Maria Bellmann veröffentlicht Geschichtensammlung für Erwachsene: „Weihnachten in unserer Zeit“ - Von Andreas Schultz

Weiße Weihnacht, weiße Lacklederstiefel

Maria Bellmann mit Erna. Beim Schreiben ist die Landseer-Hündin immer dabei. Sie ist der Ruhepol für die Autorin u2013 auch bei der Arbeit an dem Erstlingswerk, das kürzlich unter dem Titel "Weihnachten in unserer Zeit. Besinnliche Geschichten für Erwachsene" erschienen ist.
 ©Andreas Schultz

Sottrum-Fährhof. Sex: Damit verdient sich Tina ihr Taschengeld. Denn die 18-Jährige prostituiert sich. Währenddessen macht sich ihre ahnungslose Mutter daran, der Tochter die gewünschten weißen Lacklederstiefel als Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Bei der Suche nach der ausgefallenen Gabe stolpert sie durch Zufall über das gut gehegte Geheimnis um den Nebenjob ihrer Tochter.

Vielleicht nicht der übliche Stoff für eine Weihnachtsgeschichte – aber genau darum geht es Maria Bellmann mit ihrer Geschichtensammlung „Weihnachten in unserer Zeit“. Die Erzählung um die verzweifelte Mutter, die auf der Suche nach einer Lösung drastische Maßnahmen ergreift, provoziert. Soll sie auch, meint die Autorin.

Weihnachtsgeschichten handeln meist von Not und Hilfsbedürftigkeit in einem Szenario, das weit in der Vergangenheit liegt. Krieg und Hunger sind dort bestimmende Motive. Doch Nöte gebe es auch heute noch – auch bei uns, meint Bellmann. „Das sind aber andere Formen von Not, nämlich die, die in einer Wohlstandsgesellschaft zu finden sind.“ Die will sie aufgreifen und erstellt mit ihnen eigene Szenarien, die auch in der aktuellen Weihnachtszeit stattfinden könnten.

Doch zu provozieren war beim Schreiben des Buches nicht ihr einziges Anliegen. „Es sind besinnliche Geschichten. Die Leser sollen die Inhalte nicht nur aufnehmen, sondern auch einmal drüber nachdenken, wie wir jetzt eigentlich Leben“, so die Autorin aus Fährhof.

Deshalb berichtet die Schriftstellerin auf 374 Seiten unter anderem vom Bahnangestellten Paul, der an seinem letzten Arbeitstag vor dem Ruhestand befürchten muss, dass ein Zug während seiner Schicht entgleist. Doch während des Hochbetriebs am 24. Dezember hat keiner wirklich Zeit, dem Abgänger Gehör zu schenken. Eine weitere Geschichte handelt von der 41-jährigen Bettina, der Hausfrau, die ihrem späten Selbstverwirklichungsdrang zum Opfer fällt, und dabei ihre Familie vernachlässigt, bis ihr Mann Konsequenzen aus dem Handeln seiner Frau zieht.

Ein glückliches Ende gebe es übrigens bei jeder Geschichte, verrät die Autorin: „Das gehört in einem Buch zum Thema Weihnachten einfach dazu.“

Bis zum fertigen „Weihnachten in unserer Zeit“ ist es für die 51-Jährige ein langer Weg. Geschrieben hat die gebürtige Hamburgerin schon immer gern. „Schon in der Schule wollte ich Schriftstellerin werden. Meine Eltern meinten aber: ‚Lass das mal lieber.‘ Brotlose Kunst und so weiter“, erklärt Bellmann.

Die jetzige Autorin bringt ein abwechslungsreiches Berufsleben hinter sich, macht eine Hotelfachausbildung, arbeitet als Sekretärin und später als Marketing-Leiterin. Unternehmensberatung in großen und kleinen Firmen gehört zu ihrem täglich Brot. 2001 macht sie sich selbstständig, 2008 nimmt die Auftragslage beständig ab. Irgendwann nimmt sie die Dienste der Agentur für Arbeit in Anspruch. „Da gab es dann die erlösende Ohrfeige“, sagt Bellmann. Die Sachbearbeiterin gibt ihr klar zu verstehen: In ihrem geburtstarken Jahrgang sind viele Fachkräfte ohne Arbeit. „Wenn Sie noch eine Alternative zur Unternehmensberatung sehen, dann nehmen Sie die wahr“, sagt man ihr.

Gesagt, getan: Bellmann greift den Faden aus ihrer Kindheit auf, springt mit Anlauf ins Autorenleben und bekommt für ihre Entscheidung Rückhalt aus der Familie. Ein dreijähriges Fernstudium als Ausbildung zur Schriftstellerin folgt. „Wenn ich etwas anpacke, soll es Hand und Fuß haben“, sagt die Autorin. Was ihr noch fehlt, ist ein Pseudonym, um „Autoren- und Privatleben voneinander zu trennen“. „Maria Bellmann“ wird geboren – noch einmal, denn Namenspatin ist die inzwischen verstorbene Großtante der Fährhoferin.

Die ersten Geschichten für ihr Debüt entstehen bereits kurz vorher. Alles, was sie schreibt, bleibt erstmal liegen. „Die Erzählungen müssen reifen. Nach ein paar Tagen hole ich sie wieder hervor und dann sehe ich gleich, ob es eine Punktlandung geworden ist, oder ob ich mir eingestehen muss: ‚Das geht ja gar nicht. Das ist vollkommen unglaubwürdig‘“, erklärt Bellmann.

Die Anregungen für die Erzählungen holt sich die Autorin aus dem Alltag, aus Gesprächen, aus den Nachrichten. Beim Spaziergang mit Landseer-Hündin Erna kreiert die Schriftstellerin ihre Charaktere und das dazugehörige Aussehen. Beim Schreiben im Heimbüro läuft die Geschichte als „Film im Kopf“ ab und landet schließlich in Form von Wörtern auf dem Papier. Erna ist meist dabei und schlummert schnarchend als tierischer Ruhepol neben dem Schreibtisch.

Maria Bellmanns größter Kritiker ist ihr Mann. Er bekommt die Erzählungen als erstes zu sehen. „Er mag eigentlich gar keine Weihnachtsgeschichten“, gesteht die Autorin. Ihr Partner habe eher einen Faible für Science-Fiction. So entstand auch den einzigen Ausreisser ihres Buches: eine Geschichte, die nicht im jetzt spielt. Sie heißt ihm zu Ehren „Weihnachtsfiktion“ und ist eine Erzählung von einer Zukunft ganz ohne post-apokalyptisches Szenario, ohne Zerstörung und Trostlosigkeit – denn das sind Elemente, die die Autorin überhaupt nicht schätzt. „In der Weihnachtsfiktion wird es eine schöne Weihnacht“, sagt Bellmann lachend und fügt hinzu: „Trotz Sci-Fi ist das inzwischen meine Lieblingsgeschichte.“

• Das Neueste über die Autorin erfahren Facebook-Nutzer in regelmäßigen Abständen über die Seite „Weihnachten in unserer Zeit“. Tierfreunde können sich dort auch ein Video von Hündin Erna anschauen, wie sie sich aufopferungsvoll um die Korrekturlesung des Buches kümmert.

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