Tamme Hanken verstarb mit 56 Jahren – ein Nachruf von Elke Keppler-Rosenau

„Hast du ihn im Griff?“

Tamme Hanken, der XXL-Ostfriese, Knochenbrecher und Pferdeflüsterer starb mit nur 56 Jahren. Foto: Elke Keppler-Rosenau
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Landkreis Rotenburg. Sein dröhnendes Lachen ist verstummt. Seine riesigen Hände werden keine verspannten Muskeln mehr heilen oder ausgerenkte Knochen wieder einrenken. Er wird keine Pferde mehr vor dem Schlachter bewahren und auch keinen Hunden die lahmen Glieder kurieren. Er bringt niemanden mehr mit seinem trockenen, friesischen Humor zum Lachen und er wird auch keinen Pferdebesitzer mehr mit direkten, oft unverblümten Hinweisen dazu bringen, ihren Tieren mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Tamme Hanken, Chiropraktiker, passionierter Tierfreund, Pferdeflüsterer und Menschenfreund, Spezialist für alles, was mit dem Bewegungsparat zu tun hat, starb am 10. Oktober im bayrischen Garmisch Partenkirchen an Herzversagen.

Viele Besucher der Tarmstedter Ausstellung kannten ihn persönlich. Er war mehrere Male als Gast im Rahmenprogramm der Tierschauen vertreten, hatte mit seiner Frau Carmen seinen französischen Kaltbluthengst dabei und beantwortete Fragen zur Tiergesundheit, speziell bei Pferden. Er suchte das Gespräch mit Menschen, stand immer gerne für Fotos zur Verfügung und genoss das Bad in der Menge. Als Fernsehstar ungezählter Sendungen von seinem Therapiehof in Filsum und Reportagen im Ausland war er einem Millionen-Publikum bekannt und hatte eine riesige Fangemeinde. Wo immer er hinkam, Hanken war ein absoluter Publikumsmagnet. Tauchte er irgendwo auf, scharten sich die Leute um ihn und seine Stimme war weithin zu hören, ebenso wie sein körperliche Präsenz nicht zu übersehen war. Er war immerhin 2,06 Meter groß, 145 Kilo schwer und seine Hände waren so groß wie Bratpfannen. Sein Gemüt dagegen wie das eines sanften Kaninchens.

Auf seinem Hof gab es regelmäßig am Samstag „Kummertage“. Besitzer von Pferden, Kühen, Hunden und anderem Getier reisten von weit her an, um Rat in gesundheitlichen Fragen zu holen, wenn oft genug nichts mehr ging. „Kummertage“, die Bezeichnung hatte Tamme erfunden und leitete es aus dem Begriff Kummer ab. Sensibel und mit größter Konzentration ertastete er feinnervige Beeinträchtigungen bei Tieren, renkte vor Ort Gelenke ein und spürte Rückenwirbel auf, die nicht an der richtigen Stelle saßen. Meistens konnte er helfen, manchmal auch nicht mehr. Dann stand er dennoch mit wirkungsvollen Ratschlägen zur Seite. Geld verlangte er dafür nicht. Stattdessen spendeten Tierbesitzer in eine Art Spardose für den Tierschutzverein.

Außer während der Tarmstedter Ausstellung hatte ich viermal mit Tamme Hanken zu tun und ich gebe zu, dass ich beim ersten Mal ziemlich skeptisch ihm gegenüber war. Für ein Porträt habe ich ihm zugeschaut, ohne, dass er wusste, dass ich da war. In dem Trubel von etwa 100 Tierbesitzern und unzähligen Zuschauern, die auf Behandlung warteten, ging ich einfach unter. Erstaunt sah ich, wie er sich den Tieren näherte, wie er ihr Vertrauen gewann, wie er Missstände in der Behandlung von Pferden erkannte und die Besitzer, ohne sie zu kränken und ihnen zu nahe zu treten, ansprach. Pferde, für mich respekteinflößende Tiere, waren lammfromm, wenn er auf sie zuging und ihre Knochen abtastete. Kühen erging es nicht anders.

Spannend war auch, zu sehen und zu erfragen, welche weiten Wege sich Tierbesitzer gemachten hatten. Neben Verden, Rotenburg und Stade waren Besucher aus Frankfurt, Passau, Groningen, Wismar zu vermerken und sogar ein Autokennzeichen aus Graubünden in der Schweiz war auf dem Parkplatz zu entdecken. Wenn Pferde- und Hundebesitzer nicht mehr weiter wussten, wenn ihre Tiere austherapiert waren, kamen sie zu ihm und weite Wege spielten keine Rolle.

Bei seinen Kummertagen kam der Humor nie zu kurz. Alle Tiere und die meisten weiblichen Besitzer titulierte er mit „Schatz oder Schätzelein“ was stets eine Vertrauensbasis schuf. Zum größten Vergnügen der Besucher und unter dröhnendem Lachen fragte er so manche hübsche Pferdemaid, ob sie einen Freund hat. Wenn die junge Dame dann errötete und zu stottern anfing, amüsierte er sich, machte noch einen Witz und leitete dann die Situation in die Behandlung des Tieres ab.

Ein anderes Mal, als ich mit der kranken Dogge einer Freundin bei ihm war, gab es ein ähnliches Spektakel. Dennoch stand immer die Hinwendung zu dem kranken Tier und seinem Besitzer im Vordergrund. Zweimal war ich selbst mit meinem kranken Weimaraner bei ihm. Er wusste sehr wohl, wie ungemütlich diese Hunderasse werden kann. Ich höre es noch wie heute, als er den Hund untersuchen wollte und mir leise zuraunte: „Hast Du ihn im Griff?“

Einen wie ihn wird es nie mehr geben und diese Lücke ist nicht zu schließen. „Tamme, jetzt renkst Du den Engeln im Himmel die Flügel ein“.

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