RSV-Marketingchef Paul Metternich zum 70. Geburtstag über Fußball, Liebe und Freundschaft - Von Dennis Bartz

Der Querkopf

Paul Metternich verbringt viel Zeit vor seinem Laptop: er macht Verträge, schreibt E-Mails und tummelt sich täglich auf Facebook.
 ©Dennis Bartz

Rotenburg. Paul Metternich einen unkomplizierten Charakter zu bescheinigen – auf diese Idee käme wohl niemand. Nicht dessen Ehefrau Doris. Nicht die Vereinskameraden beim Rotenburger SV, die ihr Marketingchef mit ständig neuen Ideen auf Trab hält. Nicht die Sportjournalisten, die mit ihm beinahe täglich zu tun haben. Und wohl am wenigsten er selbst. „Ich provoziere gerne und halte nie mit meiner Meinung hinter dem Berg“, sagt er über sich selbst, als er die Rundschau zu Hause empfängt. Am morgigen Sonntag, 23. Oktober, feiert Metternich seinen 70. Geburstag. Ideale Gelegenheit für eine Stippvisite bei dem gebürtigen Westerwalder aus Steinefrenz bei Hundsangen. Metternich spricht im Rundschau-Interview über Fußball, Liebe, Freundschaft und den Landwirt in ihm.

Vor 70 Jahren, am 23. Oktober 1946, kam Paul Metternich als Sohn des Schäfers Jakob zur Welt. Sein Vater ein Jahr zuvor aus dem Krieg zurückgekehrt. „Er wog damals nur noch 46 Kilo – so weit hatten ihn die Strapazen ausgemergelt“, berichtet Metternich, der das einzige Kind seiner Eltern blieb: „Es hat genetisch nicht gepasst. Alle weiteren Versuche, Kinder zu bekommen, haben deshalb nicht geklappt“, weiß Metternich aus Erzählungen.

Seine Kindheit war christlich geprägt. Er besuchte eine katholischen Kindergarten und war bis zu seinem 15. Lebensjahr Messdiener. „Ich habe es sogar zum Hauptmessdiener gebracht“, sagt Metternich stolz. Die beiden Schäfer Jupp und Willi, die seine Eltern gegen einen Schlafplatz sowie Speis und Trank beschäftigten, waren damals seine täglichen Begleiter: „Sie haben mich mit aufgezogen und lehrten mich alles über die Sonne, den Mond und die Früchte der Erde.“ 500 Schafe hatte der Metternich-Hof vor dem Krieg, immerhin noch etwa 170 danach. Einige Tiere hatten Soldaten gestohlen, den weit größeren Teil hatte seine Mutter an Bedürftige verschenkt oder als Bezahlung benutzt. Metternich: „In den Kriegsjahren hat sie damit das halbe Dorf verpflegt. Von ihr habe ich wohl meine sehr soziale Ader.“

Von seinem Vater stammt die Leidenschaft für Fußball: Noch im Alter von 45 Jahren stand dieser bei seinem Heimatverein SV Hundshangen im Tor. Er starb, als Paul gerade einmal 14 Jahre alt war und inzwischen selbst für den Verein auf dem Platz stand. „Ich war aber nie ein filigraner Fußballer, sondern eher ein Klopper-Typ, ein waschechter Libero.“ Seine aktive Fußballkarriere endete bereits mit 18 Jahren. Nachdem er sich kurz vor seiner Gesellenprüfung zwei Zehen gebrochen hatte, untersagte ihm seine Mutter, weiter zu spielen.

Noch mit über 30 Jahren, Metternich war damals zum ersten Mal verheiratet, wohnte er auf dem elterlichen Hof. Er hatte auf dem Grundstück ein Haus gebaut, das er mit seiner damaligen Ehefrau bezog. „Meine Mutter hat immer zu mir gesagt: Sei lieb zu den Mädchen. Manchmal war ich vielleicht etwas zu lieb“, bekennt Metternich mit einem verschmitzten Lächeln. Die erste Ehe ging in die Brüche, auch eine weitere scheiterte. Heute ist er zum dritten Mal verheiratet und hat vier eigene Kinder sowie inzwischen sieben Enkel und den ersten Urenkel.

Am liebsten hätte Metternich irgendwann selbst den Hof übernommen. „Das wäre genau mein Ding gewesen. Und ganz sicher wäre ich heute der größte Schäfer Deutschlands“, behauptet er. Aber seine Mutter hatte andere Pläne: Elektriker sollte ihr Sohn werden. Und Metternich, der sie sehr achtete, folgte auch dieses Mal zunächst ihrem Wunsch, ehe er mit 24 schließlich seinen eigenen Weg ging und in den öffentlichen Dienst wechselte.

