Ausstellungseröffnung in der Hohe-Heide-Galerie am Samstag - Von Christine Duensing

Erich Paulicke „über leben“

Manfred-Willi Reichert (links) und Rüdiger Wollschlaeger zeigen eines der Werke von Erich Paulicke. Wer gespannt ist auf die ganze Ausstellung "über leben", kann ab kommenden Samstag, 1. August, in der Hohen-Heide-Galerie vorbeischauen.
 ©Christine Duensing

Visselhövede. Kunstwerke als Sprachrohr nutzen – dass das funktionieren kann, beweisen Bilder und Skulpturen von Erich Paulicke. Er war einer der letzten Überlebenden von rund 800 während der NS-Diktatur deportierten Bewohner der damaligen Rotenburger Anstalten. Mit seinen Arbeiten an der Staffelei gelang es ihm Jahre später, die schrecklichen und lang verschleierten Dinge, die ihm widerfahren waren, zum Thema zu machen. Die Bildnerische Werkstatt der Rotenburger Werke zeigt nun einige von Paulickes Arbeiten aus dessen Ausstellungsreihe „über leben“ ab Samstag, 1. August in der Hohe-Heide-Galerie auf dem Visselhöveder Sonnentaugelände.

Mit „über leben“ sorgten Paulicke und zwei weitere Überlebende aus den damaligen Rotenburger Anstalten in den vergangenen Jahren bereits für ordentlich Trubel in den Medien und zahlreiche Ausstellungen in ganz Deutschland. Dass die Werke Paulickes nun in Visselhövede ihren Platz zum Betrachten finden, freut Rüdiger Wollschlaeger von den Rotenburger Werken persönlich sehr. „Auch der Film, mit dem meine Frau Doris und ich mit ihm sein Leben aufarbeiteten, wird zu sehen sein“, erklärt er. In einem separaten Raum der Galerie werde die etwa einstündige Dokumentation auf Abruf laufen.

„Der Film ist auch im Internet abrufbar, sodass Interessierte sich vorab über Paulickes Leben informieren und danach die Ausstellung auf sich wirken lassen können“, fügt Manfred-Willi Reichert hinzu, der sich derzeit den letzten Feinschliffen des Ausstellungsaufbaus widmet. Auf drei Räume verteilen sich die Werke, zu denen sowohl Skulpturen als auch Bilder gehören. „Schilder haben wir absichtlich nicht angebracht. Die Arbeiten lassen viel Deutungsfreiraum zu und so soll jeder Besucher der Galerie selbst schauen, was er sieht“, erläutert Wollschlaeger. Jedes Werk erzähle eine kleine Geschichte. Paulicke habe bevorzugt zu ungewöhnlichen Materialkombinationen gegriffen, erinnert sich Wollschlaeger: „Wir haben ihm gesagt, dass etwas nicht zusammenpasst und er hat uns postwendend das Gegenteil bewiesen.“ Beim Malen und Schaffen habe Paulicke stets gut gelaunt auf ihn gewirkt. „Er hat uns erzählt, er hätte zu seinen schweren Lebzeiten den Teufel getroffen. Diesen findet man nun auch in vielen seiner Kunstwerke wieder, er hat ihn quasi dort hinein verbannt – und genau dieses Verarbeiten schien ihm gut getan zu haben. Er hat beim Werkeln immer viel gelacht.“ So befreit diese Aussage klingt, so verhalten und stockend wird Wollschlaegers Stimme beim Ansprechen von Paulickes Schicksal zu NS-Zeiten: „547 Frauen und Männer aus den Rotenburger Anstalten wurden in Tötungsanstalten wie in Kaufbeuren/Irsee ermordet. Dorthin gelangte Paulicke im November 1943. Im Kloster Irsee wurden Menschen mit Behinderung systematisch mit E-Kost (Entzugskost) getötet. E-Kost umschrieb zynischerweise das langsame Verhungernlassen der Patienten.“ 1945 habe Paulicke als 18-Jähriger nur noch 36,5 Kilo gewogen. Eventuell sei er zu Forschungszwecken mit Knochen-Tuberkulose infiziert worden, berichtet Wollschlaeger. Er fügt hinzu: „Fast 50 Jahre mussten vergehen, bis er dann Gehör fand. Die künstlerische Arbeit in der Bildnerischen Werkstatt war Anlass für ihn zu erzählen, aber auch Erlebtes in Bildern auszudrücken. Er malte wuchtige, vehemente Bilder und stellte bedeutungsschwere plastische Arbeiten her: Reliefs, die wie Massengräber wirken, Statuen und Bilder des Teufels – immer wieder.“ Erich Paulickes Ausstellung ist die letzte auf dem Sonnentaugelände, die in Kooperation mit Rotenburger Werken stattfindet. „Wir hatten hier eine tolle Möglichkeit, uns in Visselhövede ein wenig persönlich vorzustellen. So hatten und haben die Bürger die Chance zu sehen, dass wir nicht nur beim Neubau Lärm machen, sondern eine richtige Bereicherung für die Stadt darstellen können.“ Ausstellungseröffnung ist am Samstag, 1. August, um 15 Uhr. In vier Wochen werden Paulickes Werke ins jetzige Malatelier umgestellt. Dort bleiben sie bis zum 4. Oktober zugänglich, immer samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr. Für Sondertermine und Gruppenführungen melden sich Interessierte unter Telefon 04262/919646 oder per E-Mail an kultur-sonnentau@t-online.de. Der Dokumentations-Film über Paulicke ist unter http://video.rotenburgerwerke.de/erich_paulicke.html zu finden.

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