Die Tuningfreunde ROW über Vorurteile, die Absage der Race Days und die „Droge Auto“ - Von Dennis Bartz

Schrauber und Macher

Schrauber, Macher, Freunde: Alexander Raffalski (von links), Melissa Häkanshon, Sven Jonuscheidt, Patrick Meya und Patrick Grimm fühlen sich in der Werkstatt zu Hause. Fotos: Dennis Bartz
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Landkreis Rotenburg. „Ihr Revier ist die Autobahn. Ihr Tempo ist mörderisch.“ Mit diesen Worten startet die RTL-Serie „Alarm für Cobra 11“. Daran erinnert es ein wenig, wenn Patrick Meya (24 Jahre), Gründer der Tuningfreunde ROW, über seine Leidenschaft für schnelle Autos spricht: „Ich habe mein Auto einmal auf 299 Kilometer pro Stunde beschleunigt – mehr ging nicht“. Oder Club-Kumpel Sven Jonuscheidt (25), der stolz erklärt, dass sein knallgelber Seat, den er auch für Viertel-Meile-Rennen benutzt, mehr als 400 Pferdestärken unter der Haube hat.

Dabei schießen sofort Bilder durch den Kopf: von illegalen Straßenrennen, waghalsigen Manövern, dröhnenden Auspuffanlagen, rücksichtsloser Raserei, qualmenden Reifen und wummernden Bässen – Szenen wie in den „The Fast and the Furious“-Filmen. Dies seinen Vorurteile, versichern die Jonuscheidt und Meya, die ihnen aufgrund der schwarzen Schafe der Szene noch nachhängen, mit denen ihr Club jedoch inzwischen nur noch selten konfrontiert wird.

Denn in den hochgetunten, speziallackierten Autos, in welche die Tuningfreunde ROW zum Teil mehr Geld gesteckt haben als andere für ihren neuen Mittelklassewagen bezahlen, sitzen keine lebensmüden Raser. „Keine von uns riskiert sein Leben für den schnellen Kick“, versichern die beiden. Überhaupt verbringen sie gar nicht so viel Zeit am Sportlenkrad. Viel lieber hängen sie kopfüber im Motorraum.

Nicht jedes getunte Wagen sei eine Rennmaschine: „Wir decken in unserem Club die gesamte Bandbreite von 45 bis zu 600 PS ab“, so Meya. Bei gemeinsamen Ausfahrten mache das letztendlich keinen Unterschied: „In der Kolonne fahren wir selbst auf Autobahnen nur 120 Kilometer pro Stunde im Schnitt und halten per Funk Kontakt zu den anderen, damit wir niemanden verlieren.“

Auf seinem Werkstattgelände –Meya ist Inhaber von „Megacars & More“, einer Art Mietwerkstatt für Tuningbegeisterte und Bastler in Mulmshorn – ist immer etwas los. Kaum ein Tag vergeht, an dem niemand der insgesamt 27 Clubmitglieder vorbeikommt. „Vor 22 Uhr komme ich hier deshalb selten raus“, so der 24-Jährige.

Bis vor etwa zwei Jahren hatten die Tuningfreunde ROW sogar mehr als 45 Mitglieder. „Weil einige nur dem Hype gefolgt waren und sich nicht wirklich mit dem Verein identifiziert hatten, sind sie nun nicht mehr mit dabei. Wir sind jetzt eine kernige Runde. Es passt bei uns“, findet Meya.

Die Automarke spiele keine Rolle: „Wir sind nicht festgelegt. Die meisten fahren zwar VW und Audi, vertreten sind aber auch Modelle von Honda, Citroën, Peugeot, Dodge, Seat und Skoda.“ Meya ist es wichtig, mit einem weiteren Vorurteil aufzuräumen: Tuning als reine Männerdomäne? „Das war einmal. Wir haben zehn weibliche Mitglieder, die selbst gerne an ihren Autos schrauben“, so Meya.

Der Schuh drücke dagegen im Nachwuchs, besonders in der Altersspanne zwischen 18 bis 22 Jahre. „Tuning stirbt zunehmend aus“, bedauert Meya. Jugendliche seien heute zu sehr auf Medien fokussiert und wollen sich seiner Erfahrung nach nicht mehr schmutzig machen: „Die gehen doch lieber auf Pokémon-Jagd.“

Ein weiterer Grund: Tuning ist ein sehr teures und zeitintensives Hobby. 30.000 Euro seien schnell verbaut, zwischen 9.000 und 15.000 Euro bei umfangreichen Umbauten im Winter keine Seltenheit. Und das Geld dafür? „Das erarbeiten wir uns und sparen dafür eben an anderen Dingen“, erklärt Jonuscheidt.

Tuning auf Pump, das sei in der Szene verpönt. Sogenannte „Santander-Tuner“, benannt nach der Bank, die für Fahrwerk, Alufelgen und eine neue Lackierung Schulden machen, würden belächelt. Genauso Fahrer von getunten Autos, die sie nicht selbst erschaffen hätten. Meya: „Wir bauen unsere Autos alle selbst auf, mit viel Liebe und stehen dafür sechs, sieben Wochen in der Werkstatt, bis der Motor glatt läuft“, betont Meya.