„Ich wurde Aufseher in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main und habe dort zunächst mit jugendlichen Straftätern zwischen 14 und 17 Jahren gearbeitet – später mit Erwachsenen: Es waren Killer und Terroristen darunter. Trotzdem war das mein Traumjob – mit allen schönen und auch schlimmen Seiten.“ Zur letzten Sorte gehört der schwere Zwischenfall mit einem Häftling, der Metternich nach langem Krankenhausaufenthalt und Kur schließlich im Alter von nur 44 Jahren dazu zwang, seine Uniform schweren Herzens an den Nagel zu hängen. „Ich bin seitdem gesundheitlich nie wieder so richtig auf die Beine gekommen“, sagt er.

Zu diesem Zeitpunkt stockte auch seine Karriere als Sportfunktionär, die ihn nach eigenem Bekunden womöglich weit gebracht hätte. „Das ist vielleicht mein größtes Talent“, sagt er und berichtet von großen Erfolgen, die er bereits in jungen Jahren feierte. „Ich habe den FC Bayern in den Westerwald geholt und den Fußball-Damen des TuS Ahrbach den Weg in die Bundesliga geebnet.“ Das habe weithin Beachtung gefunden und so sei sein Name in den Notizbüchern verschiedener Bundesligisten gelandet. „Eintracht Frankfurt und der 1. FC Köln hatten ihre Fühler nach mir ausgestreckt, auch Vereine aus der Regionalliga und aus der Zweiten Bundesliga wollten mich“, erinnert sich Metternich. Doch seine lange Krankheit beendeten diese Träume jäh.

Als eine seiner Schwächen bezechnet er „die Liebe zum Weibe“. „Frauen waren mein Schicksal“, erzählt er, Metternich, der Lebemann – und seine Ehefrau Doris erklärt: „Paul kann wirklich sehr charmant sein, wenn er will.“ Ihr gelang es, woran andere gescheitert seien, erzählt er: „Es gab keine, die mich festhalten konnte.“ Mit ihren drei Kindern zog es die beiden 1991 nach Scheeßel, ehe 1996 der Umzug nach Rotenburg und die Hochzeit drei Jahre später folgte. In der Wümmestadt widmete sich Metternich mit ganzer Kraft dem Rotenburger SV.

Wegen seines engen Kontaktes zum damaligen Manager Uli Hoeneß gelang es ihm, den FC Bayern zweimal für ein Trainingslager nach Rotenburg zu holen (1999 und 2001). Testspiele des Hamburger SV, St. Pauli, Werder Bremen und polnischer Erstligisten folgten, darüber hinaus Spiele der Frauennationalmannschaft gegen China und Kanada, verschiedene Begegnungen der Jugendnationalmanschaften des DFB, zuletzt Anfang Oktober beim 0:0 der U16 gegen Österreich und schließlich Metternichs größter Coup: Er machte Rotenburg 2006 zur WM-Stadt. „Ich habe mit Unterstützung von Reinhard Lüdemann Trinidad und Tobago hierher geholt – alle hatten uns für verrückt gehalten. Aber wir haben es geschafft.“Metternich hat aus Rotenburg, das bis dahin ein weißer Fleck auf der Karte des DFB war, eine viel beachtete Fußballstadt mit einem modernen Stadion gemacht.

Die größere Herausforderung sei es gewesen, den RSV 2012 vor dem beinahe sicheren finanziellen Kollaps zu bewahren, gesteht Metternich: „Die Bank wollte uns damals den Hahn zudrehen – nur mit einem Rechtsanwalt im Schlepptau konnten wir das verhindern und verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Inzwischen geht es dem Verein finanziell gut und der Club hat mit Peter Grewe den richtigen Vorsitzenden.“

Metternich scheut keine großen Namen: Er steht in engem Kontakt zu DFB-Präsident Reinhard Grindel, hat mehrfach erfolgreich mit Uli Hoeneß verhandelt und hatte ein Vier-Augen-Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es war das einzige Mal, dass vor Aufregung seiner Stimme versagte. Er kannte außerdem den inzwischen verstorbenen Boxer Peter „dä Aap“ Müller und hat in seinem Flur unter anderem gemeinsame Bilder mit Ex-Tennisstar Boris Becker und dem ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger hängen. Dabei hilft es ihm, dass er nichts darauf gibt, was andere über ihn denken. „Genau genommen ist mir das sogar total egal“, bringt er es auf den Punkt.

