Dazu sind alle hier sehr hilfsbereit und echte Glücksfälle – der Landwirt, der unsere Fahrzeuge aus dem Schlamm zieht, das Forstamt und die Feuerwehr.“ Die war an einem Tag notwendig gewesen – zur Aufsicht über ein drehbuchbedingtes Lagerfeuer. Ein Glücksgriff ist für die Produzentin vor allem aber die Lage: „So eine Abgeschiedenheit sorgt für ein ganz anderes, sehr konzentriertes Drehverhalten, auch bei den Schauspielern“, sagt Kolbmüller. Das spielt vor allem bei der Arbeit mit der neunjährigen Helena Zengel eine Rolle: Das Mädchen darf pro Tag lediglich fünf Stunden am Set sein, auf dementsprechend effektive Drehtage hoffen daher die Filmemacher.

An diesem Tag ist von ihr und ihrem Filmpartner nicht viel zu sehen: Auf dem Kriechboden ist lediglich Platz für Schuch und Zengel sowie für die Regisseurin und Kameramann Yunus Roy Imer. Der Rest der etwa 20-köpfigen und damit verhältnismäßig kleinen Crew verfolgt das Geschehen von außen über Kopfhörer und Monitore. Bereits seit halb neun Uhr morgens ist das Team vor Ort, um die Technik aufzubauen, gearbeitet wird, bis die Sonne untergeht.

„Schon allein durch die kleinere Crew ist das eine ganz familäre Atmosphäre. Und für Helena ist das hier auf jeden Fall interessant“, ist Kolbmüller überzeugt, als sich die junge Berlinerin in einer Drehpause mit einem Brot in der Hand aus dem Fenster reckt und Kolbmüller fröhlich zuwinkt. Trotz ihres Alters ist Zengel schon ein kleiner Profi: Im Film „Die Tochter“, der in diesem Jahr zur Berlinale-Auswahl gehörte und danach auf Festivals rund um den Globus lief, spielt sie die Hauptrolle. „Systemsprenger“ ist ihr zehnter Film und der zweite, in dem sie die zentrale Figur spielt und für die sie sich in einer Gruppe von rund 100 Kinderdarstellern durchgesetzt hatte.

Nach dem Dreh im Trochel geht es in Hamburg weiter, erst Ende Februar werden alle Szenen im Kasten sein. Dann geht noch einiges an Zeit für die Nachbearbeitung drauf, das meiste für den Bild- und Tonschnitt. Komplett fertig wird „Systemsprenger“ erst Anfang Februar 2019 sein. „Bei Fernsehfilmen gibt es immer eine Deadline, bis wann man fertig sein muss“, sagt Kolbmüller und lacht. „Beim Kinofilm dauert es, bis alle zufrieden sind.“

Zufrieden ist offenbar im Augenblick Regisseurin Fingscheidt, als auf einmal ein „Danke!“ vom Dachboden kommt und Albrecht Schuch einige Stufen die Leiter herunterklettert, um kurze Zeit später erneut in der kleinen Luke zu verschwinden. Und wieder Stille einkehrt.

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