Als Meya den Club 2009 gegründet hat, hatte die Rotenburger Polizei ihn und die anderen Mitglieder noch ständig auf dem Kieker, erinnert sich der 24-Jährige: „Aber die Zeiten, in denen ich fünfmal innerhalb weniger Tage kontrolliert worden bin, sind zum Glück vorbei. Die Polizisten kennen uns und wissen inzwischen, dass wir uns an die Verkehrsregeln halten und unsere Wagen verkehrssicher und zugelassen sind.“

Auch in der Verkehrssünderkartei in Flensburg seien die Clubmitglieder nicht vorbelasteter als andere Autofahrer. Unfälle? „Bis auf kleinere Blechschäden bislang zum Glück Fehlanzeige. Keiner von uns fährt wie ein Besenkter – und wir würden auch das Gespräch suchen, wenn es jemand täte“, so Jonuscheidt.

Meya ergänzt: „Unsere Droge sind getunte Autos, aber es geht für uns nicht um den Temporausch. Wir sind Schrauber und Macher.“ Deswegen sei für ihn der Trip mit knapp 300 Sachen eine einmalige Angelegenheit gewesen: „Ich habe es einmal gemacht. Nachts, alleine auf der Autobahn, vor ein paar Jahren. Ich brauche das nicht noch einmal.“

Von illegalen Rennen im Landkreis habe er gehört, aber er selbst würde daran weder teilnehmen noch eines besuchen, betont Meya. Dafür gebe es ja gut organisierte Viertel-Meile-Rennen. Oder besser: gab es, zumindest im Fall der Rotenburger Race Days, die an diesem Wochenende auf dem Flughafengelände stattfinden sollten.

Dann kam das überraschende Aus durch Bürgermeister Andreas Weber (SPD) und dem Hausherren, der Flugplatz Rotenburg Wümme GmbH, die die Genehmigung untersagten. Begründung: Vermeintliche Beziehungen der Veranstalter ins Rockermilieu. „Wir sind enttäuscht darüber, jeder im Club – Tuningfreunde überall in Deutschland sind es“, so Meya.

Extra wegen der Race Days seien in den vergangenen Jahren viele Tuner hunderte Kilometer bis nach Rotenburg gefahren. „Letztes Jahr waren es mehr als 10.000 Besucher. Die Race Days waren etwas völlig anderes als Veranstaltungen wie Summer Sensation oder Ferdinands Feld. Es war eine tolle Möglichkeit für Tuning- und Racingfans jeden Alters.“

Das Aus kam für sie völlig überraschend: „Es ist noch nie etwas passiert. Alles ist abgesichert. Es gibt Security und Krankenwagen und alles ist perfekt organisiert“, so Jonuscheidt, der auf Einsicht der Verantwortlichen und eine Neuauflage im kommenden Jahr hofft. Denn spätestens seit dem Verbot sehe es im Norden trist aus. „Im Osten ist viel mehr los, weil es dort noch viele alte Flugplätze gibt. Leider ist die Anreise mit dem Trailer aber immer sehr lang.“

Einige Mitglieder der Tuningfreunde ROW sind selbst schon einmal bei den Race Days gestartet – mit speziell präparierten Rennfahrzeugen, die oft nicht auf normalen Straßen zugelassen sind. Für alltägliche Fahrten benutzen sie ihre moderat getunten Alltagsfahrzeuge oder ihre Show- und Shine-Cars, die sie auf Messen und Ausstellungen zeigen – „selbstverständlich mit Straßenzulassung“, so Meya.

In den Sommermonaten rückt die Freundschaft in den Mittelpunkt. Die Mitglieder fahren zu Fachmessen, Tuningtreffen und nehmen an Viertel-Meilen-Rennen teil. „Wir grillen gemeinsam, machen Ausflüge zum Beispiel in den Heide-Park, gehen Kartfahren oder Paintball spielen. Dann kommen unsere Partner und Kinder, oft sogar die Eltern mit.“

Im Winter zieht es die Schrauber in ihre Werkstätten: „30 bis 40 Stunden pro Woche kommen da schnell zusammen – wir ziehen oft das ganze Wochenende durch, oft bis mitten in die Nacht. Da gehen hunderte Stunden drauf und Urlaubstage ohne Ende“, so Jonuscheidt. Leidet darunter nicht die Partnerschaft? „Das verlangt Verständnis und Toleranz auf beiden Seiten. Ich lege mir Geld fürs Tuning zurück und spare gleichzeitig für den Urlaub mit meiner Freundin“, berichtet Jonuscheidt von seinem finanziellen Spagat. Viel Zeit bleibt dafür aber nicht mehr, gesteht er: „Zehn bis 15 Urlaubstage plane ich schon ein – fürs Tuning, für Treffen und Messen.“

Wen das nicht abschreckt, der ist bei den Tuningfreunden willkommen. Eine Aufnahmeprüfung oder etwa Mutproben gebe es nicht, ein Vertrag werde auch nicht unterschrieben und selbst ein getuntes Auto sei keine Bedingung. „Interessierte müssen am Vereinsleben teilnehmen. Wir sind eine große Familie. Ob jemand aufgenommen wird, das ist eine Bauchentscheidung, die alle mittragen.“

• Wer mehr über die Tuningfreunde ROW erfahren will, der besucht die offizielle Facebook-Seite www.facebook.de/tuningfreude.row.

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