Wie alle Metternichs väterlicherseits bezeichnet er sich selbst als Dickkopf und Querdenker, der auch mal grantig wird, willenstark und zudem zutiefst ungeduldig ist. Ehefrau Doris beschreibt ihren Mann außerdem aber als herzensgut, tierlieb, sensibel und sozial. Fünf Jahre habe er beispielsweise für das Busunternehmen Nadolny im Auftrag des Landkreises schwerbehinderte Kinder zur Schule nach Wilstedt gefahren. „Das fehlt mir immernoch ein bisschen – das habe ich sehr gerne gemacht“, sagt er.

In ihm tief verwurzelt ist bis heute der Schäfer und Bauer. Auf der Tarmstedter Ausstellung ist er deshalb Stammgast. Schafe faszinieren ihn bis heute. Außerdem ist er ein Musikliebhaber und hat unter anderem 1996 ein Konzert von Tina Turner und ein Jahr später den Auftritt von Michael Jackson im Weserstadion besucht: „Für mich war er der größte Musiker aller Zeiten – der damalige Werder-Manager Willi Lemke hatte mir die Karte geschenkt.“

Metternich steht zwar mit seinem Laptop oft auf Kriegsfuß, ist dafür aber auf Facebook trotzdem omnipräsent: Fast 2.500 Facebook-Freunde hat er dort aktuell, obwohl er erst kürzlich ausgemistet habe: „Ich schmeiße jedes Jahr 1.000 Kontakte wieder raus.“ Er vermeidet den Ausdruck „Freunde“, der ihn in diesem Zusammenhang stört. Denn er selbst habe nur vier echte Freunde in seinem Leben gehabt. „Mit denen war ich mehr als 60 Jahre befreundet, wir haben alles geteilt – leider leben drei von ihnen inzwischen nicht mehr“, sagt Metternich leise und zeigt zum ersten Mal seine nachdenkliche Seite.

Genauso, als er über seinen Hund Felix spricht – einen Jack-Russel-Terrier, den er mit stolzem Alter von 15 Jahren einschläfern lassen musste. Das war 2011: „Ich war dabei. Das werde ich niemals vergessen und ich möchte keinen anderen Hund. Dafür hat mir das damals zu sehr wehgetan.“

Mit 70 Jahren möchte es Paul Metternich nun etwas ruhiger angehen lassen. Dasselbe hatte er allerdings bereits nach der WM 2006 mit damals 60 Jahren angekündigt. Was daraus geworden ist, ist bekannt. Und so äußert der Tausendsassa und „Hans Dampf in allen Gassen“ kurz darauf bereits seine nächsten Ziele: Ein Kunstrasenplatz und eine neue Flutlichtanlage für seinen Verein sollen her.

Den Wunsch seiner Frau Doris, die Welt mit dem Schiff zu bereisen, hat er dagegen bereits abgesagt: „Ich werde dafür viel zu schnell seekrank“, erklärt er. Und den RSV, seinen Verein, würde er wohl ohnehin niemals so lange alleine lassen.

Wegbegleiter wenden sich mit Glückwünschen an Paul Metternich. DFB-Präsident Reinhard Grindel schreibt: „Ohne Menschen wie Paul Metternich funktionieren leistungsorientierte Amateurvereine nicht. Seine beharrliche Kärrnerarbeit im Sponsoring ist beispielgebend. Ich wünsche ihm etwas mehr Ruhe und Gelassenheit, um sich die Kräfte zu bewahren, die er hoffentlich noch lange in den Dienst des RSV stellt.“ 

Auch RSV-Vorsitzender Peter Grewe schließt sich den Glückwünschen an: „Im Namen des gesamten Vereins danke ich für den tatkräftig Einsatz. Du bist immer für den RSV da – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Ich hoffe, dass das noch lange so bleibt, denn du bist unersetzbar. Vielleicht wäre es für deine Gesundheit aber zuträglicher, wenn du manchmal etwas gelassener an die Sache heran gehen würdest.“ 

Bürgermeister Andreas Weber: „Paul Metternich, für Rotenburg und den Fußballsport als waschechter Hesse einfach nicht verzichtbar, manchmal aber wegen seines unverwechselbaren Dialekts etwas schwer zu verstehen, mit einem unbändigen Willen den Fußballsport in Rotenburg voranzutreiben, einfach ein Unikum, das Ecken und Kanten hat, mit denen man umzugehen wissen muss, im Herzen ein sehr sozialer Mensch.“

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