Was aus den Burgen in und um Rotenburg wurde – Teil I: Edelmannsberg und Altenluhne - Von Sünje Loës

Die drei Unsichtbaren

Die letzten Überreste der Burg Edelmannsberg verschwanden vor etwa 70 Jahren beim Bau der Nordumgehung Richtung Scheeßel. Heute erinnert äußerlich nichts mehr an die mittelalterliche Befestigungsanlage aus dem 14. Jahrhundert. Foto: Sünje Lou00ebs
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Rotenburg. Große, steinerne Bauwerke, vorzugsweise auf irgendeiner Bergspitze, in zeitlosem Grau gehalten: Dieses Bild haben die meisten Menschen im Kopf, wenn es um Burgen geht. Sie gehören also nicht zu den Bauwerken, die man in der norddeutschen Tiefebene sucht, und ein erster Blick über die Landkarte scheint den Verdacht zu erhärten: Hier oben hat es keine oder nur sehr wenige Burgen gegeben – sieht man daran, dass man keine sieht. Nicht nur Gäste, sondern auch Einheimische überrascht es daher zu erfahren, dass Rotenburg einst nicht nur über eine Burg verfügte, genau wie der Name der Stadt andeutet. Tatsächlich gab es gleich drei Bauwerke, die von Archäologen als Burgen angesprochen werden.

Es gehört zur Tragik der Geschichte der Stadt Rotenburg, dass keines der Bauwerke bis heute erhalten geblieben ist. Die Burg, die der Stadt ihren Namen gab, nämlich die „Rote Burg“ auf dem Gelände des heutigen Heimathauses, wurde bereits in historischen Zeiten durch ein damals moderneres Schloss überbaut und von einer an die neuen Schusswaffen angepasste Sternschanze umgeben. Die anderen beiden, weit unbekannteren Anlagen, ereilte ihr Schicksal erst im vergangenen Jahrhundert. Fiel die Richtung Scheeßel gelegene Anlage dem Bau der Nordumgehung in den 1950er-Jahren zum Opfer, so wurde der Wall, der in Richtung Sottrum gelegen war, im Zuge des Baues des Y-Tong-Werkes erst in den 1970er-Jahren zerstört.

Das kaum jemand diesen kulturhistorischen Verlust für die Stadt Rotenburg auch nur bemerkte, mag daran liegen, dass es sich bei diesen beiden Burgen nicht um die klischeehaften Steinanlagen gehandelt hat, die wir alle seit Kindertagen aus zahlreichen Bilderbüchern kennen.

Es handelte sich viel mehr um zwei der für Norddeutschland so klassischen Holz-Erde-Wälle. Da Steine in diesen Breitengraden sehr selten und damit entsprechend teuer waren, ließen damals die Herrschenden mit den hier vorhandenen Mitteln bauen. Diese Konstruktionen waren für ein heranstürmendes Heer keine geringere Herausforderung als eine „klassische“ Burg. Tatsächlich lagen diese Bauwerke aus Holz und Erde häufig zusätzlich in Seen oder Mooren, so dass es mit dem „Erstürmen“ dieser Anlagen nicht weit her war. Angreifer mussten sich auf lange und verlustreiche Belagerungen im norddeutschen Dauerregen einlassen, um ein solches Bauwerk einzunehmen. Eine Erfahrung, die nicht nur Karl der Große schmerzhaft machen musste, als er seine Aktivitäten im Norden seines Reiches intensivierte.

Die Tatsache, dass diese Bauwerke über viele Jahrhunderte genutzt wurden, zusammen mit der traurigen Feststellung, dass die Behörden die Zerstörung der beiden Erd-Wall-Anlagen gar nicht oder nur sehr sporadisch archäologisch begleiteten, führt dazu, dass über die genaue Datierung und Verwendung der Anlagen heute eine gewisse Unsicherheit herrscht.

Verlorengegangene Informationen

Einigermaßen sicher scheint zu sein, dass die Nutzungszeit der Anlagen sehr weit auseiander liegt. Stammt der Ringwall auf der Altenluhe vermutlich etwa aus dem 14. Jahrhundert, so dürfte die Burg am sogenannten Edelmannsberg bereits aus dem zehnten Jahrhundert stammen.

Jakob Friese grub in den 50er-Jahren nur dürftig nach der Burg am Edelmannsberg, bevor sie zerstört wurde. Dabei fand er Materialien, die heute leider als verschollen gelten, die von Friesen selbst jedoch in das zehnte Jahrhundert datiert wurden. Seinen Notizen lässt sich entnehmen, dass die Anlage aus einer relativ aufwendigen Holz-Erde-Konstruktion bestand, auf deren Krone sich noch die Reste einer Palisade oder etwas Vergleichbarem nachweisen ließen. Innerhalb der Befestigungsmauer erkannte Friese einige Pfostenlöcher, mit denen die damaligen Bearbeiter allerdings nicht viel anfangen konnten. Da die Grabungsbedigungen alles andere als optimal waren, könnte hier allerdings auch einiges an Informationen verloren gegangen sein. Das gilt auch für die Reste von Tontöpfen, Bechern und anderem Geschirr, die innerhalb der Burg eher spärlich waren.

