Agnes Burgmüller im Theater Weiberspeck & Herrengedeck

Eine Gouvernante erzählt

Die Darsteller des Stücks Weiberspeck & Herrengedeck treten in historischen Kostümen auf. Foto: Dennis Bartz
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Im September gibt es zwei weitere Aufführungen von Weiberspeck & Herrengedeck, dem historischen Theater am Heimathaus in Rotenburg. Termine sind am 15. September, 18 Uhr, und am 16. September, 16 Uhr. Die Rundschau begibt sich auf Zeitreise und trifft die historischen Charakter. Heute: Gouvernante Agnes Burgmüller (Angelika Pütz).

Rotenburg, 19. Jahrhundert (db). „Unverheiratete Frauen gelten als unvollständige Existenzen sagte einst ein britisches Sozialpsychologe.

Nun, noch heute bekomme ich hektische Flecken, wenn ich an diese Degradierung denke. Ich, Agnes Bürgmüller, bin Gouvernante. Und wenn auch die familiären Umstände mich doch mehr oder weniger dazu führten, mich um meinen eigenen Broterwerb zu kümmern, so bin ich auch mit Freude bei der Erziehung junger Menschen am Werk und sehr wohl eine vollständige Existenz. Ich bin froh, die Zeiten ändern sich, und der Ausspruch liegt schon ein paar Jahrzehnte zurück.

Mein Vater, Gott hab ihn selig, verstarb sehr früh, und so wurde mir kein Herr aus gutem Hause an die Seite gestellt, dem ich treu als Gemahlin folgen sollte. Ebenso wenig, wie es mir dadurch vergönnt war, ein gutes und sicheres Leben zu führen.

Doch was wären meine täglichen Beschäftigungen gewesen, was hätte mich geistig gefordert? Nicht viel, so hört man es, ist doch die Gattin an der Seite ihres Ehemanns nur ein Glanzbild, welches er bei wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen vorzeigen kann. Im Hause liegt eine wichtige Aufgabe der Hausherrin darin, die Speisenpläne zu erstellen und die Bediensteten anzuleiten.

Schon früh habe ich mich aufgrund dieser Aussichten gefragt, ob mich das wohl erfüllen wird. Diese Gedanken in einer Zeit Ende des 19. Jahrhunderts sind schon ein wenig sonderbar, ich weiß. Natürlich dachte ich sie nur in den geheimen Räumen meiner Fantasie.

So entkam ich aber, durch eben den Tod meines geliebten Vaters, diesem Weg. Fortan nahm ich mich der Erziehung von Kindern an. In gutbürgerlichen Familien mit Nachwuchs ist es üblich, dass eine Gouvernante diese Aufgabe übernimmt. Ich fühle mich wirklich dazu berufen. Zumal es mir aus den besagten Gründen verwehrt bleibt, ebenfalls eigene Kinder zu gebären und groß zu ziehen.

Nun ja, ich hätte mich sicher auch schwer getan, mit einem mir an die Seite gestellten Gemahl, auch wenn mein Vater ihn sicher mit großer Bedacht erwählt hätte. Ich glaube nun mal an die große Liebe, an Gefühle, die das Herz berühren. Es wird aber wohl immer eine Fantasie bleiben.

Nun denn, jetzt bin ich ein Fräulein! Es ist in unserer Zeit eine nicht ganz unerhebliche Aufgabe, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Die Zeiten sind hart und die Rolle der Frau verändert sich nur in kleinen Schritten. Ich weiß nicht, ob jemand beurteilen kann, wie es sich anfühlt, täglich ein Korsett zu tragen, der es nicht selber schon mal trug. Eine schöne Mode, aber mit deutlichen Qualen verbunden. Aber ich kann schon erkennen, dass auch hier sich in den nächsten Jahren noch einiges lockern wird – im warsten Sinne des Worte – denn die damit verbundene Frauenbewegung ist nicht ganz außer Acht zu lassen. Und das ist gut so.

Sind wir Frauen nicht auch intelligente Wesen und durchaus in der Lage, unseren eigenen Wegen zu verfolgen? Ich denke schon. Und so bin ich doch froh, dass ich über meine Anstellung als Gourvernante eine kleine Form von Selbstständigkeit erreicht habe und den Namen des Fräuleins mit Würde tragen kann.

Die Arbeit mit Kindern erfrischt mich, wenn auch Disziplin und Ordnung für mich die wichtigsten Werte bei der Erziehung darstellen. Aber diese jungen und neugierigen Geschöpfe – wie entzückend die großen Augen sich zeigen, wenn sie etwas Neues erlernen.

Aufpassen muss man allerdings in jedem Fall, sich den möglichen Avancen des Hausherrn zu entziehen. Es gehört auch hier sehr viel Fingerspitzengefühl dazu, distanziert aber doch zugewandt zu bleiben. Weiterhin erfreut so etwas natürlich in keinem Fall die Hausherrin. Hier bin ich gesegnet, so könnte man sagen! Die Gattin meines Arbeitgebers ist früh verstorben und nun kümmere ich mich besonders intensiv um die beiden Töchter und habe keine Not, in Ungnade zu fallen. Jedoch, ich hege schon ein wenig mehr als Interesse für den in sich gekehrten Vater der Kinder, aber er scheint für mich nichts zu empfinden. Ach denn, so ist es! Ich bin dankbar für diese wertvolle Aufgabe. Und nun, genug der gedanklichen Reise, ich erfülle weiter meine Aufgabe als Gouvernante, denn die Kinder warten auf mich.

• Über das nächste Treffen mit einer historischen Figur aus dem Stück „Weiberspeck und Herrengedeck“ berichtet die Rundschau am Samstag, 19. Mai.

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