Zweijähriger Mischling ist ausgebildeter Therapiehund an der IGS - Von Dennis Bartz

Alle Schüler lieben Napo

Rabea Meyer und ihr Partner mit der kalten Schnauze: Napoleon ist ein zweijähriger Mischling.
 ©Von Dennis Bartz

Rotenburg. „Wie lautet die dritte Person singular im Präteritum?“, fragt Rabea Meyer und schaut gespannt in die Runde. Sofort schnellen viele Finger im Klassenraum in die Höhe. „Er drehte sich“, sagt Lisa. „Richtig“, lobt die Lehrerin und stellt gleich die nächste Frage hinterher. 

Verben konjugieren ist für Schüler meist eine lästige Aufgabe. Nicht so für die Klasse 5.4 der IGS in Rotenburg. Das liegt nicht etwa daran, dass die 21 Jungen und Mädchen von Natur aus fleißiger sind als andere Kinder in ihrem Alter. Ihre Motivation ist nur besonders groß seit Napo da ist.

Der zweijährige Therapiebegleithund nimmt seit dem Sommer aktiv am Unterricht teil. Dreimal die Woche bringt ihn Meyer mit in die Schule: Die Jungen und Mädchen schreiben Geschichten über ihn, lesen ihm und (nebenbei) der gesamten Klasse vor und gehen mit Napo in den nahegelegenen Ahe-Wald, wenn es im Unterricht um Themen in der Natur geht.

Der Mischling kann sogar einige Kunststücke wie „Fünf geben“, er kann sich im Kreis drehen und einen übergroßen Würfel schmeißen. Das macht er natürlich nicht für gute Noten – und auch nicht unter Druck. „Er arbeitet gerne mit mir zusammen und bekommt Leckerlis als Belohnung. Diese dürfen ihm Schüler geben, die gut mitarbeiten“, so Meyer. Ihre Schüler haben Spaß am Unterricht und merken nicht, dass sie nebenbei auch besonders viel lernen.

Bereits bei der Anmeldung für das neue Schuljahr hatte die IGS bei den Eltern der künftigen fünften Klasse nachgefragt, ob ihr Kind in die neue „Hundeklasse“ gehen soll. „Das Interesse war sehr groß. Wir hätten mehrere Klassen einrichten können und mussten letztlich auslosen“, erklärt Schulleiter Sven Thiemer. Er ist von dem Konzept überzeugt: „Unsere Erfahrungen sind sehr gut. Das Lernklima in der Klasse ist außergewöhnlich positiv.“

Das bestätigt Napos Frauchen, Lehrerin Rabea Meyer, die noch während ihres Referendariats vor Klassen gestanden hatte, in denen eine unerträgliche Lautstärke herrschte. Damals wuchs in ihr der Wunsch nach hundegestützter Pädagogik. „Ich war mir sicher, dass ein Hund im Klassenzimmer die Lernatmosphäre und die individuelle Leistungsfähigkeit sowie das Sozialverhalten der Schüler verbessern würde“, erklärt Meyer, die ihre Idee seit diesem Sommer in der IGS umsetzen kann.

Mit Napo, eigentlich Napoleon, der zuvor als Straßenhund auf Sardinien gelebt hatte, nahm sie in diesem Sommer an einer Therapiehundeausbildung teil, die die IGS finanzierte. Napo entpuppte sich dort als echter Musterschüler und schloss seine Prüfung Anfang November als einer der besten ab. „Wegen seiner unglaublichen Sanftmütigkeit ist er ideal für die Aufgabe“, sagt Meyer.

Vor Beginn des Schuljahres erstellte sie mit der stellvertretenden Schulleitung Ulla Krause ein Schulhundkonzept, das anschließend von der Gesamtkonferenz genehmigt wurde. Dies sieht vor, dass Napo an zwei bis drei Schultagen pro Woche mit im Unterricht ist. Dort kommt er pro Tag etwa eine Stunde aktiv zum Einsatz. Die übrige Zeit holt er sich Streicheleinheiten von den Schülern oder schlummert in seinem Körbchen. „Die Schüler sind dann besonders still und diszipliniert, weil sie Napo nicht wecken wollen“, sagt Meyer.

Insgesamt habe sich die Lautstärke im Klassenzimmer deutlich reduziert, denn die Kinder wissen: Herrscht zu viel Unruhe, zieht sich Napo auf seinen Platz zurück und will seine Ruhe. Auch der Hundedienst läuft reibungslos: Die Schüler kümmern sich beispielsweise darum, dass Napo frisches Wasser hat.

Meyer stellt Woche für Woche auf‘s Neue fest, dass Napo auf einzelne Schüler eine besonders positive Wirkung hat. So ist ein Schüler, der Streitigkeiten meist mit Wutausbrüchen gelöst hatte, nun deutlich entspannter geworden und geht mit mehr Freude zur Schule.

Ein sehr introvertierter Schüler, der wenig Freunde in der Klasse hat, entwickelte schnell eine enge Bindung zu Napo: „Ich habe ihm gesagt, dass er Talent im Umgang mit Hunden hat. Napo schlüpft in die Rolle seines guten Freundes, der ihn ohne Vorurteile mag, ihm Zuwendung schenkt und damit sein Selbstbewusstsein stärkt.“

Auch für die Inklusion ist Napo wichtig. So ist ein Mädchen wegen einer Spastik bei Ausflügen auf einen Rollstuhl angewiesen und war immer etwas traurig, weil sie nicht wie die anderen Kinder herumrennen kann. „Es ist für sie eine große Freude, wenn sie im Rollstuhl Napos Leine halten darf“, so Meyer, die bei den Schülern sehr beliebt ist.

Die 29-jährige Rotenburgerin, die ihren Beruf mit großer Leidenschaft ausübt, ahnt jedoch, dass die auf Anhieb besonders große Sympathie für sie womöglich ganz simple Gründe hat: freundliche braune Augen, struppiges Fell und Schlappohrenn – alle Kinder lieben ihren Napo.

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