Die Vorburg, also eine Siedlung direkt vor der Burg, manchmal auch innerhalb einer ersten Befestigungslinie, war in jedem Falle bebaut. Dort fanden die Bauarbeiter beim Planieren der Umgebung für die Umgehungsstraße einen Hausgrundriss und es ist davon auszugehen, dass es bei weitem nicht das einzige Haus war, dass hier zu Zeiten der Burg stand. Außerdem kamen weitere Scherben zu Tage, die zeigen, dass der Platz bis in das 13. Jahrhundert hinein benutzt wurde. Urkunden sprechen an dieser Stelle von einem Dorf namens Wallstegen, dass hier sogar bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts gestanden haben soll. Der Name lässt sich ohne Probleme auf die Wallanlage zurückführen.

Das Bild der Siedlung mit Befestigungsanlage wird abgerundet durch einen trocken gefallenen Arm eines kleinen Flusses, der ebenfalls beim Planieren des Gelände aufgefallen war. Eventuell lag dort eine Zollstation mit Unterkunft für Reisende und Händler. Von diesen gab es im Mittealter eine ganze Reihe, verlangte doch jeder kleine Fürst für die Passage durch seine fünf Quadratkilometer Land einen eigenen Wegezoll. Da auch damals die Menschen ungern Abgaben und Zölle bezahlten, sah sich die Obrigkeit gezwungen, zum Teil enorm aufwendige Anlagen zu unterhalten, um den Schmuggel zu unterbinden. Neuere Forschung legen nahe, das beispielsweise auch das Danewerk bei Schleswig genau diesem Zweck gedient haben könnte.

Möglicherweise ist die Burg am Edelmannsberg also eine solche Zollstation, in der ein Beamter saß und den im Mittelalter unverzichtbaren Wasserweg kontrollierte. Als der Fluss zunehmend versandete, dürfte die Station an Bedeutung verloren haben, die Befestigung wurde nicht mehr gepflegt und verfiel. Möglicherweise veränderten sich auch die Besitzverhältnisse, und Zoll wurde nun woanders erhoben – genau lässt sich das heute nicht mehr ermitteln, doch solche Grenzverlegungen waren in der damaligen Zeit keine Seltenheit. Wie mächtig die Strukturen einstmal waren, lässt sich in jedem Fall daran ablesen, dass der Wall noch etwa 1.000 Jahre nach seiner Errichtung sichtbar war.

Müll aus dem Mittelalter

Ein Glück das die Überreste des Ringwalles auf der Altenluhne leider nicht hatten. Für die Errichtung des Y-Tong-Werks in den 70er-Jahren musste die Anlage weichen, und den zuständigen Archäologen blieben nur drei Wochen, um das komplette Gelände zu untersuchen – ein Witz, angesichts der Größe der Fläche. Man ließ den Wall lediglich ausschnittsweise mit einem Bagger teilen, um einen Eindruck zu erhalten. Es zeigte sich das Bild eines Walles, der wohl beim Ausheben des vorgelagerten Grabens mit aufgeschüttet worden war.

Anzeichen für eine Befestigung ließen sich auf den kurzen untersuchten Abschnitten nicht finden. Auch die Grabenabschnitte zeigen keine Spuren besonderer Pflege, offenbar ist er über einen langen Zeitraum von Wasser durchflossen worden und war dann zunehmend versandet. In dem Graben wurde auch für Siedlungen üblicher Müll gefunden, wie beispielsweise Kugeltöpfe mit Standfüßchen oder den Resten davon.

Diese Töpfe sind dann auch die Grundlage der Datierung der Fundstelle in das späte Mittelalter. Sie waren zu der Zeit weit verbreitet und waren dann recht lange verwendet worden. Im Fall Altenluhne ist der Topf in seiner besonderen Form ein deutlicher Hinweis, dass der Graben im 14. Jahrhundert offen stand, also vermutlich die Anlage benutzt wurde. Interessanterweise fanden sich bei den Planierarbeiten rund um die Anlage zahlreiche Reste, die sich deutlich als Überbleibsel eines Dorfes mit Fachwerkhäusern deuten lassen. Dort werden wir Zeuge der feudalen Realität der Menschen. Offenbar hatte man an der Stelle bereits früh ein Vorwerk, also eine Befestigung zum Landschutz – in diesem Fall vermutlich vor Überschwemmungen – errichten lassen, und im Laufe der Zeit entstand dort ein Dorf, dass dann aber durch den Bischof mit einem Federstrich abgeschafft wurde, als dieser das Land zur Versorgung seines eigenes Hofes benötigte.

Den Bewohnern des Dorfes Alten Lune blieb nichts anderes übrig, als sich auf die umliegenden Dörfer zu verteilen, nachdem sie gezwungen worden waren, ihr Heim aufzugeben. Wenn der Bischof befahl, dann wurde geräumt. Ohne Wenn und Aber.

Bischöfliches Groschengrab

Nächste Woche in der Rundschau: Warum die „Rote Burg“ der Stadt ihren Namen gab und wie aus der mittelalterlichen Wehranlage eine bischöfliche Residenz wurde, in dem immer mehr Geld aus Hannover versickerte. Und welche Indizien heute noch auf dem Gelände des Heimathauses auf die ursprüngliche Bebauung hinweisen, und was von ihnen bis heute geblieben ist. Die Autorin: Die Hellwegerin Sünje Loës ist hauptberuflich als freie Archäologin tätig. Mehr Informationen zu ihr und ihrer Arbeit gibt es im Internet unter www.archaeologie-hautnah.de.

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