Wie der 900-Seelen-Ort Ostereistedt zur Heimat von Hanni Hase wurde - Von Andrea Zachrau

Von Mythen und Wahrheiten

Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Osterei und dem Namen "Ostereistedt".
 ©Nina Baucke

Ostereistedt. Einmal im Jahr wird der Landkreis Rotenburg zum Mittelpunkt der Erde. Zumindest ein wenig, denn immer dann, wenn das Osterfest ansteht, ist ein kleines Dorf im Nordkreis nicht nur Gesprächsthema in Deutschland, sondern rund um den Globus: Denn Ostereistedt ist die Heimat von Hanni Hase, dem Osterhasen.

Die Tage und Wochen vor dem christlichen Feiertag sind es auch, wenn der Postbote, der täglich Briefe und Pakete in den rund 900-Seelen-Ort bringt, alle Hände voll zu tun hat: Säckeweise trägt er Briefumschläge ins Osterhasenbüro, schließlich schreiben unzählige Kinder an Hanni Hase, um ihm ihre ganz besonderen Wünsche mitzuteilen. Vor Ostern ist es auch, dass sich die im Osterhasenbüro geleisteten Arbeitsstunden vervielfachen: Seit mehr als 30 Jahren beantwortet Hanni Hase ab etwa vier Wochen vor Ostern bis Gründonnerstag die Briefe und Postkarten von Kindern aus der ganzen Welt an den Osterhasen. Bis zu 40.000 Sendungen treffen jedes Jahr für Meister Lampe ein. Am 2. März wurde eigens für die Beantwortung der Briefe von der Deutschen Post das Osterhasenbüro hergerichtet. Ab dem 3. März wurden alle Sendungen direkt dort angeliefert.
Im Osterhasenbüro wird Hanni Hase von Helfern unterstützt. „Die Briefe kommen aus der ganzen Welt“, sagt Hans-Hermann Dunker, der schon seit vielen Jahren zum Osterhasen-Team gehört. Viele Kinder erfahren im Deutschunterricht vom briefeschreibenden Osterhasen. Und so sind auch viele Briefe von Schulklassen, zum Beispiel aus Polen, Frankreich und der Schweiz im Osterhasenbüro eingetroffen. Immer wieder sind auch Nachrichten vom anderen Ende der Welt dabei. Bisher schrieben schon Kinder aus Australien, Neuseeland, Japan oder Taiwan.
Viele Kinder, aber auch die Eltern oder Großeltern schreiben Hanni Hase was sie bewegt, manche Kinder malen Bilder für den Osterhasen. Hanni Hase antwortet allen. Schon der fröhliche Briefumschlag mit dekorativer Briefmarke weist auf die erwartete Antwort vom Osterhasen hin. Außerdem ziert ihn ein Sonderstempel von der Deutschen Post.
Manche Kinder hatten übrigens besonders viel Glück und erhielten nicht nur eine Antwort des wohl bekanntesten Langohren, sondern durften sich auch über eine Einladung in Hanni Hases Hasenwald freuen. Immer am Ostersonntag nämlich nimmt er Sprösslinge in Ostereistedt in Empfang, die gemeinsam mit ihm auf Nestsuche gehen dürfen. Die Teilnehmerzahl ist allerdings begrenzt – wer im kommenden Jahr dabei sein will, sollte schon jetzt seine Anmeldung an die Landtouristik Selsingen unter www.hanni-hase.de senden.
Bei all dem österlichen Trubel bleibt allerdings die Frage: Woher hat der kleine Ort der Gemeinde Selsingen eigentlich seinen Namen, warum fand das Osterei darin Erwähnung und was verbindet die Einwohner tatsächlich mit Ostern? Manch einer behauptet, dass es sich schlichtweg um eine gute Marketingstrategie handele, denn während der Weihnachtsmann ganz klar am Nordpol beheimatet ist, war der Osterhase bis dato heimatlos. Mitnichten allerdings hatten die Bürger von Ostereistedt geplant, zum österlichen Zentrum der Welt zu werden. Den Dorfnamen gibt es nämlich schon seit mehreren Jahrhunderten – die Ableitung von „Osterei“ und die Verbindung zum christlichen Feiertag wurde vielmehr von aufmerksamen Medienvertretern getroffen.
In seinem Artikel „Dorfgeschichte - einmal anders gesehen“ schreibt Reinhard Rüdiger: „Bereits 1939 brachte die berühmte Berliner Illustrierte eine Aufnahme des Ortsschildes in ihrer Osterausgabe. Ob damals Eltern mit ihren Sprösslingen aufgrund dieses Berichtes einen Ausflug nach Ostereistadt machten, ist nicht überliefert. Eher ist anzunehmen, dass die damaligen Zeiten keinen großen Sinn für derartige Scherze hatten.“ Der tatsächliche Boom um das kleine Dörfchen startete schließlich 1967, als Peter Frankenfeld in seiner damaligen „Vergißmeinnicht"-Sendung aus purzelnden Osterei-Attrappen den Ortsnamen „Ostereistedt" und die dazugehörende Postleitzahl 2149 erraten ließ. Damals umfasste der Ort 553 Einwohner, 98 Häusern und zahlreiches Horn-, Borsten- aber wenig Federvieh. „Die Redaktionen von großen und kleinen Zeitungen von Bremerhaven bis Konstanz interessierten sich für diesen Ort, der nur auf Landkarten mit einem großen Maßstab zu finden ist. Neben dem Bauboom, Reiseboom trat nun so etwas wie ein Mini-Ostereistedt-Boom auf, der bis zu den Montrealer Nachrichten, der größten deutschsprachigen Zeitung Kanadas, seine Wellen und Wogen schlug“, schreibt Rüdiger.
Der Geschichtsforscher klärt aber auch darüber auf, woher der Ortsname tatsächlich stammte: „Diesem kleinen Dorf mit dem ungewöhnlichen Namen darf man nun wirklich nicht – ganz ernsthaft gesprochen – einen mythischen Hintergrund geben“, betont er. Der Ortsname habe nichts mit den schimmernden Mären der Vorfahren zu tun. Wohl am Wahrscheinlichsten ist die Namensgebung aus zweierlei Sicht: örtliche Begebenheiten sowie die Namen der einstigen Bewohner. So wird einerseits angenommen, das sich das Wort Eichenstätte ebenso hinter dem Namen verbergen könnte wie andererseits ein Siedler namens Eike oder auch Ekkehard, der irgendwann im 14. Jahrhundert dort gelebt haben soll, wohin heute Osterfans aus der ganzen Welt pilgern. Auch könnte der Name des angrenzenden Flusses ausschlaggebend für die Namensfindung gewesen sein: Die Gemeinde liegt zwischen Elbe und Weser, im östlichen Teil fließt das Wasser über Gräben und Bäche in Hamme und Weser, im südlichen Teil über Bade und Oste in die Elbe.
Wie dem auch sei – waren die Anwohner von Ostereistedt anfangs nicht so begeistert von dem großen Andrang im Frühling, nutzen sie ihren ungewöhnlichen Ortsnamen nun, um die Touristik anzukurbeln. Und jetzt ist es auch absehbar, wann der Trubel ein Ende hat: Nach Ostermontag kehrt in Hanni Hases Heimat wieder Ruhe an – zumindest bis zum nächsten Osterfest.
    
Der Hase und die Eier
Zu Ostern dürfen zwei Dekorations-Accessoires auf keinen Fall fehlen: Der Hase und die Eier sind fester Bestandteil des Brauchtums. Wie allerdings kam es dazu? Während das Ei bereits seit dem Mittelalter in vielen europäischen Ländern das Symbol für Ostern ist, erwähnte der Medizinprofessor Georg Franck von Franckenau 1682 in einer Abhandlung erstmals den Brauch, dass der Osterhase die Eier in Gärten versteckt, wo sie von den Kindern gesucht werden. Offenbar entsprang die Geschichte einer Fabel. Allerdings wird auch ein christlicher Hintergrund vermutet: Im Mittelalter entstanden viele Gemälde, auf denen die Nagetiere zu sehen waren. Was die Verbindung zwischen Hase und Ei angeht – da ist man sich bis heute uneins. Einige sagen, der Osterhase sei geboren worden, weil einige früh bemalte Ostereier Kaninchen zierten. Andere wiederum beziehen sich auf ältere Übersetzungen der Bibel, in dem von den schwachen Menschen als „Hasen“ gesprochen werden soll, die ihre Zuflucht im „Felsen“, Christus, suchen.

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